Oettinger im Fettnapf
29. Oktober 2016Günther Oettinger hatte am Mittwoch vor Unternehmern in Hamburg eine Rede gehalten - und darin über Homosexuelle, Chinesen und Frauen gelästert. Was er zu dem Zeitpunkt vermutlich nicht wusste: Seine abschätzigen Worte wurden von einem Zuschauer aufgenommen und Videoauszüge daraus später auf YouTube veröffentlicht.
Auf dem Video ist zu hören, wie Oettinger sich über die "Pflicht-Homoehe" in Deutschland lustig macht. Auch über eine chinesische Regierungsdelegation auf Brüssel-Besuch äußerte er sich abschätzig und machte eine fragwürdige Bemerkung über Frauen. "Alle Anzug, Einreiher, dunkelblau. Alle Haare von links nach rechts, mit schwarzer Schuhcreme gekämmt", sagte der Noch-EU-Kommissar für Digitalwirtschaft unter Gelächter der Zuhörer. "Neun Männer, eine Partei, keine Demokratie. Keine Frauenquote, keine Frau, folgerichtig."
Barley zweifelt an Oettingers Eignung
Nach seinen flapsigen Bemerkungen stellt SPD-Generalsekretärin Katarina Barley die Eignung Oettingers als künftiger EU-Haushaltskommissar nun in Frage. "Jemand, der offene rassistische und homophobe Ressentiments bedient, disqualifiziert sich für politische Spitzenposten", sagte sie dem Nachrichtenportal "Spiegel Online". "Günther Oettinger sollte mal dringend sein Weltbild überprüfen. Ein EU-Haushaltskommissar mit solchem Gedankengut könnte der ganzen EU Schaden zufügen", so Barley weiter.
Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck zeigt sich schockiert: "Ein Wahnwichtel fürchtet sich vor der homosexuellen Zwangsverheiratung: Der homophobe Spruch von der drohenden Pflicht-Homoehe zeugt davon, dass der Herr Kommissar die letzten Jahrzehnte verschlafen hat", betonte er.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, äußert auf Twitter, man müsse davon ausgehen, dass Oettinger regelmäßig so rede und das lustig finde. Linken-Chef Bernd Riexinger schreibt auf Twitter: "Die Kanzlerin wäre gut beraten die Zeit von Oettinger in Brüssel zu beenden. Rassismus und Homophobie dürfen keinen Platz haben." Auch die Co-Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, twittert ihre Verärgerung.
Oettinger rechtfertigt sich
Unterdessen übt sich Oettinger gegenüber der Zeitung "Die Welt" in Schadensbegrenzung. "Ich wollte im digitalen Sektor, generell bei technologisch geprägten Sektoren aufzeigen, wie dynamisch die Welt ist. Und welche Herausforderung das enorme Tempo der Aufholjagd von Ländern wie China und Südkorea für uns darstellt", erklärte Oettinger. Er habe in diesem Zusammenhang vor "Selbstzufriedenheit" warnen wollen. Auch die Home-Ehe oder die Frauenquote habe er nicht als solche angreifen wollen, sagte Oettinger. Seine Rede sei nicht anstößig gemeint gewesen. "Man muss den Gesamtzusammenhang sehen, in dem ich mich geäußert habe", erklärte der Kommissar.
Am Freitag war bekannt geworden, dass Oettinger in der EU-Kommission aufsteigen soll. Der jetzige Kommissar für digitale Wirtschaft soll zum Jahreswechsel das Haushaltsressort von der Bulgarin Kristalina Georgiewa übernehmen, die zur Weltbank wechselt.
vk/sti/kle (dpa, afp)