Olmert unter Beschuss
21. Mai 2008Mehr als acht Jahre nach dem Scheitern ihrer letzten Verhandlungen unternehmen die beiden Länder damit einen neuen Anlauf zur Lösung ihrer Kernstreitfrage: der Rückgabe der 1967 von Israel besetzten und 1981 annektierten Golan-Höhen. Israel und Syrien bestätigten am Mittwoch (21.5.2008) überraschend, dass sie seit geraumer Zeit wieder im Dialog sind. "Beide Seiten haben indirekte Gespräche unter türkischer Schirmherrschaft aufgenommen", teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert mit. Eine fast gleich lautende Erklärung verbreitete auch das syrische Außenministerium. Die Gespräche fänden unvoreingenommen in offener Atmosphäre statt und hätten ein umfassendes Friedensabkommen zum Ziel, hieß es übereinstimmend.
Verhandlungen seit einem Jahr
Die Vertreter der beiden verfeindeten Staaten sitzen in Istanbul in zwei unterschiedlichen Hotels, zwischen denen türkische Vermittler pendeln. Eine der Aufgaben der Vermittler ist es nun, die Konfliktparteien dazu zu bringen, sich zu Verhandlungen von Angesicht zu Angesicht an einen Tisch zu setzen. Ein israelischer Vertreter ergänzte, die Gespräche seien bereits voriges Jahr beim Türkei-Besuch von Olmert aufgenommen worden und trügen nun erste Früchte.
Bei den Abzugsgegnern in Israel schlug die Nachricht wie eine Bombe ein, die Ablehnungsfront reichte von Koalition bis Opposition. Mitglieder beider Seiten warfen Olmert vor, die neuen Gespräche nur zum Schein zu führen, um von den Ermittlungen wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn abzulenken. Danny Jatom von der israelischen Arbeitspartei, Olmerts größtem Koalitionspartner, warf dem Regierungschef in ungewöhnlich scharfen Worten vor, Hintergrund der neuen Gespräche sei innenpolitisches und zynisches Kalkül. "Um zu überleben, ist er bereit, die ganze Welt einzuspannen, einschließlich durch Fragmente von Gesprächen", sagte Jatom, der in der Vergangenheit an den Verhandlungen mit Syrien beteiligt war. "All dies zeigt uns, dass die Verzweiflung im Büro des Ministerpräsidenten offenbar einen nie da gewesenen Höhepunkt erreicht hat."
"Ausverkauf"
Der Verband der Golan-Siedler rief umgehend eine Notstandssitzung ein. Der oppositionellen Likud warf Olmert gar den "Ausverkauf" von Israels Sicherheit vor. Selbst wenn es jedoch zu einer Einigung kommen sollte, müsste ein Abkommen noch vom Parlament und per Volksabstimmung gebilligt werden. Laut einer Meinungsumfrage vom Monatsbeginn befürworten jedoch nur 19 Prozent der Israelis einen Rückzug von den besetzten Golan-Höhen als Voraussetzung für einen Friedensschluss.
Als Gebirgsplateau, von dem aus man große Teile Israels überschauen kann, gelten die Golan-Höhen in Israel als strategisch äußerst wichtiges Gebiet. Zudem sind der See Genezareth und Quellen wichtige Wasserressourcen, die Israel weiter kontrollieren will. Angesichts der Bedenken strebt Israel nach Medienberichten einen langfristigen Pachtvertrag für das Gebiet an. Die syrische Forderung nach einem kompletten Abzug hatte Israel bislang zurückgewiesen.
Frühere Verhandlungen zwischen beiden Ländern waren vor acht Jahren am Streit über die Golanhöhen fehlgeschlagen. Erste Hinweise auf einen neuerlichen Anlauf zum Frieden kamen Ende April vom türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, der erklärte, Israel und Syrien hätten sein Land um Vermittlung gebeten. Das Nato-Mitglied Türkei unterhält gute Beziehungen zu Israel und zu seinem Nachbarland Syriens.
Grünes Licht aus Washinton
Die USA hatten Israel zuletzt grünes Licht für neue Gespräche mit Syrien gegeben. Außenministerin Condoleezza Rice sagte vor dem jüngsten Besuch des Präsidenten George W. Bush in Israel, Washington werde kein Hindernis darstellen, wenn Israel Frieden mit seinen Nachbarn suche.
Derzeit verhandelt Israel auch mit den Palästinensern über ein Friedensabkommen. Die Gespräche, die auf eine Initiative der USA zurückgehen, sind bisher nur schleppend vorangekommen, so dass ein für dieses Jahr angestrebtes Ergebnis unwahrscheinlich erscheint. Es galt allerdings bislang in der Region als Binsenweisheit, dass Gespräche mit Syrien immer dann kommen, wenn die Verhandlungen mit den Palästinensern stocken.
Skepsis
Nahost-Experten äußerten sich ohnehin skeptisch über die Erfolgsaussichten der Gespräche. Abgesehen von den Golanhöhen habe Israel wenig zu bieten. Die Führung in Damaskus werde die Bindungen an den Iran und die Hisbollah im Libanon zudem nur lockern, wenn es im Gegenzug zu einer Annäherung an die USA komme. Möglicherweise werde das unter der nächsten US-Regierung der Fall sein, sagte Ezzedine Choukri-Fishere von der International Crisis Group. (sams)