"Ohne Freihandelsabkommen investiert niemand auch nur einen Cent"
16. März 2006DW-WORLD: Herr Arias, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Wahlsieg. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen. Die Umfragen hatten einen klaren Wahlsieg für Sie vorausgesehen. Am Ende war der Vorsprung zu ihrem Hauptkonkurrenten Ottón Solis denkbar knapp. Warum haben Sie im letzten Moment so viel Unterstützung verloren?
Oscar Arias: Ich hab mich im Wahlkampf für das Freihandelsabkommen für Zentralamerika (CAFTA) mit den USA stark gemacht, sowie für ein Ende der Monopole, die es in Costa Rica im Bereich der Telekommunikation und Versicherungen immer noch gibt. Außerdem habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Bürger Costa Ricas mehr Steuern zahlen. Das sind alles sehr kontroverse Themen. Insgesamt gab es 14 Präsidentschaftskandidaten, 12 davon haben sich letztendlich entschieden, Ottón Solis zu unterstützten, der in den Umfragen an zweiter Stelle lag. Am Ende haben diese 12 nur ganz wenige Stimmen bekommen, und es kam zu einem Zweikampf zwischen mir und Solis.
Ihr Land ist in der Frage des Freihandelsabkommens gespalten. Was ist Ihre Haltung in dieser Frage?
Es war eines meiner Wahlversprechen, das Freihandelsabkommen mit den USA anzunehmen. Ohne CAFTA wird niemand auch nur einen Cent in Costa Rica investieren. Die Welt von heute hat sich verändert. Sie ist globalisiert. Der Bereich der Telekommunikation ist globalisiert, genauso wie der Handel. Europa hat inzwischen eine gemeinsame Währung. Schauen Sie sich Chile an: Es ist das Land, das seine Märkte am weitesten geöffnet hat. Es hat Freihandelsabkommen mit der gesamten westlichen Hemisphäre abgeschlossen, mit der EU sowie mit Singapur, Südkorea, China. Es fehlt nur noch Japan. Es ist kein Zufall, dass Chile mit sieben Prozent das Land mit dem größten Wirtschaftswachstum in Lateinamerika ist.
Aber ist denn Freihandel das geeignete Mittel, um in Ihrem Land die Armut zu bekämpfen? Die liegt derzeit bei über 20 Prozent?
Die besten Mittel gegen Armut sind Wirtschaftswachstum und die Bildung unserer Jugend. In Lateinamerika gehen die jungen Menschen im Schnitt siebeneinhalb Jahre zur Schule. Insofern muss man nicht fragen, woher die Armut und die Ungleichheit in Lateinamerika kommen. Mit einer Schulzeit von sechseinhalb Jahren kann man kein anständiges Leben führen, keine qualitativ hochwertige und gut bezahlte Arbeit finden. Immerhin gehen in Costa Rica die Leute im Schnitt zehn Jahre zur Schule. Das ist aber eine Ausnahme in Lateinamerika. Außerdem hat Costa Rica gar keine Alternative zum Freihandel. Ein so kleines Land, das produziert, was es nicht konsumiert und konsumiert, was es nicht produziert, muss zwangsweise ein- und ausführen. Der Handel macht in Costa Rica 95 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Er ist die Lokomotive für die Entwicklung Costa Ricas.
Sie waren schon einmal Präsident zwischen 1986 und 1990. Damals galt Costa Rica als die Schweiz Lateinamerikas. Dieses Bild ist durch die jüngsten Korruptionsfälle, in die zwei Ex-Präsidenten verwickelt waren, angekratzt. Wie wollen Sie gegen dieses Problem vorgehen?
Das ist sicher eines der schwierigsten Aufgaben, die mir bevorstehen. Die Korruptionsfälle haben das Volk Costa Ricas verärgert, vor allem die jungen Leute. Das ist auch die Erklärung dafür, dass 35 Prozent der Wahlberechtigten nicht gewählt haben. Meine Aufgabe ist es nun, das verlorene Vertrauen in die Regierung wiederherzustellen. Das geht nur mit einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption und mit Transparenz.
Werden Sie in der Außenpolitik auch vermehrt nach Europa schauen, oder bleiben Sie bei den USA, dem traditionellen Partner?
Europa hat mir vor 20 Jahren sehr geholfen. Es war mein wichtigster Verbündeter im Bemühen um einen Frieden in Mittelamerika. Ich erinnere mich an meinen Besuch in Bonn, mein Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Ich habe nie vergessen, welch wichtige Rolle Deutschland und der Rest Europas gespielt hat, meinen Friedensplan gegen den Willen von US-Präsident Ronald Reagan durchzusetzen. Sogar Frau Thatcher, die damals sehr auf der Linie Washingtons war, unterstützt den Plan und nicht die Position Reagans. Das wichtigste Thema heute ist, mit den Europäern ein Freihandelsabkommen auszuhandeln, nicht nur mit Costa Rica, sondern ganz Mittelamerika. Darum wird es auch im Mai in Wien bei einem Treffen zwischen der EU und den lateinamerikanischen Staaten gehen.
Was denken Sie über die wieder erstarkte Linke in Lateinamerika, wie in Venezuela oder Bolivien? Macht Ihnen die Popularität eines Hugo Chávez oder Evo Morales Angst?
Evo Morales ist der erste indigene Präsident in einem Land mit indigener Mehrheit. Das ist keine Überraschung, dass die Indios jemand ihrer Ethnie zum Präsidenten gemacht haben. So ist Demokratie. Sicher stimme ich in einigen Dingen mit Morales nicht überein. Das ist auch bei Venezuela so. Ich vertrete andere Meinungen als Hugo Chávez. Der versucht protektionistisch zu sein, er glaubt nicht an den internationalen Handel. Er hat das Glück, dass sein Land über Erdöl verfügt. Das bedeutet Wachstum solange der Ölpreis bei rund 60 Dollar liegt. Öl ist die wichtigste Einnahmequelle Venezuelas. Das ist aber nicht der Fall in den anderen Ländern Lateinamerikas.
Lassen Sie uns noch über die Fußballweltmeisterschaft sprechen. Costa Rica wird im Eröffnungsspiel auf die deutsche Mannschaft treffen. Was bedeutet die WM für Costa Rica?
Ich weiß nicht, ob es Glück oder Pech ist, dass wir im Eröffnungsspiel auf die deutsche Mannschaft treffen. Deutschland gehört nun einmal zu den besten Mannschaften der Welt und wir nun mal nicht. Das müssen wir realistisch sein. Aber ich werde in München sein und unsere Mannschaft anfeuern.
Sie halten die deutsche Mannschaft immer noch für eine der besten Mannschaften der Welt, trotz unserer schweren Schlappe gegen Italien. Wie ist Ihr Tipp für das Spiel Ihrer Mannschaft gegen Costa Rica?
Ich will keinen Tipp abgeben. Aber im Fußball gibt es immer wieder Überraschungen.
Es geht das Gerücht, sie hätten gesagt, Costa Rica gewinne 8: 0 gegen Deutschland?
Das stimmt. Aber das habe ich nur so im Spaß zu ein paar deutschen Freunden gesagt. Doch zurück zur Wirklichkeit: Ich hoffe, wir liefern eine so anständige Vorstellung ab wie in Italien 1990.
Oscar Arias von der Partei der Nationalen Befreiung (PLN) tritt am 8. Mai seine zweite Amtszeit als Präsident von Costa Rica an. Bei der Wahl am 5. Februar setzte er sich mit dem hauchdünnen Vorsprung von nur 18.000 Stimmen gegen seinen Rivalen Otton Solís von der Bürgeraktion (PAC) durch. Der 64-jährige Unternehmer Arias steht für eine liberale Politik und die Annahme des umstrittenen mittelamerikanischen Freihandelsabkommens Cafta unter anderem mit den USA. 1987 erhielt er den Nobelpreis für seine Bemühungen um die Beilegung der Bürgerkriege in Mittelamerika. Viele Costaricaner unterstützen ihn, weil sie gute Erinnerungen an seine erste Präsidentschaft von 1986 bis 1990 haben.