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Widerstand vom Alpenrand

28. Juli 2010

Ganz Bayern steht hinter Münchens Olympia-Bewerbung für 2018. Ganz Bayern? Ein kleiner Ort leistet Widerstand: In Garmisch-Partenkirchen wollen Bauern ihr Land nicht verkaufen, was die Planer vor Probleme stellt.

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Blick auf Garmisch-Partenkirchen (Foto: AP)
Garmisch-Partenkirchen: Noch keine Olympia-EuphorieBild: PatrickScales - sa

Dort, wo die alpinen und nordischen Entscheidungen fallen sollen, wo Hunderte Athleten für zwei Wochen leben und Journalisten arbeiten sollen, grasen im Moment noch Kühe. Und das soll nach dem Willen von Josef Glatz, Landwirt und Vorsitzender der Weidegenossenschaft Garmisch, auch so bleiben: "Mit der momentanen Planung sehe ich fast keine Chance dafür, dass die Winterspiele bei uns in Garmisch durchgeführt werden." Glatz ist einer von rund 80 Grundstückbesitzern im Wintersportort Garmisch-Partenkirchen, die nach eigener Darstellung von der Bewerbungsgesellschaft München 2018 vor vollendete Tatsachen gestellt wurden: Man habe aus der Zeitung erfahren, dass auf dem eigenen Grund und Boden Olympiastätten erbaut werden sollen.

Olympia 2018 München Logo
Bedroht durch Bauernaufstand?

"Da wird über Jahre hinweg mein Grundstück beplant und mit keinem Eigentümer wird ein Gespräch geführt. Diese Leute sind natürlich verbittert. So wird es sehr schwer sein, jemand dazu zu überreden, dass er für Olympia ist", meint Glatz, der den Olympia-Planern Arroganz im Umgang mit den Bauern vorwirft. 33 Millionen Euro beträgt der Etat der Bewerbungsgesellschaft – Geld, das offensichtlich lieber in Präsentationen und Marketingmaßnahmen investiert wurde als in eine gute Kommunikation mit den Garmischer Grundstückseignern.

Kippt der "Bauernaufstand" Münchens Bewerbung?

Olympia in Garmisch-Partenkirchen 1936 - Einmarsch der Mannschaften ins Stadion (Foto: AP)
Olympia in Garmisch-Partenkirchen 1936: Die Erinnerungen sitzen tiefBild: AP

Dabei spielt Garmisch, 1936 schon einmal Austragungsort der Olympischen Winterspiele, eine zentrale Rolle im Konzept der Planungsgesellschaft. Denn für die Alpin-Wettbewerbe im Skigebiet von Garmisch gibt es keine Alternative. Die Tatsache, dass die Grundbesitzer lange nicht nach ihrem Einverständnis gefragt worden sind, könnte manch einen von ihnen an 1936 erinnern. Nach Hitlers Winterspielen von 1936 sollten die Spiele vier Jahre später erneut in Garmisch stattfinden. Dies verhinderte der Krieg dann zwar, dennoch waren im Vorfeld bereits einige Bauern vom Nazi-Regime enteignet worden. Einige der Familien, die jetzt ihr Land zur Verfügung stellen sollen, gehörten bereits damals zu den Betroffenen.

Die Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen (Foto: AP)
Alternativlos: Die Kandahar-Abfahrt in Garmisch-PartenkirchenBild: picture-alliance/ dpa

Bewerbungsgesellschaft und Politik versuchten es mit einer Charme-Offensive, schickten die München 2018-Botschafterin Katarina Witt – ohne Erfolg. Nun reiste Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ins Alpenvorland, um die Bauern von Olympia zu überzeugen. "Für uns ist es am allerwichtigsten, dass wir die Herzen der Menschen gewinnen und den Dialog, den wir seit je her geführt haben, weiterführen." Seehofer sieht sich als Vermittler zwischen den verhärteten Fronten, hat aber bislang auch keinen Erfolg. Seehofer könnte "bei jedem persönlich klingeln, auch das würde nichts nützen", sagte Anna-Maria Reindl, die selbst ein Grundstück abgeben soll.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer vor den Skisprungschanzen von Garmisch-Partenkirchen (Foto: AP)
Charmeoffensive: Bislang blieb auch Seehofer erfolglosBild: AP

Dabei sind viele Bewohner der rund 26.000 Einwohner zählenden Marktgemeinde durchaus für die Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen. Im traditionell auf Tourismus angewiesenen Skiort gibt es viele Bürger, die die Bewerbung unterstützen – auch weil Garmisch-Partenkirchen dann ein Ausbau des Straßennetzes winkt. Dennoch kann die ehrgeizige Olympia-Bewerbung der Bayern nur dann Erfolg haben, wenn sich die Bauern von Politik und Olympia-Planern ernst genommen fühlen. Erst dann werden sie wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren und wieder mitmachen bei dem, wie es Seehofer ausdrückt: "großem patriotischen Anliegen der Bayern", Olympia 2018.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Arnulf Boettcher