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Online gegen Assad

21. August 2011

Protest findet in Syrien nicht nur auf der Straße statt. Hacker sagen der syrischen Regierung im Internet den Kampf an und helfen, Informationen über die Aufstände außer Landes zu schmuggeln.

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Ein syrischer Mann sitzt vor seinem Facebook-Account (Foto: AP)
Bild: AP

Die internationale Gemeinschaft fordert derzeit ein Waffenembargo und das Ende staatlicher Unterdrückung in Syrien. Die Proteste gegen Baschar al-Assad haben seit März 2011 bislang geschätzte 2.000 Tote gefordert. Ähnlich wie es in Ägypten und Tunesien zu Jahresbeginn geschehen ist, hat die syrische Führung auf die Aufstände nicht nur mit Gewalt reagiert, sondern auch mit einer strengen Überwachung der Bürger und mit Internetzensur. Doch womit solche Regierungen nicht gerechnet haben dürften: Dass internationale Internet-Aktivisten ihnen den Kampf ansagen.

Das Logo der Hacker von Telecomix (Foto: Telecomix)
Das Logo der Hacker von Telecomix

Seit Beginn des arabischen Frühlings haben Hacker weltweit Telekommunikationssysteme im ganzen Mittleren Osten aufgebaut, um auch außerhalb der Region die Bürger über die Umwälzungen zu informieren. Als die ägyptische Regierung den Internetzugang blockierte, half der Aktivisten-Verbund "Telecomix" der Bevölkerung, Verbindungen über ein Einwahlmodem aufzubauen. "Telecomix" sieht sich nicht als Gruppe, sondern eher als eine lose Plattform, auf welcher internationale Hacker - oder "Hacktivisten" - zusammenkommen, um an gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Über den Mikronachrichtendienst Twitter treten sie für freie und sichere Kommunikation, Anonymität im Internet und Presse- und Meinungsfreiheit ein.

Unter Beobachtung

Videos zu verbreiten und über regierungskritische Proteste zu informieren, ist in Syrien äußerst schwierig, da die Regierung gegen jede Form der Berichterstattung hart vorgeht. Es ist schon gefährlich, ein Bild oder Video zu veröffentlichen oder gar ein Telefonat zu führen und dabei brisante Themen zu erwähnen. "Die syrische Regierung und die Nachrichtendienste nutzen diese Krise, um ihre Kontrolle über unsere Worte und Gedanken auszuweiten", so ein syrischer Demonstrant, der anonym bleiben möchte. Er berichtet in einer verschlüsselten E-Mail, dass iranische Experten dem Regime dabei helfen, Aufständische auszuspionieren. "Wenn sie einen Aktivisten verhaften, erzwingen sie durch Folter die Preisgabe von Passwörtern für seinen E-Mail- oder Facebook-Zugang. So verschaffen sie sich Kontakt zu weiteren Aufständischen", schreibt der junge Mann weiter

Maha Abu Shama, syrische Aktivistin bei Amnesty International, behauptet, dass die Behörden auch persönliche Einträge in sozialen Netzwerken auswerteten. "Wenn sich Leute auf Facebook kritisch über die Behörden äußern und sie dann verhaftet werden, werden diese Äußerungen später als Beweismittel gegen sie angeführt", so Abu Shama.

Sicherheitsregeln im Netz

Stephan Urbach und sein schwedischer Kollege Jonatan Walck von Telecomix (Foto: Telecomix)
Stephan Urbach und sein schwedischer Kollege Jonatan Walck wollen den Syrern auf ihre Weise helfenBild: DW

Der internationale Hacker-Verbund "Telecomix" gibt den syrischen Aufständischen praktische Ratschläge, um sicher im Internet zu kommunizieren. Stephan Urbach von Telecomix erklärt die Grundregeln: "Sicherheitsregel Nummer Eins ist es, möglichst immer https-Verbindungen, also über Netzwerkprotokolle verschlüsselte Verbindungen zu benutzen. Wenn Sie mit Leuten chatten wollen, benutzen Sie ein Instant Messaging-Programm mit OTR, das heißt mit Off the Record-Funktion, um Ihre Unterhaltung zu verschlüsseln", rät der 30-Jährige.

Für E-Mails sollten Verschlüsselungsprogramme wie "Pretty Good Privacy" (PGP) oder "Tor" benutzt werden, um Spuren im Internet zu verwischen.

Noch hat die syrische Regierung das Internet nicht komplett blockiert, das ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Aber die Verbindungen sind meist unsicher und können für Stunden und Tage ausfallen. Menschenrechtsgruppen vermuten, dass die syrischen Sicherheitskräfte die Verbindungen parallel zu ihren Angriffen kappen.

Jenseits der Grenze

Die syrische Regierung hat eine Nachrichtensperre verhängt, Journalisten dürfen nicht ins Land. Daher ist es schwierig herauszufinden, was im Land passiert. Für "Telecomix" ist das nur eine neue Herausforderung. Sie haben dabei geholfen, ein Amateur-Video im Internet zu verbreiten, auf dem zu sehen ist, wie Polizisten friedliche Demonstranten angreifen und eine Person erschossen wird. Der Aktivisten-Verbund hat den syrischen Amateurfilmer nicht nur dabei unterstützt, das Video außer Landes zu bringen, sondern auch seine Anonymität zu schützen.

Ein Panzer verlässt die Stadt Hama, aufgenommen von Bürgerjournalisten (Foto: DPA)
Nicht viel Bürgerjournalisten-Fotos und Videos dringen nach AußenBild: picture-alliance/dpa

Asiem El Difraoui von der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik meint, dass Hacker-Verbünde wie "Telecomix" und "Anonymous" viel im Mittleren Osten bewirken. "Anonymous" hat zwar in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen gemacht durch Angriffe auf Unternehmens-Websites. Doch Mitglieder der Hacker-Vereinigung haben auch die offiziellen Webseiten des tunesischen Regimes und des syrischen Verteidigungsministeriums attackiert.

"Anonymous ist nicht so destruktiv wie allgemein angenommen wird. Französische Mitglieder der Vereinigung haben beispielsweise den Tunesiern geholfen, Verbindungen zur Außenwelt zu halten - genauso wie Telecomix", so El Difraoui.

"Hacktivisten" im Visier

Aber die syrische Regierung verfolgt eine andere Strategie als die ehemalige ägyptische Führung. Anstatt das Internet zu kappen, nutzt sie die sozialen Netzwerke jetzt für ihre eigenen Zwecke. "Sie versuchen eine Art solidarische Bewegung auf Facebook zu schaffen. Auf Youtube verbreiten sie angebliche Gewalttaten syrischer Oppositioneller, um diese als Terroristen zu diffamieren", so El Difraoui.

Aufgrund ihrer Aktionen geraten "Telecomix" und "Anonymous" verstärkt ins Visier der syrischen Behörden. Seit den Krawallen in London bemerkt Stephan Urbach eine wachsende Überwachung des Internets auch in westlichen Demokratien, wo die politische Führung erstmals so genannte "Kill-Switches", das heißt die komplette Abschaltung von Datennetzen, erwägte. "Wenn das passiert, werden wir Wege finden, diese Zensurmethoden zu überlisten. Hoffentlich ziehen die Politiker in Europa ihre Lehre daraus und sehen davon ab", so Stephan Urbach.

Autorin: Cinnamon Nippard/Claudia Hennen (Übersetzung)
Redaktion: Anke Rasper/dh