Online-Werber starten durch
9. August 2004Zumindest ein Teil der Online-Branche zeigt sich wieder optimistisch. Anfang des Jahres gab Christian Muche vom Online-Vermarkterkreis des Deutschen Multimedia-Verbandes (DMV) bekannt: 2004 könne im Netz mit Zuwachsraten von 20 Prozent gerechnet werden. Der DMV ist der führende Lobby-Verband, der nach eigenen Angaben 940.000 Beschäftigten der Digitalen Wirtschaft in Deutschland vertritt. Der Optimismus passt zum allgemeinen Trend, denn in allen Medien steigen die Werbetats wieder.
Das Selbstbewusstsein der Online-Werber zielt jedoch in eine neue Richtung: Der Kampf mit den anderen Medien wird ausgerufen. "Nach Schätzungen des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Jupiter Research könnten die Umsätze mit Online-Werbung im Jahr 2008 die Werbeumsätze in den Zeitungen und Zeitschriften überflügeln," meldet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (2.8.04). Und "Pressetext.Austria" (3.8.04) schreibt: "Die Onlinewerbespendings waren im ersten Halbjahr 2004 mehr als doppelt so hoch als die Werbespendings im Kino." In Großbritannien werde die Werbung im Internet voraussichtlch ab 2007 die Etats für Radiowerbung toppen, gab das Interactive Advertising Bureau (IAB) Ende Juli bekannt. Das IAB mit Hauptsitz in New York ist der weltweit führende Branchenverband, bei dem auch der DMV Mitglied ist.
Zukunftsmarkt in den Startlöchern
Auf dem größten Werbemarkt der Welt, in den USA, wurden 2003 fast 7,3 Milliarden Dollar auf Webseiten umgesetzt. Damit liegen die Zahlen wieder so gut wie im Jahr 2000, dem bisher besten Jahr. Auch in Deutschland sind die Werbeaufwendungen im ersten Halbjahr 2004 um 6,5 Prozent gestiegen - auf fast 8,8 Milliarden Euro für alle Medien insgesamt. Den größten Anteil daran hat der Markt der Tageszeitungen (plus 12,4 Prozent) - und baut damit seine Führungsrolle aus (25,3 Prozent des Gesamtaufkommens).
Im Internetbereich dagegen gab es einen Einbruch von 2,6 Prozent. Bernd Henning, Referent für Marktforschung beim DMV, erklärt dazu im Gespräch mit DW-WORLD: Die Zahlen würden nur 75 Prozent des tatsächlichen Online-Marktes abdecken, da Rubrikenanzeigen und Suchwort-Vermarktung nicht mit erfasst sind. Zusammen mit Nielsen Media Research arbeite man aber daran, die statistische Datenerfassung zu verbessern.
Andere Studien jedoch belegen, so Henning, dass der Markt sich erholt. Nach Jahren harter Rabattschlachten steigen die Preise für Tausend Kundenkontakte (TKP) langsam wieder an. Der TKP ist die Grundwährung im Netz. Je mehr User eine Website hat, um so höher der TKP, um so teurer die Werbung. Online-Werbung musste anfangs sowohl bei den Usern als auch bei den Anbietern erst um Akzeptanz ringen. Inzwischen sei der Wirkungsnachweis jedoch erbracht, sagt Henning. Allerdings sind damit nur teilweise die gut messbaren Klickzahlen gemeint. Man sei davon abgekommen, Werbewirkung darüber messen zu wollen, wie häufig ein Banner angeklickt wird.
Kreative Werbeformen
Wie im Kino oder auch auf Plakaten führt eine Werbebotschaft im Netz nicht zwingend zu einer sofortigen Kaufentscheidung, sondern "brennt" sich langsam ins Marken- und Imagegedächtnis ein. Diese eigentlich längst bekannte Erkenntnis hat sich nun auch unter Onlinern herumgesprochen. Aktuelle Online-Werbung ist vielseitiger und weniger klickorientiert als noch zu Beginn des Jahrzehnts: Es gibt Unterbrecherwerbung (Interstitials), Werbeplätze die im Sichtfeld bleiben, auch wenn der User nach unten scrollt (Sticky Ads) oder Banner, die Animationen im oder über dem Text ermöglichen.
Suchwort-Vermarktung ist der andere Trend. Betreiber von Suchmaschinen wie Google oder Yahoo versteigern die besten Plätze auf ihren Seiten. Vor allem Internet-Händler haben Interesse daran, zum Beispiel bei Suchanfragen zum Thema Digitalkamera auf der ersten Ausgabeseite aufzutauchen. Diese Suchtreffer werden als "Sponsored Listings" bezeichnet. Die Firma Google rief die Datenschützer auf den Plan, als man bekannt gab, solche Links im geplanten E-Mail-Dienst einzubauen. Passend zum Inhalt einer E-Mail sollen Werbelinks ausgegeben werden.
Die Reichweite entscheidet
Auch wenn die Zuwachsraten auf vielen Online-Werbemärkten beachtlich sind, liegen sie derzeit noch weitab von den Etats anderer Medien. In den USA betrug der Online-Anteil 2003 nur drei Prozent. Nach Angaben des Focus-Mediaguide 2003 sieht es auf den europäischen Märkten nicht anders aus. Selbst in den führenden Ländern Norwegen, Dänemark und Estland bleibt der Anteil im einstelligen Bereich. Rund um das Mittelmeer wird am wenigsten in Online-Werbung investiert. "Dieses Nord-Süd-Gefälle korreliert mit dem Anteil der Internetnutzer an der Gesamtbevölkerung", sagt Bernd Henning und hat dafür folgende Erklärung: "Je ungemütlicher das Wetter, um so mehr Zeit verbringen die Leute im Netz."