Lebensmittel per Klick
19. Juli 2012"Nein, das mache ich nicht", sagt die junge Kundin und schüttelt den Kopf. Ihre Lebensmittel online einzukaufen, daran denke sie nicht. "Ich ziehe es lieber vor, direkt in den Supermarkt zu gehen und meine Sachen selbst auszusuchen", sie kramt einen Geldschein aus ihrem Portemonnaie und reicht ihn der Kassiererin. Für den Einkauf frischer Lebensmittel, wie Obst, fahre sie gar extra raus zu einem Bauern, den Rest erledige sie im Laden, sagt sie und schnappt sich ihre Einkaufstüte.
Diese Aussage einer Kundin ist typisch für die meisten deutschen Verbraucher, wenn man sie über ihr Einkaufsverhalten von Lebensmitteln im Internet befragt. Lediglich jeder zehnte Bundesbürger hat schon einmal Lebensmittel, Getränke oder Drogerieartikel online bestellt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Verbraucherumfrage des Marktforschungsinstituts GfK. Zwar buchen die Deutschen ihren Urlaub gerne über das Netz und auch den neusten Bestsellerroman lassen sie sich gerne nach Hause liefern, aber bei den Lebensmitteln überwiegt noch die große Skepsis. So gaben die Verbraucher in Deutschland im Jahr 2010 im Schnitt pro Kopf rund zwei Euro für Lebensmittel im Internet aus. In Großbritannien waren es im Vergleichszeitraum stolze 82 Euro.
Ein kaum vorhandener Markt
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der Markt für Online-Lebensmittel in Deutschland noch ein reiner Nischenmarkt ist. Gerade einmal 200 Millionen Euro werden hierzulande jährlich für Lebensmittel im Internet umgesetzt, was etwa 0,2 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht. Jenseits des Ärmelkanals waren es bereits über fünf Milliarden Euro. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney hat in Zusammenarbeit mit der Universität Köln in einer Studie knapp 700 Verbraucher zu ihrem Kaufverhalten von Lebensmitteln im Internet befragt und kam dabei zu dem Ergebnis, dass 82 Prozent der befragten Verbraucher noch keinerlei Erfahrung mit dem Online-Einkauf von Lebensmitteln haben.
Nur überhaupt ein Prozent der Umfrageteilnehmer kauft regelmäßig jeden Monat einmal online ein, heißt es in der Studie. "Die meisten Verbrauchen wussten gar nicht, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, Lebensmittel im Internet zu kaufen. Vor allem bei frischen Lebensmitteln ist das Bewusstsein dafür noch gar nicht vorhanden", erklärt Christian Kukwa, Mitautor der Studie.
In der Tat ist der Markt für Online-Food noch recht überschaubar. Große deutsche Supermarktketten wie Edeka, Netto oder auch Rewe bieten - wenn überhaupt - nur einen begrenzten Online-Einkauf von Lebensmitteln an. So kann bei Rewe erst in elf Städten in Deutschland die Ware online bestellt und dann später am Markt abgeholt werden. Den Lieferservice nach Hause bietet Rewe gar nur in Hamburg und Frankfurt an. Man befinde sich zurzeit noch in einer Testphase, sagt Christian Griem, Bereichsleiter E-Commerce bei Rewe. Erst 2011 startete man bei der Supermarktkette mit dem Online-Geschäft, Werbung für den Abhol- und Lieferservice gibt es kaum.
Angst vor Kannibalisierung
Ein Grund warum die Supermärkte bisher noch recht zurückhaltend mit ihren Online-Aktivitäten sind, ist die Angst, sich selbst zu schaden. Denn im Laden kaufe der Kunde eher spontaner ein und nehme schon mal etwas mit, was er nicht unbedingt geplant habe zu kaufen. "Leider müssen wir als Händler sagen, dass der Kunde im Internet doch rationeller einkauft. Er wird nicht dazu verleitet Artikel zu nehmen. Im Internet plant er seinen Einkauf rein nach den Sachen, die er wirklich benötigt", sagt Christian Griem.
Allgemein ziehen es die deutschen Verbraucher eindeutig vor, ihre Waren persönlich in Augenschein nehmen und anfassen zu können. Diesen Aspekt bemängelten 70 Prozent der Befragten beim Online-Einkauf. Bei fast genau so vielen herrschte eine Unsicherheit über die Qualität der Produkte. Was dem Online-Lebensmittelhandel in Deutschland vor allem zu schaffen macht, ist die hohe Supermarktdichte, die sei beispielsweise in Großbritannien viel niedriger, sagt Christian Kukwa. "Die Deutschen gehen gerne in den Supermarkt um die Ecke und fragen sich dann, warum soll ich online bestellen, wenn direkt um die Ecke der Supermarkt ist?"
Über die Hälfte des Umsatzes online
Einer der Anbieter der nicht mehr auf den Online-Handel verzichten möchte ist der Düsseldorfer Einkaufsladen "Emmas Enkel". Betritt man den typischen Tante Emma-Laden in der Innenstadt von Düsseldorf, umgibt einen ein Hauch von Nostalgie. Überall in den Ecken stehen Erinnerungen an eine vergangene Zeit: Eine alte Kasse, eine Kaufmannswaage wie zu Großmutters Zeiten, ein Radio oder ein alter Herd. Aber "Emmas Enkel" ist kein reiner Tante Emma-Laden. Viel mehr ist er ein Tante Emma-Laden mit Online-Komponente. Die Kunden können hier, wie überall sonst auch, ihren Einkauf im Laden erledigen - aber auch online bestellen und dann im Laden ihre Waren abholen oder sich die Produkte bequem bis vor die Haustür liefern lassen. "Wir haben bei uns ein Zwei-Stunden-Zeitfenster, indem die Kunden zuhause sein müssen für die Lieferung. Und das Gute: Wenn sie bis 17 Uhr bestellen, dann kriegen sie ihre Waren noch am selben Tag um 20 Uhr geliefert", sagt Sebastian Diehl, einer der Geschäftsführer des Ladens. "Es ist einfach wichtig, dass der Kunde seine Ware noch am selben Tag bekommt". Über die Hälfte seines Umsatzes mache der Laden mittlerweile mit dem Online-Geschäft. Seit April bietet man sogar einen deutschlandweiten Lieferservice an, wobei hier allerdings auf schnell verderbliche Waren verzichtet werde.
Für den zweiten Geschäftsführer Benjamin Brüser ist die zeitnahe Lieferung einer der Gründe, warum das Online-Geschäft bei Emmas Enkel im Gegensatz zu anderen Händlern so gut laufe. "Die Kunden haben Vertrauen in uns, weil wir eben kein anonymer Online-Shop sind, sondern ein stationäres Geschäft, an das man sich bei Fragen und Problemen wenden kann." Die beiden beobachten auch oft, dass die Kunden zuerst die Qualität der Produkte im Geschäft testen und dann ihren Einkauf auf das Internet verlagern würden.
Trotz des bisher schleppenden Beginns verspricht die Studie von A.T. Kearney und der Universität Köln der Branche großes Wachstumspotenzial: Bis 2016 soll es einen spektakulären Umsatzzuwachs von 700 Prozent geben.