Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin
20. Juli 2019Große Regentropfen fallen vom Himmel, die Luft ist für Mitte Juli erstaunlich kühl. Es ist erst zwei Uhr nachmittags, doch die Sonne versteckt sich hartnäckig hinter grauen Wolken, nur ab und an blitzt ein schwacher Strahl hervor. Grau ist auch der Bendlerblock, das Gebäude in Berlin-Tiergarten, in dem sich die Gedenkstätte Deutscher Widerstand befindet.
Im ausladenden Innenhof der Gedenkstätte liest eine kleine Gruppe Jugendlicher auf einer Informationstafel gemeinsam einen Abschnitt über den 20. Juli 1944, den Tag des missglückten Hitler-Attentats. Einer der Teenager erzählt seinen Freunden, er habe vor kurzem einen Film mit Tom Cruise gesehen, der vom Geschehen dieses Tages handle und in eben diesem Innenhof spiele.
Ort der Erinnerung
Der Bendlerblock ist ein bewusst gewählter Ort für die Gedenkstätte: Der unscheinbar anmutende Gebäudekomplex war während der Zeit des Nationalsozialismus Sitz des Militärs, von hier organisierten die Widerstandskämpfer rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Attentat auf Adolf Hitler, der durch eine Bombe tödlich verletzt werden sollte. Nach Scheitern des Umsturzversuches wurden Stauffenberg und drei seiner engsten Mitstreiter noch am 20. Juli 1944 im Innenhof des Bendlerblocks erschossen.
Dieser direkte Bezug zur historischen Stätte ist laut Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, von elementarer Bedeutung: "Die meisten Touristen, die in die Gedenkstätte kommen, gehen zunächst vom historischen Ort aus. Sie wollen wissen, was sich hier am 20. Juli 1944 abgespielt hat. Unsere Ausstellung ist jedoch deutlich umfangreicher, sie informiert über die gesamte Breite des Widerstands gegen den Nationalsozialismus".
Bekannte und unbekannte Helden
"Darum rufen wir euch zu: Lasst euch euren freien Willen, das kostbarste, was ihr besitzt, nicht nehmen", so schrieb Helmuth Hübener 1941 auf einem Flugblatt, das zur Opposition gegen den Nationalsozialismus aufruft. Hübener, der 1942 mit nur 17 Jahren von den Nazis zum Tode verurteilt wurde, ist einer der weniger bekannten deutschen Widerstandskämpfer.
Besucher können sich in der Gedenkstätte über ihn und hunderte weitere Widerstandskämpfer und -kämpferinnen informieren. Bei einem Durchgang durch die Ausstellung wird klar, wie breit das Spektrums des Widerstands war, trotz der relativ kleinen Anzahl von Menschen, die sich trauten aktiv gegen das nationalsozialistische Regime anzukämpfen.
Besucher aus aller Welt
In der Ausstellung komme ich ins Gespräch mit einer Gruppe junger Touristen, unter ihnen zwei Mexikaner, eine Japanerin und ein Mädchen aus London. Sie erzählen, dass sie bereits während der Schulzeit mit dem Thema Deutscher Widerstand in Kontakt gekommen sind.
Jedoch sei ihnen der Umfang und die Vielfältigkeit des Widerstandes neu: "Ich wusste nicht, dass sich auch viele junge Menschen, Schüler und Studenten am Widerstand beteiligt und teilweise ihr Leben riskiert haben, weil sie davon überzeugt waren, das Richtige zu tun", sagt Katherine, eine junge Londonerin, die eine Sprachschule in Berlin besucht.
Filme und Romane prägen das Geschichtsverständnis der Touristen häufig. "Das ist mein erstes Mal in Deutschland", so Gabriel, der Maschinenbau in Mexiko studiert, "weshalb ich mir viele Filme über den Zweiten Weltkrieg, das Dritte Reich, und deutsche Widerstandskämpfer angeschaut habe. Es ist fast surreal, die Orte, die ich vorher nur aus den Filmen kannte, jetzt in echt zu sehen".
Verräter oder Helden?
Dass Widerstandskämpfer wie Graf von Stauffenberg und Helmuth Hübener Helden der deutschen Geschichte sind, steht für die meisten Besucher außer Frage. "Ich finde es gut, dass diesen Menschen ein Museum gewidmet ist. Sie haben ihr Leben riskiert, zu einer Zeit, als sich nicht viele Menschen getraut haben, gegen den Strom zu schwimmen", sagt Kumiko, eine Touristin aus Japan, die bereits zum zweiten Mal in Berlin ist.
Doch dieses positive Bild vom deutschen Widerstand ist nicht selbstverständlich, so Prof. Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte: "Zwar wurde 1953 das Ehrenmal zum Deutschen Widerstand eingeweiht, aber der Widerstand wurde bis weit über 1953 hinaus noch negativ gesehen. Es war ein ganz langer Weg zur Anerkennung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus in Deutschland. Im Ausland hat das noch sehr viel länger gedauert, teilweise sogar bis Mitte oder Ende der 1990er Jahre."
In den Jahren nach 1945 fand zunächst kein Gedenken an den Deutschen Widerstand statt, in der öffentlichen Wahrnehmung galten am Widerstand Beteiligte noch für lange Zeit als "Verräter" oder "Eidbrecher". Vielen Widerstandskämpfern war klar, dass ihr historisches Vermächtnis zunächst nicht positiv bewertet wird.
So äußerte sich Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944, kurz vor seinem Attentat auf Adolf Hitler, gegenüber einer Mitstreiterin: "Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird".
Erst Mitte der 1950er Jahre setzte in Deutschland langsam ein Wandel der öffentlichen Wahrnehmung ein, die Widerstandskämpfer wurden zu Helden. Die aktuelle Sonderausstellung der Gedenkstätte "Ihr trugt die Schande nicht…" beschäftigt sich mit dieser frühen Erinnerungsgeschichte.
Heute, 75 Jahre nach dem Stauffenberg-Attentat, lässt sich laut Prof. Dr. Tuchel kein Rückgang am Interesse am Thema Widerstand erkennen. Ganz im Gegenteil: Im letzten Jahr verzeichnete die Gedenkstätte über 120.000 Besucher, Tendenz weiterhin steigend. Nach meinem Besuch dort, verstehe ich gut wieso.