Olmert reicht Palästinensern nach Wahlsieg die Hand
29. März 2006Vor einem Porträt des kranken Scharon sagte Olmert, er wolle neue Friedensgespräche mit den Palästinensern führen und sei auch zu Zugeständnissen bereit. Dazu gehörten die Auflösung jüdischer Siedlungen im Westjordanland und die Zulassung eines eigenen palästinensischen Staates.
Zugleich bekräftigte Olmert seinen Plan einer einseitigen Grenzziehung: "In der kommenden Legislaturperiode werden wir darauf hinarbeiten, die endgültigen Grenzen des Staates Israels zu ziehen, eines jüdischen Staates mit einer jüdischen Mehrheit."
Die Wähler hätten ihm das Mandat erteilt, sich aus Teilen des Westjordanlands zurückzuziehen und die endgültigen Grenzen Israels festzulegen, sagte Olmert. Dies soll bis 2010 geschehen. An der Klagemauer in Jerusalem dankte Olmert in Begleitung eines Rabbiners für den Wahlsieg.
Kadima stärkste Partei in der neuen Knesset
Olmerts erst im November gegründete Kadima-Partei errang aus dem Stand heraus 28 der 120 Parlamentssitze. Auf den zweiten Platz kam nach vorläufigen Ergebnissen die Arbeitspartei mit 20 Mandaten, ein Sitz mehr als bei der letzten Wahl. Eine Parteisprecherin sagte, die Arbeitspartei bereite sich auf Koalitionsverhandlungen mit der Kadima vor. Unter ihrem Vorsitzenden Amir Perez will die Arbeitspartei vor allem auf soziale Verbesserungen für ärmere Bevölkerungsgruppen dringen.
Auf den dritten Platz kam die ultraorthodoxe Schas-Partei mit 13 Abgeordneten vor Israel Beitenu - diese nationalistische Partei russischer Einwanderer stellt zwölf Abgeordnete. Die Koalitionsverhandlungen sollen nach Angaben von Staatspräsident Mosche Katzsav in der nächsten Woche beginnen.
Likud nur auf Platz fünf
Verlierer der Wahl ist der rechtskonservative Likud-Block., der nach der Abspaltung der neuen Kadima-Partei durch Ariel Scharon auf Platz fünf der Parteien-Rangliste abgestürzt ist. Mit lediglich elf Sitzen hat der Likud-Block drastisch an Bedeutung eingebüßt: Bei der Wahl im Januar 2003 hatte die Partei unter Scharon noch 38 Mandate errungen. Likud-Chef Benjamin Netanjahu sprach von der größten Katastrophe in der Geschichte der Partei.
Überraschend erfolgreich war bei der Parlamentswahl in Israel die Partei der Pensionäre (GIL). Sie ist erstmals im Parlament vertreten und stellt in der neuen Knesset voraussichtlich sieben Abgeordnete. Sie könnte damit bei den Koalitionsverhandlungen der regierenden Kadima-Partei das Zünglein an der Waage spielen.
Ausdruck einer Protestwahl?
Die GIL sieht sich als Interessenvertretung der 750.000 Israelis im Rentenalter. Sie wurde aber offenbar auch von Jüngeren gewählt, denen das sozialpolitische Programm der Partei zusagt. Experten werteten das Ergebnis der Pensionärspartei als Ausdruck einer Protestwahl. Vorsitzender der GIL ist der 79-jährige Rafi Eitan, der für den Geheimdienst Mossad eine Spionageaktion gegen die USA geleitet hat. Der danach als Mossad-Agent überführte US-Bürger Jonathan Pollard hat bislang 21 Jahre seiner lebenslangen Haftstrafe verbüßt.
Sieben weitere Gruppierungen sind den ersten Ergebnissen zufolge in der Knesset vertreten. Die Nationale Union/Nationalreligiöse Partei NRP/NU kommt auf 9 Sitze, die Partei der Pensionäre auf 7. Die streng religiöse Partei Thora-Judentum kann mit 6 Mandaten rechnen, die linksliberale Meretz-Partei fiel von 6 auf 4 Sitze zurück. Die Vereinigte Arabische Liste - Arabische Erneuerung verfügt über 4 Sitze. Die marxistische arabische Hadasch und die gemäßigt nationalistische arabische Balad kommen auf jeweils 3 Mandate.
Die betont säkulare Partei Schinui ("Veränderung"), bislang drittstärkste Fraktion, scheiterte an der Sperrklausel von zwei Prozent. Schinui, die gegen den starken Einfluss ultraorthodoxer Parteien auf die Gesellschaft in Israel kämpfte, war nach einem internen Streit kurz vor der Wahl auseinandergebrochen. Der Parteivorsitzende Joseph Lapid war zurückgetreten.
Abbas fordert Verzicht auf einseitige Nahostpolitik
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas forderte die künftige israelische Regierung zu neuen Friedensgesprächen auf. "Wir wollen Verhandlungen und kein Diktat einseitiger Lösungen", sagte Abbas.
Am Rande des Gipfels der Arabischen Liga in der sudanesischen Hauptstadt Khartum sagte Abbas, das Wahlergebnis werde die Politik im Nahen Osten in keiner Weise ändern, "solange Olmert nicht seine Tagesordnung ändert und seine unilateralen Vorstellungen aufgibt". (je)