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Politik

Gegen Identitäts-Schwindel bei Asylbewerbern

Heiner Kiesel
6. Dezember 2017

Innenminister Thomas de Maizière begutachtet die neuen IT-Werkzeuge der Migrationsbehörden und zeigt sich hochzufrieden. Die Möglichkeiten der Überprüfung sind groß, aber auch umstritten.

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Deutschland Bundesinnenminister Thomas de Maizière im BaMF in Berlin
Innenminister Thomas de Maizière ist "beeindruckt" von der Technik, die im BAMF eingesetzt wirdBild: DW/H. Kiesel

Im Wartesaal des Berliner Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hängt ein Mitarbeiter noch rasch ein frisches Plakat auf. "Dein Land, deine Zukunft" steht darauf. Aber damit ist nicht Deutschland gemeint, sondern das Land, aus der jeweils der Asylbewerber kommt, der hier seinen Antrag stellt. Die letzte Reißzwecke sitzt, und da kommt auch schon der Besuch, für den der ansonsten schmucklose Saal umdekoriert wurde: der geschäftsführende Bundesinnenminister Thomas de Maizìere (CDU). Er will sich hier zeigen lassen, dass man bei einem Migrationsproblem weitergekommen ist, an dasjetzt in der Vorweihnachtszeitwieder häufiger erinnert wird.

"Wir wollen wissen, um wen es sich handelt und ob gegen ihn etwas vorliegt", sagt de Maizière. Für ihn ist das ein Top-Thema. Der CDU-Politiker hat einmal behauptet, dass 30 Prozent der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, bei ihren Anträgen betrügen. Eine Statistik zu dieser Zahl fehlt allerdings. Doch es gibt ein besonders krasses Beispiel für den Personalienschwindel: Vor gut einem Jahr fährt der Tunesier Anis Amri mit einem Laster in einen Weihnachtsmarkt in Berlin und tötet elf Menschen dabei. Amri hatte sich zuvor bei den Behörden mit mehr als einem Dutzend verschiedener Identitäten Asyl- und Sozialleistungen verschafft. Das sollte nie mehr passieren.

Deutschland Bundesinnenminister Thomas de Maizière im BaMF in Berlin
In der Flüchtlingsbehörde wird deutlich für die Rückkehr in die Heimatländer geworbenBild: DW/H. Kiesel

IT-Offensive in der Flüchtlingsbehörde

Also hat das BAMF seine Technik aufgerüstet. In einem Nebenraum sind die neuen Komponenten aufgestellt worden. De Maizière tritt zunächst an einen Schreibtisch mit Computerterminal, an dem eine syrische Dolmetscherin der Flüchtlingsbehörde einen Asylbewerber-Datensatz eingibt. Markus Richter, der IT-Verantwortliche in der Migrationsbehörde, steht daneben und sieht ziemlich zufrieden aus. "Wir haben die neuen Werkzeuge in nur neun Monaten eingeführt!", sagt er. De Maizière weiß jetzt schon, dass die anderen europäischen Länder hier "von Deutschland lernen können".

Richter zeigt dem Minister jetzt, was auf dem Bildschirm passiert. "Da wird die Schreibweise standardisiert und gleich abgeklärt, ob die Daten zum angegebenen Heimatland passen", beschreibt der IT-Bereichsleiter. Aber das ist erst der Anfang. Die Dolmetscherin greift zum Telefon und wählt die Nummer der zentralen Spracherkennungssoftware. Sie textet die Datenbank etwa zwei Minuten in ihrer Muttersprache zu. "Wir können damit selbst bei Leuten, die sich verstellen, ganz gut ermitteln, aus welchem Teil der arabischen Welt sie wirklich kommen", erklärt Richter. Das funktioniere über den Sprachklang. Außerdem lerne das System mit jedem neuen Sprachsample dazu. Es dauert wenige Minuten, dann ist das Ergebnis da. Die Syrerin wird zu 78% der Levante-Region zugeordnet. Nicht ganz so eindeutig. Und: "Die Levante ist ja ein bisschen größer", stellt der Minister trocken fest. "Das ist ja nur ein Hilfsmittel, die Fehlerquoteliegt bei 20 Prozent", entgegnet ihm Richter.

Deutschland Symbolbild Identitätsprüfung von Flüchtlingen
Fingerabdrücke gehören trotz der neuen Technik weiterhin zur IdentifikationsprozedurBild: picture-alliance/dpa/U. Anspach

Ein paar Meter weiter wird vorgeführt, wie Porträtaufnahmen der Asylbewerber überprüft werden. Das zentrale System greife auf 1,9 Millionen biometrische Fotos zurück, sagt der IT-Chef. "Das ist besonders bei Kindern wichtig, bei denen keine Fingerabdrücke existieren."

Umstrittene Handyüberprüfung von Asylbewerbern

Die letzte Station im neuen "Integrierten Identitätsmanagement" des BAMF hat für ziemlichen Ärger unter den Fachpolitikern und Kritik von Juristen gesorgt. Für die Opposition geht damit die Schnüffelei im Privatleben der Migranten zu weit. Justus Strübing, in der Behörde zuständig für die neuen IT-Tools, klappt ein Köfferchen voller Telefonadapter auf. "Da ist fast für jedes gängige Handy ein passender dabei", sagt er. Dann schließt er ein Testgerät an seinen PC und saugt die Daten darauf ab. Ein wachsender Balken auf dem Bildschirm zeigt den Fortschritt an.

Deutschland Handys von Flüchtlingen im Visier
Die Behörden erhoffen sich durch Handy-Daten Hinweise auf Herkunft, Fluchtwege und KontaktverhaltenBild: picture alliance/NurPhoto/N. Economou

"Wir nehmen nur die Metadaten", versichert Strübing – also Informationen darüber, mit welchem Land ein Telefonat stattgefunden hat, aber nicht mit welcher Endnummer. Ebenso werde die Herkunft von Internetdaten ermittelt, aber nicht deren Inhalt, heißt es. Am Ende gibt es eine Statistik, die der Sachbearbeiter zu Hilfe ziehen kann, wenn er Zweifel an der Plausibilität der Angaben des Antragstellers hat. "Und wenn der Antragsteller sein Mobiltelefon nicht auslesen lassen will?", fragt De Maizière. "Dann wirkt sich das negativ auf das Asylverfahren aus", wissen die Leute des BAMF. "Die gesetzliche Mitwirkungspflicht", fügt der Minister hinzu und nickt anerkennend.