Südafrika: Weniger schwere Erkrankungen
17. Dezember 2021Angesichts der schnellen Ausbreitung der Omikron-Variante hat Südafrika die höchste Zahl an täglichen Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie registriert. Das teilte Michelle Groome vom Nationalen Institut für übertragbare Krankheiten (NICD) mit. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen wachse hingegen "nicht in solch dramatischem Ausmaß". Man beginne, "ein paar Zuwächse, aber relativ kleine Zuwächse bei den Todesfällen festzustellen".
Groomes Kollegin Wassila Jassat führte aus, die Zahl der COVID-19-Patienten, die zusätzlichen Sauerstoff benötigten, sei "niedriger, als sie bei jeder vorherigen Welle war". Außerdem nahm die Dauer der Krankenhausaufenthalte dieser Patienten drastisch ab im Vergleich zu vorangegangenen Infektionswellen - sie sank von bis zu zehn Tagen bei der dritten Welle auf nun weniger als die Hälfte. Es sei aber noch zu früh, daraus wissenschaftlich fundierte Schlüsse zu ziehen, so die Expertin.
Nach Ansicht von Gesundheitsminister Joel Phaahla bedeuten die Beobachtungen aber nicht, dass Omikron weniger gefährlich als frühere Corona-Varianten sei, sondern vielmehr, dass die Corona-Impfungen schwere Erkrankungen verhinderten. Die geringeren Hospitalisierungs- und Sterberaten seien "wahrscheinlich zurückzuführen auf eine bedeutende Impf-Abdeckung" insbesondere bei älteren Menschen, sagte Phaahla. Zudem komme Südafrika nun zugute, dass sich bereits zuvor ein großer Teil der Bevölkerung mit Corona infiziert habe.
Erst 31 Prozent vollständig geimpft
In Südafrika sind erst rund 31 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Bei Menschen über 60 Jahren liegt die Impfquote jedoch bei 66 Prozent. Ältere Menschen sind besonders gefährdet, bei einer Corona-Infektion schwerwiegende Symptome zu entwickeln.
Die Omikron-Variante war im November erstmals von Wissenschaftlern in Südafrika nachgewiesen worden. Die neue Variante unterscheidet sich an 50 Stellen vom Wildtyp des Coronavirus. Darunter befinden sich 32 Veränderungen im Gen des Spike-Proteins, mit dem das Virus sich an menschliche Zellen anhaftet. Wegen der vielen Mutationen geht man davon aus, dass Omikron deutlich ansteckender ist als frühere Varianten.
Die Gruppe der führenden sieben Industriestaaten (G7) stufte die Omikron-Variante am Donnerstag als "größte aktuelle Bedrohung für die weltweite öffentliche Gesundheit" ein. Es sei daher "wichtiger denn je, eng zusammenzuarbeiten", betonten die G7-Gesundheitsminister in einer gemeinsamen Erklärung. Die EU-Mitgliedsstaaten setzen im Kampf gegen Omikron auf beschleunigte Auffrischungsimpfungen. "Impfungen für alle anzubieten und Booster-Dosen bereitzustellen, ist entscheidend und dringend", erklärten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Gipfel in Brüssel.
EU-Staaten setzen auf angepassten Impfstoff
Wegen der Omikron-Variante wollen sich die EU-Staaten 180 Millionen Dosen angepassten Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer liefern lassen. Ein bestehender Vertrag sehe vor, dass die Unternehmen die Impfstoffe - falls gewünscht - innerhalb von 100 Tagen an neue Varianten anpassen, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel. Die EU-Staaten nutzen nun diese Möglichkeit. Insgesamt sieht der Vertrag mit BioNTech/Pfizer die Lieferung von bis zu 1,8 Milliarden Impfdosen bis Ende 2023 vor.
Die Omikron-Variante verbreite sich mit einer extrem schnellen Geschwindigkeit und es bestehe möglicherweise das Risiko, dass sie zumindest teilweise den Impfschutz umgehe, erklärte von der Leyen. Schon jetzt seien die Gesundheitssysteme überlastet. Dies sei auf die hohe Zahl Ungeimpfter zurückzuführen. Die Antwort könne nur sein, das Impfen auszubauen, Kinder ab fünf zu impfen, Auffrischimpfungen zu verabreichen und Schutzmaßnahmen zu befolgen.
Lauterbach rechnet mit fünfter Pandemie-Welle
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigt sich sehr besorgt über den weiteren Verlauf der Pandemie in Deutschland. Mit Blick auf Omikron sagte der SPD-Politiker in Hannover, er gehe von einer "massiven fünften Welle aus". Er sei mit Kollegen in Großbritannien in Kontakt, und deren Berichte seien besorgniserregend. "Das heißt, wir müssen uns hier tatsächlich auf eine Herausforderung einstellen, die wir in dieser Form noch nicht gehabt haben", unterstrich der SPD-Politiker. Diese Welle könne auch nicht mehr verhindert werden. Einzig die Booster-Impfung verspreche Linderung.
Wie Lauterbach äußerte sich auch der Chef-Virologe des Berliner Universitätsklinikums Charité, Christian Drosten, besorgt über die bevorstehende Welle. Drosten bezog sich bei Twitter auf einen Beitrag des Datenjournalisten Christian Endt von "Zeit online". "Nach Auswertung der verfügbaren Daten fürchten wir, dass Omikron in Deutschland schon gegen Weihnachten dominant sein könnte", schrieb Endt. "Dann würden die Fallzahlen bald sehr schnell ansteigen. Da kommt keine Welle, sondern eine Wand." Drosten erklärte, er stimme mit dieser Analyse vollkommen überein.
Frankreich und Dänemark sind Hochrisikogebiete
Die Bundesregierung stuft Frankreich und Dänemark wegen hoher Infektionszahlen von Sonntag an als Hochrisikogebiete ein. Das gilt auch für Norwegen, den Libanon und Andorra, wie das Robert Koch-Institut (RKI) bekanntgab. Wer aus einem Hochrisikogebiet einreist und nicht vollständig geimpft oder genesen ist, muss für zehn Tage in Quarantäne und kann sich frühestens fünf Tage nach der Einreise mit einem negativen Test davon befreien.
Derweil schaltet Deutschland beim Impftempo erneut einen Gang höher. Die Corona-Impfungen überschritten den dritten Tag in Folge die Marke von einer Million. Am Donnerstag wurden 1,24 Millionen Dosen gespritzt, wie aus RKI-Meldedaten hervorgeht. Die Zahl für Mittwoch wurde nun noch etwas höher mit 1,557 Millionen Impfungen angegeben, dies ist ein Tagesrekord.
Den kompletten Grundschutz mit der meist nötigen zweiten Spritze haben mindestens 58,3 Millionen Menschen oder 70,1 Prozent der Bevölkerung. Eine Booster-Spritze zur Auffrischung haben nunmehr mindestens 24,1 Millionen Menschen oder 29,0 Prozent aller Einwohner erhalten.
Das RKI meldete binnen 24 Stunden 50.968 Corona-Neuinfektionen. Das sind 10.320 Fälle weniger als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank weiter von 340,1 auf 331,8. 437 Menschen starben in Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle auf 107.639.
kle/jj (afp, rtr, dpa)