Oje, du fröhlicher Weihnachtsfilm
9. Dezember 2004Weihnachten im Film: Das waren früher meist Geschichten von Nächstenliebe und Barmherzigkeit, von Freundschaft und Familie, von Verzicht und Opfer, aber auch von Selbsterkenntnis und Läuterung.
Die Wurzeln des Weihnachtsfilms
Der erste Film um einen Weihnachtsmann entstand zwar schon 1899, aber so richtig Konjunktur haben Weihnachtsfilme erst seit den 1930er und 1940er Jahren. In der besinnlichen Komödie "Ist das Leben nicht schön?" (1946) von Frank Capra rettet ein Engel einen verzweifelten Mann (James Stewart), der sich das Leben nehmen möchte, indem er ihm zeigt, wie viel Gutes er bisher getan hat.
Eine beliebte Vorlage für Weihnachtsfilme ist Charles Dickens' Geschichte "Der Weihnachtsabend", in der sich der geizige, sture und menschenfeindliche Mr. Scrooge am Heiligen Abend zum Menschenfreund wandelt. 1935 und 1951 entstanden Filmversionen der weltweit bekannten Geschichte. Dass der Weihnachtsabend immer auch mit dem Erkennen wahrer Werte zu tun hat, darauf spielt auch die Adaption "Die Geister, die ich rief" (Scrooged) von 1988 an. Darin spielt der US-Komiker Bill Murray einen misanthropischen TV-Boss, der eine Weihnachtsshow um Mr. Scrooge produziert und erkennt, dass auch für ihn noch andere Werte als Karriere und Reichtum zählen: Er besinnt sich der Liebe zu seiner früheren Freundin und verkündet seine Wesensänderung vor laufenden Kameras. Auch "Der Grinch" (2000) ist ein Verwandter dieses Mr. Scrooge, ein soziopathisches Monster, dessen Lieblingsbeschäftigung es ist, anderen die Festlaune kaputt zu machen.
Stille Nacht, heilige Nacht
Der US-amerikanische Regisseur John Ford hat sich in dem Western "Spuren im Sand" (Three Godfathers, 1948) der biblischen Geschichte um die Geburt Christi angenommen. In dem Film finden drei Bankräuber in der Wüste ein verlassenes Baby, durch das sie Verantwortung und Einsicht gewinnen. Ford hat "Spuren im Sand" zu einer Parabel um Reue und Erlösung stilisiert, in der selbst die Krippenfigur des Esels nicht fehlt und ein Stern den Bankräubern den Weg weist.
Doch spätestens seitdem die britische Komikertruppe Monty Python in "Das Leben des Brian" (Life of Brian, 1978) die drei Weisen das falsche Kind anbeten ließ, sind auch die Weihnachtsfilme bösartiger und turbulenter geworden. Chevy Chase muss sich in "Schöne Bescherung" (National Lampoon's Christmas Vacation, 1989), einem der komischsten Filme zum Thema, mit einem allgemeinen Stromausfall, dem geplatzten Truthahn und der explodierten Tanne herumschlagen.
Erstaunlich viele Actionfilme spielen ebenfalls zur Weihnachtszeit. In "Stirb langsam" (1988) platzen High-Tech-Verbrecher in die Weihnachtsfeier eines japanischen Konzerns. Und in "Kevin - allein zu Haus" (1990) muss der allein gelassene Kevin das Haus seiner Eltern gegen Einbrecher verteidigen - und darf alle jene Jungenstreiche ausleben, die ihm nicht nur zu Weihnachten verwehrt sind. Auch die hintersinnige Horror-Farce "Gremlins - Kleine Monster" (1983) spielt an Weihnachten: Die putzigen Fabelwesen werden bösartig und terrorisieren eine amerikanische Kleinstadt. Nach dem Fest ist der Spuk vorüber.
Von wegen besinnliches Fest
Doch in diesem Jahr sind die Weihnachtsfilme aus Hollywood turbulenter denn je. Eröffnet wurde die Saison Mitte November mit "Bad Santa". Billy Bob Thornton spielt einen Nikolaus mit Alkoholproblem, der mit angewidertem Gesicht einen Whiskey in sich hineinschüttet und sich danach in einer Seitenstraße übergibt. Eine mit rabenschwarzem Humor gespickte Adventssatire.
Vom beschaulichen Lametta-Fest hat auch der Familienvater Luther Krank (Tim Allen) in der bissigen Komödie "Verrückte Weihnachten" die Nase voll: Krank und seine Frau (Jamie Lee Curtis) beschließen dem Weihnachtsrummel ein Schnippchen zu schlagen, und das Fest der Liebe einfach ausfallen zu lassen. Vergeblich. "Wie überleben wir Weihnachten?" fragen sich gar die Protagonisten in dem gleichnamigen Film von Mike Mitchell (Kinostart 16.12.2004). Ben Affleck spielt einen einsamen, superreichen Marketingspezialisten, der eine fremde Familie dafür bezahlt, mit ihm Weihnachten zu verbringen.
Einzig der sentimentale Animationsfilm "Polar Express" von Robert Zemeckis ("Forrest Gump") setzt auf rührende Weihnachtsromantik. Ein kleiner Junge darf in einem Wunderzug den Weihnachtsmann am Nordpol besuchen. Wichtel und Punsch, Lametta und Mistelzweige, rieselnder Schnee wohin man schaut. Eine Freude für alle Fans des rührenden Weihnachtsfilms: Es darf geweint werden! (fro)