Optimismus verdeckt Kritik an Kongo-Einsatz
27. Juni 2006Ungefilterte Information über die Bundeswehr zu bekommen, ist schwer. Soldaten dürfen sich privat nicht äußern, zumindest nicht ohne Genehmigung. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich in Fernsehinterviews jüngst Soldaten "hochmotiviert" und "weitgehend optimistisch" über den bevorstehenden Einsatz im Kongo geäußert haben.
Um zu erfahren, wie es wirklich um die Stimmung in der Truppe bestellt ist, fragt man am besten den Wehrbeauftragten. Er ist "zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle" über die Streitkräfte tätig. So steht es im Grundgesetz. Jeder Soldat, aber auch Familienangehörige können sich formlos bei Problemen an ihn wenden. Der Wehrbeauftragte soll zudem kritische Vorgänge in der Bundeswehr prüfen und über seine Ergebnisse Bericht erstatten.
Kritiker verstummt
Das hat Reinhold Robbe, aktueller Wehrbeauftragter, auch getan. Anfang Juni bedauerte Robbe insbesondere "die völlige Unklarheit des eigentlichen Auftrages", weil die Politik nicht Klartext spreche. Außerdem mahnte er, die Bundeswehr sei nicht vorbereitet auf Afrika. Er habe noch bei keinem Auslandseinsatz so viel Ablehnung unter den Soldaten erlebt. Jetzt plötzlich schweigt er. "Keine Interviews zum Kongo-Einsatz", sagt seine Sprecherin.
Hat Robbe etwa einen Maulkorb bekommen? Das ist zwar reine Spekulation, sicher aber ist, dass seine Kritik von Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) scharf zurückgewiesen wurde. Die Bundeswehr sei gut auf ihren bevorstehenden Einsatz vorbereitet. Vorwürfe, es gebe Ausrüstungsdefizite, stimmten "mit der Realität mitnichten überein", sagte der Minister kürzlich.
Bundeswehrverband hält sich mit Kritik zurück
Aus dem Bundeswehrverband, der dem Einsatz von Anfang an kritisch gegenüberstand, kommen derzeit eher mäßigende Töne. Der Vorsitzende, Bernhard Gertz, hatte die mangelnde "Nachhaltigkeit" des Einsatzes scharf gerügt. Im Ergebnis sei das "ein bisschen politisches Show-Business auf Kosten der beteiligten Soldaten", hatte er Anfang Juni in einem Interview gesagt.
Nach dem Bundestagsbeschluss sei jetzt aber klar, dass der Einsatz kommt, sagt der Sprecher des Bundeswehrverbandes, Wilfried Stolze. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, der Beschluss der Abgeordneten ist gefallen, da kann man jetzt nicht mehr nein sagen." Stolze gibt sich optimistisch: "Die Soldaten werden in der Infanterie-Schule Hammelburg professionell vorbereitet, daran gibt es keinen Zweifel."
Allerdings stelle das Land aufgrund seines schwierigen Klimas und der enormen Größe die Soldaten vor eine "besondere Herausforderung", räumt er ein. "Die müssen schon ein paar heftige Chemiebomben schlucken, um gegen drohende Krankheiten im Kongo gewappnet zu sein." Grundsätzliche Kritik aus der Truppe sei ihm nicht zu Ohren gekommen, versichert Stolze. "Die Soldaten sind auf jeden Fall motiviert." Einzelklagen gebe es immer, allerdings sei noch unklar, wie diese zu bewerten seien. Stolze wird mit Gertz am 15. Juli selbst in den Kongo fliegen, "um uns ein eigenes Bild zu machen, wie es den Soldaten geht und inwiefern der Einsatz vielleicht doch Sinn macht."
Militärseelsorger nachgefragt
Für die These, dass viele Soldaten wenig Sinn in dem Einsatz sehen, gibt es natürlich keine Statistiken, wohl aber Indizien. In inoffiziellen Internet-Foren der Bundeswehr wie cassiopaya.de sind deutliche Worte zu finden. "Deutsche Soldaten haben nichts, aber auch gar nichts im Kongo zu suchen", sagt einer. Bei einigen sind die Sorgen groß: "Ich glaube leider, dass wir diesmal mit erheblich höheren Verlusten als in Afghanistan oder sonstwo rechnen müssen." Und die Frau eines Soldaten äußert ihre Angst: "Wir halten durch! Ich halte durch! Die Angst ist ein ständiger Begleiter. Gerade bei diesem Einsatz, das bleibt nicht aus. Seit Wochen lese ich viel darüber. Mir geht es nicht um das Geld, viel wichtiger ist, dass er heile wieder zu uns zurückkommt."
Zu wissen, dass sich die Angehörigen sehr sorgen, kann für die Soldaten vor Ort zu einer wahren Belastung werden, neben den ohnehin widrigen Umständen wie Klima, sagt Militärdekan Joachim Simon vom Katholischen Militärbischofsamt. Das Kontingent wird deshalb - wie immer bei einem Auslandseinsatz - von einem Militärseelsorger begleitet. Für die ersten zwei Monate wird ein katholischer, "krisenerprobter" Pfarrer in Gabun stationiert, danach soll ihn ein evangelischer ablösen. "Bei Bedarf kann der Pfarrer auch in Kinshasa tätig werden", sagt Simon.
Laut Militärdekan Simon werden die Seelsorger bei Auslandseinsätzen häufig nachgefragt. Geschätzt wird vor allem deren Diskretion: "Wir haben in gewisser Weise eine Mülleimerfunktion. Wenn wir das, was die Soldaten uns im Vertrauen sagen, rausposaunen würden, dann hätten wir unseren Vertrauensvorschuss verspielt." Der Pfarrer wird für alle 800 Soldaten zuständig sein. "Das ist sicher an der Grenze", aber personell sei nicht mehr drin, sagt Simon. Außerdem gebe es in Kinshasa einen französischen Militärseelsorger. Der spreche auch Deutsch.