1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bierhoff: "Schnelles Umschalten statt Dominanz"

Herbert Schalling
29. August 2020

Das DFB-Team startet nach langer Länderspiel-Pause am 3. September gegen Spanien in die Nations League. Im DW-Interview spricht DFB-Direktor Oliver Bierhoff über die Ziele der Nationalmannschaft nach der Corona-Pause.

https://p.dw.com/p/3hk27
Deutschland DFB Virtuelle Pressekonferenz Oliver Bierhoff
Bild: picture-alliance/dpa/A. Grimm

DW: Erst zehn Monate ohne Länderspiel wegen der Corona-Zwangspause - jetzt ein Power-Programm mit acht Spielen zwischen Anfang September und Mitte November. Welche Aufgaben sehen Sie?

Oliver Bierhoff: Zunächst einmal bin ich unglaublich glücklich, dass wir jetzt wieder zusammenkommen. Aktuell haben die Menschen andere Sorgen. Wir hoffen, sie freuen sich trotzdem auf die Nationalmannschaft. Die große Herausforderung ist, dass die Trainer kaum Zeit haben, mit der Mannschaft zu arbeiten. Im Oktober und November haben wir jeweils drei Spiele in zehn Tagen. Trotzdem wollen wir attraktiven, engagierten und erfolgreichen Fußball zeigen.

Eine "neue deutsche Mannschaft" mit einem Spielstil, der begeistert, haben Sie angekündigt. Was stellen Sie sich vor ?

Fußball EM Qualifikation | Deutschland - Nordirland 6:1 | Serge Gnabry
Serge Gnabry steht für die neue Generation beim DFBBild: picture-alliance/dpa/ZB/T. Eisenhuth

Wir haben schon im letzten Jahr tolle Spiele gezeigt. Das ist vielleicht ein bisschen in Vergessenheit geraten. Für uns ist wichtig, die junge Mannschaft weiterzuentwickeln. Da wächst eine neue Generation heran, mit interessanten Spielertypen wie Joshua Kimmich, Leroy Sane, Leon Goretzka oder Serge Gnabry. Ich glaube, dass das Potenzial schon da ist, um technisch guten Fußball zu spielen. Ein schnelles Umschaltspiel mit hoher Dynamik und mit viel Kreativität jedes Spielers. Darauf freuen wir uns. 

Die Nationalmannschaft lebt vom Kontakt zu den Fans. Nach der langen Pause könnten die bevorstehenden Spiele im schlimmsten Fall alle ohne Zuschauer stattfinden. Wie wollen Sie den Kontakt zu den Fans halten?

Nach der WM 2018 hatten wir uns vorgenommen, bei jedem Länderspiel ein offenes Training oder Fantreffen zu machen. Das ist jetzt natürlich weitaus schwieriger. Wir wissen noch nicht, wie es im Oktober oder November sein wird. Wir versuchen, den Kontakt vor allem auf digitalem Wege irgendwie zu meistern, soweit das geht. Ansonsten versuchen wir, vor allem durch erfolgreichen Fußball die Herzen wieder zu gewinnen.

Profiteure der Corona-Krise

Kommt die um ein Jahr auf 2021 verschobene EM der DFB-Elf auch ein bisschen entgegen?

Am Anfang hatte ich das auch gedacht, weil wir eine sehr junge Mannschaft haben. Wir hatten auch zwei schwere Verletzungen, unter anderem fiel Niklas Süle aus. Das wäre schon eng geworden in  Richtung Europameisterschaft. Jetzt haben wir natürlich nochmal ein Jahr Zeit, so richtig zusammenzuwachsen. Vielleicht hilft es uns auch, dass gerade unsere jungen Spieler noch mal ein Jahr lang mit ihren Vereinen in der Champions League Erfahrung sammeln können. Ich denke, insgesamt gesehen ist die Verschiebung kein Nachteil für uns. 

Champions-League-Sieger Bayern München stellt aktuell sechs Spieler. Wie kann die Nationalmannschaft profitieren? 

Bayern München war immer mit einem starken Block vertreten. Jetzt sind sie mal wieder sehr dominant. Das kann vorteilhaft sein, weil die Spieler sich kennen. Sie sind auch sehr charakterstark, gerade durch die Spiele in der Champions League. Es sind vor allem auch gute Spieler, die auch den Teamgeist pflegen und in der gesamten Mannschaft anerkannt sind. Das zeigt natürlich auch, welche Dominanz Bayern München im deutschen Fußball hat, was sie in den letzten neun Jahren nochmal untermauert haben.

Bundestrainer Joachim Löw ist während der Corona-Pause spazieren und wandern gegangen, hat viel nachgedacht. Sie als DFB-Direktor haben noch ein paar andere Aufgaben. Wie haben Sie die Zeit genutzt?

Frankreich UEFA EURO 2016 Deutschland - Ukraine Löw und Bierhoff
Erfolgreiches Duo: Bundestrainer Löw, Direktor BierhoffBild: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto

Ich bin verantwortlich für alle Nationalmannschaften und auch die Akademie. Da haben wir spannende Projekte. Gemeinsam mit der DFL überlegen wir, welche Maßnahmen wir heute ergreifen müssen, damit wir auch in zehn,15 Jahren noch mit unseren Nationalmannschaften erfolgreich sind. Wir hatten da einen intensiven Austausch, auch mit externen Experten. Da ist uns die Corona-Krise ein bisschen entgegengekommen, weil wir das sehr stark intensivieren konnten. Wir haben viel auf digitalem Wege gemacht.

Die paneuropäische Europameisterschaft im nächsten Jahr ist das erste Ziel. Bis zur WM 2022 sind es auch nur noch 26 Monate. Wie sehen Sie im Moment die Kräfteverteilung im europäischen und im Weltfußball?

Ich glaube, jede Nation hat gerade zu kämpfen. Man merkt das auch in Ländern wie Spanien, Italien oder England, die weitaus größere Probleme als Deutschland hatten, mit der Corona-Krise umzugehen. Ich glaube, der deutsche Fußball hat jetzt die Chance, die starke Position wieder zu gewinnen, die wir zwischen 2010 und 2016 hatten. Wir haben natürlich noch ein anderes klares Ziel: Bei der Europameisterschaft 2024 zu Hause wollen wir mit einer ganz starken Mannschaft antreten. Dafür sind die EM 2021 und die WM 2022 ganz wichtige Schritte.

Das Gespräch führte Herbert Schalling.

Oliver Bierhoff, Jahrgang 1968, war als Spieler Siegtorschütze im Finale der Europameisterschaft 1996 gegen Tschechien. Nach seiner aktiven Karriere wurde er zunächst Manager der Nationalmannschaft und ist inzwischen zum DFB-Direktor aufgestiegen.