Golden Globes: "Oppenheimer" räumt ab
8. Januar 2024Christopher Nolans Historien-Epos "Oppenheimer" holte sich bei der Vergabe der begehrten Film- und Fernsehpreise im kalifornischen Beverly Hills die fünf Globe-Trophäen in den Kategorien bestes Drama, Regie, Haupt- und Nebenrolle sowie beste Filmmusik. Damit hängte der Film die mit neun Nominierungen als Favorit ins 81. Globe-Rennen gegangene feministische Satire "Barbie" ab. Der Film von Greta Gerwig mit Margot Robbie in der Rolle der ikonischen Puppe musste sich mit nur zwei Preisen zufrieden geben: für den Song "What Was I Made For?" (geschrieben von Popstar Billie Eilish) und in der neuen Blockbustersparte "Cinematic and Box Office Achievement" für Kinohits.
Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller unterlag in der Sparte "Beste Darstellerin in einem Filmdrama" der US-Amerikanerin Lily Gladstone, die die Trophäe für ihre Rolle in "Killers of the Flower Moon" bekam.
Hüller war erstmals für einen Golden Globe nominiert - mit ihrer Rolle in dem Justizdrama "Anatomie eines Falls" der französischen Regisseurin Justine Triet. Der Film gewann zwei Preise: als bestes Drehbuch und als bester nicht-englischsprachiger Film.
Regisseur Giorgos Lanthimos holte für das Fantasy-Märchen "Poor Things" ebenfalls zwei Globes - als beste Komödie und für Hauptdarstellerin Emma Stone in einer Komödie/Musical. Paul Giamatti überzeugte mit seiner Hauptrolle als griesgrämiger Geschichtslehrer in der Tragikomödie "The Holdovers".
Insgesamt wurden Preise in 27 Film- und Fernsehkategorien vergeben.
Wer war Oppenheimer?
J. Robert Oppenheimer, geboren am 22. April 1904 in New York City, war ein US-amerikanischer Physiker und eine Schlüsselfigur im Manhattan-Projekt, dem Programm zur Entwicklung der Atombombe . Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten zeitweise knapp 150.000 Menschen - direkt oder indirekt - unter höchster Geheimhaltung daran.
Oppenheimer, Sohn deutscher Eltern, wuchs in einer wohlhabenden Familie auf und entwickelte schon früh ein außergewöhnliches Interesse an den Naturwissenschaften. Er studierte Physik an der Harvard University und promovierte 1929 an der Universität Göttingen. In den 1930er-Jahren war Oppenheimer an verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen tätig und leistete bedeutende Beiträge zur theoretischen Physik. In seinen Forschungen konzentrierte er sich besonders auf Quantenmechanik, Kernphysik und die Theorie der Neutronensterne.
Das Manhattan-Projekt
Ende der 30er-Jahre waren mehrere aus Europa geflüchtete Wissenschaftler der Ansicht, dass die Kernspaltung von den Nazis zum Bau von Bomben genutzt werden könnte. Sie überzeugten den bekanntesten Physiker seiner Zeit, den ebenfalls in die USA ausgewanderten Albert Einstein, den damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt in einem Brief zu warnen. Angesichts von Geheimdienstberichten und vielleicht auch wegen Einsteins Schreiben wurde beschlossen, die Entwicklung einer Atombombe zu forcieren. Ein Wettlauf gegen Nazideutschland begann.
1942 wurde J. Robert Oppenheimer zum wissenschaftlichen Leiter des Manhattan-Projekts ernannt. Er stellte ein Team von Wissenschaftlern zusammen, die intensiv an der Entwicklung dieser bahnbrechenden Technologie arbeiteten. Hauptstützpunkt des Manhattan-Projekts war das Los Alamos National Laboratory in New Mexico. Oppenheimer koordinierte dort die wissenschaftliche Arbeit an der Atombombe und überwand mithilfe seiner umfassenden Kenntnisse zahlreiche technische Herausforderungen.
Moralisches Dilemma
Am 16. Juli 1945 wurde die erste Atombombe in der Nähe von Alamogordo, New Mexico, erfolgreich getestet. Oppenheimer war bei diesem historischen Ereignis anwesend. Das Ausmaß der zerstörerischen Kraft "seiner" Atombombe bewegte und erschütterte ihn zutiefst. Er zitierte später eine Zeile aus dem indischen Gedicht "Bhagavad Gita" (Gesang des Erhabenen): "Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer von Welten."
Tatsächlich war Oppenheimer entscheidend am Bau jener Bomben beteiligt, die zu Kriegsende im Jahr 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden und dort Tod und Verwüstung anrichteten. Oppenheimer war so schockiert von den Folgen seiner wissenschaftlichen Arbeit, dass er sich nach dem Krieg gegen weitere Bombenentwicklungen aussprach und zu einem der schärfsten Kritiker der Rüstungspolitik wurde.
Basierend auf preisgekrönter Biografie
Das Leben des so brillanten wie umstrittenen Physikers inspirierte zahlreiche Biografien, Dokumentarfilme, Serien und sogar eine Oper. Der Film "Oppenheimer", geschrieben, koproduziert und inszeniert von Starregisseur Christopher Nolan ("Inception", "Dunkirk", "Tenet") basiert auf dem Pulitzer-Preis-prämierten Buch "J. Robert Oppenheimer: Die Biographie" von Kai Bird und dem verstorbenen Martin J. Sherwin. Nolan ist Experte für das ganz große Kino: Seine Filme haben weltweit mehr als fünf Milliarden Dollar eingespielt und insgesamt elf Oscars und 36 Nominierungen erhalten, darunter zwei für den Besten Film.
Christopher Nolan erklärte in Presse-Statements zum Film, was ihn an dem Stoff reizte: "Ich wollte das Publikum in die Gedanken und Erfahrungen einer Person hineinversetzen, die im absoluten Zentrum der größten Veränderung der Geschichte stand“, so Nolan. "J. Robert Oppenheimer (..) hat die Welt, in der wir leben, geprägt - im Guten wie im Schlechten. Und seine Geschichte muss man gesehen haben, um sie zu glauben. (...) Sie steckt voller Widersprüche und ethischer Zwickmühlen - und das ist die Art von Stoff, die mich immer interessiert." Die große Herausforderung sei es gewesen, "die Geschichte eines Menschen zu erzählen, der in außerordentlich zerstörerische Ereignisse verwickelt war, die aber aus den richtigen Gründen geschahen. Wir wollten diese Ereignisse aus seiner Sicht erzählen."
Starbesetzt bis in die Nebenrollen
Der Film ist geradezu gespickt mit Hollywood-Stars: Cillian Murphy ("Peaky Blinders", "Inception") spielt J. Robert Oppenheimer und Emily Blunt ("A Quiet Place") seine Frau, die Biologin und Botanikerin Katherine "Kitty" Oppenheimer. Matt Damon tritt als General Leslie Groves Jr. auf, Leiter des Manhattan-Projekts. Robert Downey Jr. porträtiert Lewis Strauss, den Mitbegründer der US-Atomenergiekommission. In weiteren Rollen sind unter anderem Florence Pugh, Josh Hartnett, Rami Malek und Kenneth Branagh zu sehen.
Neben grandiosen Schauspielerinnen und Schauspielern setzt Christopher Nolan auf ganz großes Kino: "Oppenheimer" wurde in IMAX- 65mm-Großbildfilm gedreht. Die Szenen, die aus Oppenheimers Perspektive erzählt werden, wurden in Farbe dargestellt, jene, in denen sein späterer Gegner Lewis Strauss im Mittelpunkt steht, sind hingegen in Schwarz-Weiß gehalten. Diese Szenen erforderten die Entwicklung eines neuartigen Filmmaterials: 65-Millimeter-Schwarz-Weiß-Film.
Im Visier der "Kommunistenjäger"
"Oppenheimer" erzählt auch die Geschichte nach dem Manhattan-Projekt: Nach dem Krieg widmet sich J. Robert Oppenheimer der Förderung internationaler Zusammenarbeit und setzt sich für nukleare Abrüstung ein. Während des Kalten Krieges gerät er ins Visier des FBI und der Antikommunisten um Joseph McCarthy. In einer der Schlüsselszenen des Films wird Oppenheimer aufgrund seiner politischen Ansichten und früheren Verbindungen zu kommunistischen Sympathisanten vor den Atomenergieausschuss des US-Senats zitiert - wie der "echte" Oppenheimer im Jahr 1954. Obwohl man ihm nichts nachweisen kann und Oppenheimer kein Sicherheitsrisiko darstellt, wird ihm, nicht zuletzt auf Drängen des obersten Atomberaters Lewis Strauss, seine Sicherheitsfreigabe aberkannt und er wird aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft ausgeschlossen.
J. Robert Oppenheimer setzte seine Arbeit als theoretischer Physiker und Professor auch nach den 1950er-Jahren fort. 1963 erhielt er den Enrico-Fermi-Preis für seine Beiträge zur theoretischen Physik des Atomenergie-Programms als Wiedergutmachung für die Diskriminierung, die er unter McCarthy, Lewis Strauss und Präsident Eisenhower erfahren hatte. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits zu einem Symbol des Konflikts zwischen Moral, Wissenschaft und Politik geworden.
Zeit seines Lebens blieb J. Robert Oppenheimer eine einflussreiche Figur in der Physik. Zuletzt war er Direktor des Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey, wo er am 18. Februar 1967 starb. Sein Vermächtnis wird bis heute kontrovers diskutiert.
Oppenheimers wissenschaftliche Errungenschaften und moralische Reflexionen prägen das Verständnis von Atomwaffen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Christopher Nolans Biopic wirft einen Blick auf die inneren Konflikte einer der prägendsten Figuren des 20. Jahrhunderts. Die Jury bei den Golden Globes hat er damit überzeugt.
Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels vom 10.08.2023.