"Die Situation für Afrikas Sportler ist hart"
2. April 2020DW: Julius Yego, die Corona-Pandemie hat auch ihre Heimat Kenia erreicht. Können Sie sich aktuell noch bewegen und trainieren?
Julius Yego: Alles steht still, die Stadien sind geschlossen. Ich kann kein normales Training machen, ich kann auch keinen Speer werfen. Das Einzige, was ich machen kann, ist joggen gehen und mit meinen Jungs um die Ecke ein bisschen Fußball spielen. Dazu kommen natürlich ein paar Kräftigungsübungen. Überall wo ich werfen könnte, sind die Anlagen geschlossen, weil alle Angst haben. Ich auch.
Aktuell gibt es laut der Johns-Hopkins-Universität 81 Fälle des Coronavirus in Kenia (Stand: 2. April). Wie erleben Sie ihr Land momentan in Zeiten des Coronavirus?
Hier sind alle verängstigt. Wir haben hier eine Ausgangssperre in Kenia von 19 Uhr bis 5 Uhr am Morgen. Leute die zur Arbeit müssen, gehen dorthin. Aber Menschen wie ich, die nicht unbedingt in die Stadt müssen, bleiben zuhause. Wenn ich einkaufen muss, dann gehe ich in den Supermarkt um die Ecke und dann gleich wieder zurück. So läuft das momentan in Kenia. Ich bin mit meiner Familie zurück aufs Land in meine Heimatregion gegangen. In Nairobi ist es jetzt gefährlich und ich lebe mit meiner Familie hier. Hier ist es sicherer.
Wie lange werden Sie wohl noch zuhause bleiben müssen?
Solange, bis die zuständigen Behörden uns sagen, dass wir wieder rausgehen können und sich alles zum Besseren gewendet hat. Einen Zeitpunkt gibt es noch nicht. Dann gehe ich auch wieder zurück nach Nairobi und fange wieder mit dem Training an.
War es die richtige Entscheidung des IOC, die Olympischen Spiele zu verschieben?
Aus meiner Sicht gab es keine andere Möglichkeit. Viele große Nationen hatten ja schon gesagt, dass sie nicht teilnehmen werden. Und ich hätte auch Angst gehabt, in diesem Sommer teilzunehmen, weil man ja nicht weiß, wann das alles endet. Vor dem Ausbruch der Epidemie konnten wir gut trainieren, waren im Höhentraining, ich war bestens vorbereitet. Aber jetzt ist das nicht mehr möglich.
Was hatten Sie sich vorgenommen?
Ich wollte nach drei nicht so guten Jahren, in denen ich die Medaillenplätze öfters verpasst habe, ein Comeback geben. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro habe ich das ja schon geschafft (Yego gewann dort die Silbermedaille, Anm. d. Red.). Ich hatte immer nur einen guten Wettbewerb und dann wieder schlechtere. Das sollte sich jetzt ändern.
Sie können aktuell momentan keine Wettkämpfe bestreiten, verdienen damit auch kein Geld. Können Sie das kompensieren?
Das gilt ja über die Grenzen der Sportarten hinweg. Wir akzeptieren das, es gibt ja nichts, was wir machen könnten. An das bisschen, was wir Athleten in den vergangenen Jahren verdient haben, daran haben wir uns ohnehin gewöhnt. Besonders hart ist die Situation für die afrikanischen Sportler, die nicht noch zusätzlich arbeiten gehen, sondern sich nur auf ihre Disziplin konzentriert haben. Es gibt kein Geld von irgendwo her. Für mich ist es etwas einfacher, da ich nebenher noch arbeite und dafür bezahlt werde. Es ist natürlich nicht so viel, wie man in der Diamond League verdienen kann. Viele Sportler sind von dieser Misere betroffen.
Müssen viele afrikanische Olympioniken nun aufgeben?
Vielleicht geht es den Fußballklubs noch etwas besser. Die haben vielleicht noch etwas Geld. Aber viele andere Athleten sind von der Krise betroffen. Aber das gilt ja nicht nur für Afrika.
Werden Sie 2021 in Tokio an den Start gehen?
Ja, natürlich. Das sind meine letzten Spiele, bei den ich auf höchstem Level Sport treiben kann. In dieser Sportart macht das Alter eine Menge aus. Und bei den nächsten Spielen wäre ich schon 36 Jahre alt sein. Aber ich muss mich erst einmal qualifizieren.
Welches Ziel haben Sie?
Ich werde alles dafür tun, Olympiasieger zu werden. Das ist der Titel, der mir noch fehlt. In Rio de Janeiro bin ich ja noch beim vorletzten Wurf von Thomas Röhler abgefangen worden. Das habe ich gar nicht richtig mitbekommen, weil ich da im Behandlungsraum war und medizinisch versorgt werden musste. Es ist mein großer Traum, ein Olympia-Champion zu werden. Außerdem wünsche ich mir einen Nachfolger. Über all die Jahre gab es in Kenia nur mich, der über 80 Meter geworfen hat. Ich habe einen Trainingspartner, der diese Weiten aber noch nicht schafft. Ich wünsche mir, dass der Verband uns mehr unterstützt, denn Speerwurf-Wettbewerbe in Kenia sehr rar. Wir brauchen Nachwuchs.
Julius Yego ist der erste kenianische Speerwerfer, der es zu Olympischen Spielen geschafft hat. Die Spiele von London 2012 waren seine Premiere. Yego wuchs als Sohn eines Landwirts in der westkenianischen Region Nandi auf. Während er das Vieh seines Vaters hütete, vertrieb er sich die Zeit mit dem Werfen von Stöcken. Die Speerwurf-Technik brachte sich der 31-Jährige aufgrund geringer Trainingsmöglichkeiten vor allem mit Internetvideos bei. Herausgekommen sind dabei große Erfolge: eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro 2016, ein Weltmeistertitel 2015 in Peking und drei Afrika-Meisterschaften. Seine Bestleistung liegt bei 92,72 Meter - Afrikarekord.