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Oslo, die neue grüne Hauptstadt Europas

Lars Bevanger hf
2. Januar 2019

Oslo möchte seine Emissionen bis 2030 um 95 Prozent senken. Ein ehrgeiziges Ziel, aber als "European Green Capital 2019" muss man die Latte hochlegen. Was Elektroautos angeht, ist Norwegen weltweit schon an der Spitze.

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Oslos Stadtzentrum mit Tram (Foto: picture-alliance/NurPhoto/G. Yaari)
Bild: picture-alliance/NurPhoto/G. Yaari

Unzählige Schiffscontainer, eine riesige Kreuzung, Verkehr, Abgase: So hätte man Oslos Hafenviertel vor einiger Zeit recht treffend beschreiben können. Heute sieht es dort ganz anders aus. Der Verkehr wird durch einen Unterwassertunnel, den Oslofjordtunnel, umgeleitet. Es summen Elektro- oder Hybridfahrzeuge herum. Und oberirdisch sollen schon bald ein Kunstmuseum und eine Bibliothek die Blicke auf sich ziehen, deren Eröffnung für 2020 geplant ist.

Die neuen Projekte zeichnen sich durch besonders ökologische und kulturelle Eigenschaften aus, erklärt Anita Lindahl Trosdahl, Projektmanagerin von Oslo als "Umwelthauptstadt Europas".

Ihr Büro liegt am Wasser, nur einen Steinwurf von einem anderen riesigen Museum entfernt, das kurz vor der Fertigstellung steht: dem neuen Nationalmuseum.

Aber auch der Rest der Stadt wächst in Rekordzeit – ganz besonders neue Wohnungen. Und hier wird rundherum auf Nachhaltigkeit geachtet. "Wir nutzen unsere Marktmacht, um von nun an ohne fossile Energie zu bauen", sagte Trosdahl. "So wird das Gebäude nicht nur während der Lebensdauer so nachhaltig wie möglich sein, sondern auch schon in der Bauzeit selbst."

Lesen Sie hier: Bottrop: Wenn eine Kohlestadt zum Klimavorreiter wird

Oslos neue Zentralbibliothek im Hintergrund, Karte der neuen Nachbarschaft auf Plakat im Vordergrund (Foto: DW/L.Bevanger)
Oslos neue Uferpromenade soll das kulturelle und ökologische Zentrum der Stadt werdenBild: DW/L.Bevanger

Bienen und lokale Kraftwerke

Weiter nördlich, abseits der Uferpromenade, liegt das Vulkan-Viertel – ein weiterer Hotspot für umweltbewusstes, nachhaltiges Bauen. In den 1800er-Jahren standen hier die meisten Fabriken Oslos. Heute finden sich hier sogar Bienenstöcke auf den Dächern der modernisierten Gebäude – wie auf dem Neubau des Hotels Scandic Vulkan.

"In diesem Sommer hatten wir 500.000 Bienen, die 271 Kilo Honig produziert haben", sagte Monica Egeberg, die Geschäftsführerin des Hotels. Die Hotelkette sieht die Bienen als Symbol für Umweltschutz. "Aber auch was die Energie angeht sind wir fast autark", so Egeberg.

Das Hotel wurde 2011 gebaut, als der Rest der alten Fabrikfläche zu einem angesagten und geschäftigen Viertel mit Bars, Restaurants, Unterhaltung, Büros und Wohnungen umgebaut wurde.

Auch Oslos größter Food-Court findet sich hier in einer alten Industriehalle. Mit im Gebäude: ein eingebautes Kraftwerk, das mit Wärmepumpe, Geothermie-Nutzung und Solarzellen mehr als 80 Prozent des gesamten Strombedarfs für die Nachbarschaft liefert.

Oslo's größter Food Court im Vulkan (Foto: DW/L.Bevanger)
Das Kraftwerk der alten Vulkan-Industriehalle liefert erneuerbare Energie für mehr als 80 Prozent des gesamten KomplexesBild: DW/L.Bevanger

Grünes Vorbild

Solche grünen Projekte halfen Oslo, sich gegen 13 andere Städte als "European Green Capital 2019" durchzusetzen. 2008 wurde der Wettbewerb von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen. Ziel ist es, nachhaltige Lösungen vorzustellen, die andere Städte nachahmen können oder von denen sie sich zumindest inspirieren lassen können.

Global gesehen ist Oslo mit weniger als 700.000 Einwohnern eine kleinere Stadt. Das heißt: Allein Oslos Bemühungen, Emissionen zu reduzieren, werden den Klimawandel nicht aufhalten. Aber Trosdahl findet, dass Oslo perfekt geeignet sei, um Ideen zu entwickeln, die international – wenn andere Städte oder Länder mitmachen – einen echten Unterschied machen können.

Grüne Städte für besseres Klima

"Wir sind immerhin groß genug, um Lösungen auszuprobieren, die auch in größere Städte übertragen werden können", sagt sie. "Wir sind zum Beispiel Weltklasse, wenn es um die Einführung von Elektrofahrzeugen geht. Andere Städte könnten sich davon etwas abschauen."

Leise Transformation

Fast die Hälfte aller hier verkauften Neuwagen ist vollelektrisch, es gibt Straßenbahnen, Elektrobusse und Fähren, die mit Strom aus Wasserkraft betrieben werden. In den eisigen Wintern heizt eine Müllverbrennungsanlage viele Häuser der Stadt ein. 

Auch die neuesten Daten des unabhängigen Norwegischen Straßenverbands (NRF) belegen: Irgendetwas scheint nicht nur Oslo, sondern auch ganz Norwegen richtig zu machen. Nach dem Bericht sind rund ein Drittel (31,2 Prozent) aller Neuwagen 2018 reine Elektroautos, 2017 waren es noch 20,8 Prozent und 2013 5,5 Prozent.  

Aber Oslo will mehr: Bis Ende nächsten Jahres will die Stadt seine Emissionen um 36 Prozent gegenüber 1990 senken. Bis 2030 sogar um 95 Prozent. Dazu hat die Stadtverwaltung ein eigenes Klimabudget eingeführt – möglicherweise das weltweit erste dieser Art.

"Wir zählen die CO2-Emissionen genauso wie das Geld", sagt Raymond Johansen, Bürgermeister von Oslo. "Alle Stadtteile von Oslo müssen berichten, inwieweit sie ihre Emissionen reduzieren können, mit konkreten und relevanten Zielen."

Das Klimabudget gibt dem Rat einen Überblick über die Maßnahmen in der gesamten Hauptstadt, so ist immer klar und transparent, ob Oslo auf dem richtigen Weg ist, seine Klimaziele zu erreichen.

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Wird Oslo autofrei?

Die Stadtregierung, bestehend aus Johansens Arbeiterpartei Ap, den Grünen und der Sozialistischen Linkspartei, die 2015 gewählt wurde, treibt ihre grüne Agenda seitdem unermüdlich voran. Doch einige haben sich auch widersetzt.

Vor allem die Unternehmen haben sich dagegen gewehrt, einen Großteil der Innenstadt autofrei zu machen. Diesbezügliche Pläne mussten erst mal zurückgefahren werden. Autos werden deswegen vorerst nur aus einigen wichtigen Straßen verbannt, und in anderen Bereichen soll mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer zur Verfügung stehen.

Öffentliche Kfz-Ladestationen in Oslo sind kostenlos (Foto: DW/L. Bevanger)
E-Autofahrer bekommen Vergünstigungen - und diejenigen, die sich kein Elektroauto leisten können, werden bestraft?Bild: DW/L. Bevanger

Die Reduzierung des Straßenverkehrs ist von entscheidender Bedeutung, da er die größte Emissionsquelle in Oslo ist.

Mautgebühren haben bereits zu einem erheblichen Rückgang des Verkehrs geführt. Aber weil die Tagespreise zur Einfahrt in die Innenstadt im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind – von 3,20 Euro 2016 auf 5,60 Euro 2019 für ein Privatfahrzeug – sagen Kritiker, dass die Belastungsgrenze für viele Bürger inzwischen erreicht sei.

"Die größte Herausforderung für uns ist jetzt, die Anzahl der Privatwagen zu reduzieren", sagt Johansen. Aber er gibt zu, dass das ein schwieriges Unterfangen ist, da die Stadt nicht zu viel wirtschaftlichen Druck auf die Fahrer ausüben könne.

Vollelektrische Fahrzeuge sind von der Maut befreit und tragen dazu bei, den Verkauf von Fahrzeugen ohne fossilen Kraftstoff rasch zu steigern. Aber das begünstigt vor allem die Wohlhabenderen. Viele, die es sich nicht leisten können, ihre Benzin- oder Dieselfahrzeuge gegen Elektroautos auszutauschen, fühlen sich zu Unrecht bestraft.

Dennoch unterstützen die meisten Bürger die Emissionsziele der Stadt. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass drei Viertel von ihnen der Meinung sind, es sei wichtig, das Notwendige zu tun, um die Emissionen bis 2030 um 95 Prozent zu senken.

Und etwas mehr als die Hälfte sagt, sie unterstützten die Ziele, das Stadtzentrum autofrei zu machen, während 63 Prozent angaben, dass die Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele Oslo zu einer besseren Stadt machen würden.