OPEC will dem Markt helfen
21. September 2005Der tropische Wirbelsturm "Rita", der sich dem Süden der USA und damit dem Herzen der US-Ölindustrie im Golf von Mexiko nähert, treibt auch den Ölpreis vor sich her. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Öl kletterte am Mittwoch (21.9.2005) wieder über 67 Dollar. Erst Ende August 2005 hatte der Hurrikan "Katrina" zahlreiche Förderanlagen und Raffinerien verwüstet und den Ölpreis auf das Rekordhoch von 70,85 Dollar befördert.
Christoph Weber, Inhaber des Lehrstuhls für Energiewirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, wertet die überaus sensiblen Reaktionen des Ölmarkts auf die beiden Hurrikans "als Anzeichen dafür, dass die Produktionskapazitäten nahezu ausgelastet sind". "Ist die Marge bereits knapp, können solche kleinen Schocks große Preisschwankungen verursachen", erklärt Weber im Gespräch mit DW-WORLD.
Angesichts des stark gestiegenen Ölpreises will die OPEC (Organisation der Erdöl exportierenden Länder) jetzt sämtliche verbleibenden Förderreserven von rund zwei Millionen Barrel pro Tag für die kommenden drei Monate freigeben. Das gab der venezolanische Energieminister Rafael Ramírez am Dienstag am Rande der OPEC-Konferenz in Wien bekannt. Die bisherige Förderquote von 28 Millionen Barrel wird offiziell aber nicht erhöht. Wegen des neuen Hurrikans seien alle bereit, dem Markt zu helfen, sagte OPEC-Präsident Scheich Ahmed Fahd el Sabah.
Falsche Erwartungen schuld am hohen Ölpreis
Allerdings wird diese Ausweitung der Ölförderung durch die OPEC zu keiner deutlichen Entspannung an den Ölmärkten führen. Schließlich seien neben den OPEC-Förderquoten noch ganz andere Faktoren für das Allzeithoch des Ölpreises verantwortlich, betont Energieexperte Weber und führt vor allem die falschen Erwartungen der Händler an: "Der Markt hat das Nachfragewachstum in China, aber auch in Indien und USA so nicht vorhergesehen."
2004 importierte das Reich der Mitte 120 Millionen Tonnen Rohöl und Ölprodukte. Die OPEC schätzt, dass rund 23 Prozent des Nachfrage-Wachstums in den nächsten 30 Jahren von China ausgehen wird.
OPEC hat allen Grund zum Feiern
Angesichts solcher Zukunftsaussichten dürften in Wien, dem Sitz der OPEC, die Sektkorken knallen. Gründe zum Feiern hat das Kartell jedenfalls genug. Immerhin beging es im Rahmen der zweitägigen Wiener Konferenz auch den 25. Jahrestag seines Bestehens. Zu den Gründungsmitgliedern Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela, sind Katar, Indonesien, Libyen, Vereinigte Arabische Emirate, Algerien und Nigeria hinzugestoßen. Sie alle können sich auf gestiegene Einnahmen freuen, die laut einer Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik am Jahresende 2005 voraussichtlich 430 Milliarden Dollar betragen werden.
Ölkartell gewinnt wieder an Macht
Totgesagte leben länger - diese Weisheit gilt auch für die OPEC. Zwar büßte die einst bei Verbrauchern gefürchtete Organisation während der vergangenen 25 Jahre stark an wirtschaftlichem Einfluss ein: Heute deckt der Klub der elf Ölexporteure nicht einmal mehr 40 Prozent der weltweiten Ölnachfrage. 1973 war es noch mehr als die Hälfte.
Dennoch sieht Enno Harks, Ölmarktexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, in seiner jüngsten Studie "die Machtposition der OPEC auf dem Ölmarkt in absehbarer Zeit stark anwachsen". In der Tat verfügen die OPEC-Mitgliedsstaaten über zirka drei Viertel der weltweiten Erdölreserven. Zudem kann die Welt-Ölproduktion außerhalb des Mittleren Ostens schon heute nicht mehr gesteigert werden. Ein hoher Ölpreis würde der OPEC keine westliche Konkurrenz bescheren, schlussfolgert Harks.
Droht eine neue Ölkrise?
Trotz dieser Machtzunahme der OPEC sieht Energieexperte Weber die mittelfristigen Entwicklungen auf dem Ölmarkt eher gelassen. Im Gegensatz zu anderen Ökonomen, die in ihren apokalyptischen Prognosen bereits die - nach 1974 und 1978 - dritte Ölkrise heraufbeschwören, erwartet Weber für die kommenden drei Jahre tendenziell eher einen Rückgang der Ölpreise: "Denn die OPEC verfügt durchaus noch über aktivierbare Ölreserven."