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Handelsstreit mit China

Dirk Kaufmann12. Juli 2012

US-Präsident Barack Obama hält die chinesischen Einfuhrzölle auf US-Autos für höchst unfair. Seine Regierung hat deshalb bei der WTO Beschwerde gegen China eingereicht. Aber geht es dabei wirklich um Handelsbeziehungen?

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U.S. President Barack Obama speaks at a campaign event at Dobbins Elementary School in Poland, Ohio July 6, 2012. Obama is on a two-day campaign bus tour of Ohio and Pennsylvania. REUTERS/Kevin Lamarque (UNITED STATES - Tags: POLITICS)
Präsident Barack Obama in Poland OhioBild: Reuters

Barack Obama fährt in diesen Tagen mit dem Wahlkampf-Bus durch Ohio. Der US-Bundesstaat wird vom Präsidenten und seinem Herausforderer Mitt Romney besonders hart umkämpft. Dort haben sich viele amerikanische Autohersteller niedergelassen. Verständlich also, dass Obama gerade in Ohio verspricht, gegen chinesischen Protektionismus und für amerikanische Arbeitsplätze kämpfen zu wollen.

Zur gleichen Zeit erklärt in Washington Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses, dass die Regierung eine Beschwerde gegen die chinesische Regierung bei der Welthandelsorganisation WTO eingereicht hat. Während der Präsident in Ohio die chinesischen Zölle als "unfair" geißelt, fordert auch der US-Handelsbeauftragte Ron Kirk die Regierung in Peking auf, endlich "nach den Regeln des weltweiten Handelssystems zu spielen".

China erhebt auf die Einfuhr von Autos aus den USA einen erhöhten Zoll von bis zu 21,5 Prozent. Das gilt für Wagen mit mehr als 2,5 Litern Hubraum. Im vergangenen Jahr seien - so wurde in Washington nachgerechnet - 92.000 Autos dieser Klasse nach China exportiert worden. Es gehe dabei um einen Umsatz von mehr als drei Milliarden Dollar. Die Autobauer Chrysler und General Motors, so Sprecher Jay Carney, litten besonders unter den Einfuhrzöllen.

Handelskrieg für den Wahlkampf?

Für Jacob Kirkegaard vom "Peterson Institute for International Economics" in Washington ist der Zeitpunkt, den Barack Obama für seine Attacke gegen den chinesischen Protektionismus gewählt hat, kein Zufall. "Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf diktiert das Timing", sagte er im Gespräch mit der DW. Obama wolle sich als Anwalt der Autobauer in den USA profilieren. Mit den Schlagzeilen, die er jetzt produziert, wolle er "zeigen, wie sehr er sich für die amerikanische Industrie einsetzt."

Die Ökonomin Doris Fischer - Professorin für "China Economics and Business" an der Universität Würzburg - ist der Überzeugung, dass das in Peking ähnlich gesehen wird. China "habe sich schon darüber beschwert, in den USA zum Wahlkampfthema gemacht zu werden." Die Vorwürfe seien stets die gleichen: China halte sich nicht an die Regeln, China versuche, der amerikanischen Wirtschaft zu schaden.

Wie Du mir, so ich Dir

China steht auf dem Standpunkt, die amerikanische Autoindustrie werde unzulässig subventioniert, ihre Produkte seien daher zu billig. Deswegen würden nun höhere Abgaben beim Import von US-Autos fällig. In den vergangenen Jahren hat die US-Regierung die heimischen Autobauer mit erheblichen Mitteln vor dem Konkurs bewahrt. Inzwischen aber schreiben Chrysler und GM wieder Schwarze Zahlen. Nach chinesischer Lesart ist des Staatsgeld aus Washington dafür verantwortlich. Das stelle eine Wettbewerbsverzerrung dar.

Jacob Kirkegaard hat keine Zweifel, dass "die Staatshilfen für Chrysler oder GM 2009 eine ganz offensichtliche staatliche Unterstützung waren – das ist ganz klar." Doch das sei nicht der wahre Grund für die Anhebung der Zölle. Er geht davon aus, dass sich die Chinesen revanchieren wollen für andere Fälle, in denen ihnen untersagt worden war, ihre Produkte billig in den USA anzubieten. Wie zum Beispiel "im Jahr 2009, als sie Autoreifen zu Dumpingpreisen auf dem amerikanischen Markt verkaufen wollten."

"Es gibt immer wieder die Vorwürfe aus Amerika, dass die Chinesen Dumping betreiben und dass sie ihre Waren in den USA zu billig verkaufen", bestätigt Doris Fischer. Im aktuellen Fall würden die Chinesen eben dagegenhalten und sagen: "Wenn wir das genau betrachten, dann tun die Amerikaner das doch auch."

Peking und Washington streiten sich schon seit Jahren über billige Exporte, Schutzzölle oder Kompensationsabgaben. Da revanchiere sich der eine immer für das, was der andere gerade getan hat. "Wie Du mir, so ich Dir", meint Jacob Kirkegaard dazu.

Sturm im Wasserglas

Die amerikanische Regierung hat China bei der Welthandelsorganisation verklagt, und Barack Obama gibt den Kämpfer für die amerikanische Industrie und die Arbeitsplätze der Autobauer. Aber sind wirklich Arbeitsplätze in Gefahr, wenn auf 92.000 Autos höhere Einfuhrzölle erhoben werden? Doris Fischer hält das für abwegig. Sie weist im Gespräch mit der DW darauf hin, dass GM im vergangenen Jahr etwa 2,5 Millionen Autos in China verkauft, aber nur "wenige Zehntausend davon importiert hat".

GM produziert die meisten Autos für den chinesischen Markt in Shanghai, für die muss der erhöhte Einfuhrzoll nicht entrichtet werden. Also sei "der Schmerz, der den großen Herstellern da zugefügt wird, beschränkt." Jacob Kirkegaard vom Washingtoner Peterson-Institut sieht das ganz genauso: "Das ist nichts, was die generelle Gesundheit irgendeines großen Autobauers gefährdet."

Säbelrasseln

Einer Beschwerde, die bei der WTO eingelegt wird, folgt immer das gleiche Prozedere: Die beiden Kontrahenten haben 60 Tage Zeit, in Gesprächen eine Lösung ihres Problems zu finden. Verstreicht diese Frist ergebnislos, fällt die WTO eine Entscheidung – nach längerer Beratung allerdings. Ein solches Verfahren kann bis zu zwei Jahre dauern.

Nach Ansicht von Doris Fischer wird es dazu nicht kommen. Die Klage der USA bei der WTO hält sie lediglich für "ein bisschen Säbelrasseln". Und Jacob Kirkegaard glaubt ebenfalls, dass der Streit zwischen Peking und Washington in aller Stille beigelegt wird. Spätestens im November, wenn der neue amerikanische Präsident gewählt ist. Die USA hätten zwar gute Argumente, wenn sie den Chinesen wirtschaftliches Foulspiel vorwerfen, aber sie würden den Fall bestimmt nicht weiter verfolgen: "Für beide Regierungen steht zu viel auf dem Spiel, als das sie ihr Verhältnis wirklich gefährden würden."

Fließband in chinesischem Ford-Werk (Foto: dpa)
Alle großen Autohersteller der Welt produzieren inzwischen auch in China - hier ein Werk von Ford.Bild: picture alliance/dpa
Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson-Institut in Washinton (Foto: IIE)
Jacob Kirkegaard: "Wie Du mir, so ich Dir."Bild: PIIE
Jacob Funk Kirkegaard vom Peterson-Institut in Washinton (Foto: IIE)
Jacob Kirkegaard: "Wie Du mir, so ich Dir."Bild: PIIE