Obama zwischen allen Stühlen
12. Mai 2015"Ein Machiavelli im Niemandsland": So nennt Michael Doran vom Washingtoner Hudson Institute US-Präsident Barack Obama. Er sei weder ein verlässlicher Feind noch ein vertrauenswürdiger Freund. "Keiner traut ihm wirklich und keiner gibt viel darauf, was er sagt", so der Außenpolitik-Experte im Gespräch mit der Deutschen Welle. Laut Doran zeigt sich dies gerade besonders deutlich am Beispiel Saudi-Arabiens. Obama strebe an, seinen bisher engsten Verbündeten Saudi-Arabien genauso zu behandeln wie dessen Erzfeind, den Iran. So wolle der Präsident die USA als Vermittler im Nahen und Mittleren Osten positionieren. Damit habe er Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten "ungemein verärgert".
Der von Obama für diese Woche angesetzte Gipfel in Washington und Camp David ist für die Führer der Golfstaaten ein geeigneter Anlass, der Obama-Regierung die Zähne zu zeigen. Nicht nur Saudi-Arabiens König Salman bin Abdelasis sagte seine Teilnahme ab, sondern auch die Staatsführer aus Oman, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie alle schicken nun ihre Stellvertreter. Bruce Riedel vom Washingtoner Thinktank Brookings Institution interpretiert die Absage des saudischen Königs als "Signal mangelnden Vertrauens" in Obamas Verlässlichkeit. Anders als Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hätten die Saudis den Weg der öffentlichen Kritik vermieden. Stattdessen hätten sie mit der Absage eine unmissverständliche Botschaft gesandt, die den US-Präsidenten "beschämen" solle, auch wenn mit Kronprinz Mohammed bin Naif nun der neue starke Mann aus Riad deren Delegation anführe.
Der Nukleardeal dominiert
Die "New York Times" macht als Grund für die Absagen vor allem ein "fortgesetztes Missvergnügen" an der Iran-Politik Obamas aus. Der Republikanische Senator John McCain, einer der schärfsten Kritiker Obamas, prophezeit laut "Washington Post": "Obama wird es schwer haben, die arabischen Alliierten zu überzeugen, dass sie durch ein Nuklearabkommen (mit dem Iran) keinen Schaden nehmen."
Die anschwellende Kontroverse um den Iran hat die anderen Themen des Gipfels in den Hintergrund treten lassen, darunter den Kampf gegen den selbsternannten "Islamischen Staat", den Krieg in Syrien und den Konflikt im Jemen.
Obama wolle künftig derjenige sein, der bei Konflikten wie im Jemen oder in Syrien "alle zusammenruft und sagt: Wir sind erwachsen, lasst uns einen Kompromiss finden", erklärt Michael Doran den neuen Ansatz der amerikanischen Außenpolitik. Obama lege dabei vor allem Wert darauf, dass der Iran dabei sei. Er glaube, "das Land werde sich dann konstruktiver verhalten als in den vergangenen drei Jahrzehnten". Dies zielt vor allem auf den mit dem Iran verhandelten Nukleardeal, den Obama unbedingt abschließen will - denn für ihn ist er der Kern seines außenpolitischen Vermächtnisses.
Washington wirkt schwach
Saudi-Arabien und die anderen Golfstaaten betrachten das mit wachsendem Misstrauen. Der Iran hat sich immer mehr als schiitisch-islamische Führungsmacht profiliert, Saudi-Arabien wiederum versteht sich als Schutzmacht aller sunnitisch-islamischen Staaten. Der Irak, Syrien und jüngst auch der Jemen sind die Schauplätze, auf denen beide Länder ihren Kampf um regionale Vorherrschaft austragen. Insbesondere in einem möglichen iranischen Nuklearabkommen sehen Saudi-Arabien und seine Verbündeten ein großes Gefahrenpotential für die Region, denn sie nehmen den Kurs Teherans als aggressive Expansionspolitik wahr und befürchten, darin werde das Regime nun bestärkt. Saudi-Arabien sei dabei nicht vorrangig über die Zentrifugen besorgt, sondern über die fortgesetzte iranische "Subversion und Einschüchterung", erklärt Bruce Riedel.
Gleichzeitig interpretieren Saudi-Arabien und die Golfstaaten die Nuklearverhandlungen als einen Beleg für den US-amerikanischen Rückzug aus der Region und für schwindenden Einfluss Washingtons. Nicht anders ist laut Bruce Riedel zu erklärten, dass das saudische Militär ohne vorherige Konsultation der USA im Jemen interveniert habe.
Keine umfassenden Sicherheitsgarantien
Vor diesem Hintergrund verlangte der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Washington, Yousef al-Otaiba, schon im Vorfeld des Gipfeltreffens umfangreiche Sicherheitsgarantien von den USA. "In der Vergangenheit hatten wir ein Gentlemen's Agreement mit den USA über Sicherheit", zitiert ihn die "Washington Post". "Heute brauchen wir etwas Schriftliches, etwas Institutionalisiertes." Die Zeitung zitiert saudische Regierungsmitglieder, die für ihr Land eine militärische Kooperation fordern, ähnlich der Zusammenarbeit zwischen USA und Israel. Kernstück soll ein gemeinsames Raketenabwehrsystem sein.
Präsident Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes hat in einer Telefonkonferenz mit Journalisten in Washington die Hoffnung auf ein Sicherheitsabkommen wie etwa mit Japan oder Israel heruntergeschraubt. Stattdessen sei "eine Art von Statement" zu erwarten, so Rhodes. Obamas Sicherheitsteam wird nicht müde, darauf zu verweisen, dass die USA mit 35.000 Soldaten bereits jetzt stark in der Region engagiert seien. Doch der Präsident scheint gewillt zu sein, noch mehr Waffen in die Region zu liefern und ein Raketenabwehrsystem substantiell zu unterstützen.
Beobachter in Washington gehen nicht davon aus, dass Obama damit die tiefreichenden Vorbehalte Saudi-Arabiens ausräumen kann. Dagegen sei es wahrscheinlich, so Michael Doran vom Hudson Institute, dass Obama ein anderes, "unausgesprochenes" Ziel erreicht: Mit dem Gipfel wolle der Präsident seinen innenpolitischen Kritikern zeigen, dass er den arabischen Verbündeten die Hand reicht und mit ihnen zusammenarbeitet. "In diesem Fall ist der Kongress das Ziel. Obama will die notwendigen Stimmen bekommen, damit der Kongress den Iran-Deal nicht blockieren kann", so Doran. Da mittlerweile die Republikaner den Kongress kontrollieren, rechnet Doran zwar mit einer Mehrheit gegen ein mögliches Nuklearabkommen. Doch so wie es jetzt aussieht, werden die Republikaner nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit zusammenbekommen, mit der sie ein Veto Obamas außer Kraft setzen könnten. Der Präsident arbeitet fieberhaft daran, genug Volksvertreter auf seine Seite zu ziehen. Michael Doran ist sich sicher: "Er hat eine gute Chance, das zu erreichen."