Ostafrika gegen Second-Hand-Kleidung
26. Februar 20182015 hatten die Staaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft einen entscheidenden Entschluss gefasst: Sie wollen bis 2019 Second-Hand Kleidung und gebrauchte Schuhe von ihren Märkten verbannen. Den USA geht das zu weit - sie drohen den Staaten damit, sie aus dem Wirtschaftsabkommen AGOA auszuschließen. Dann dürften sie keine Waren mehr zollfrei in die USA importieren.
Auf ihrem Gipfel am vergangenen Freitag in Ugandas Hauptstadt Kampala haben sich die Staatschefs angesichts des Drucks auf Washington auf eine Mini-Lösung geeinigt: Second-Hand-Importe werden nicht direkt verboten, allerdings sollen darauf weiterhin künftig Steuern gezahlt werden. Zudem wollen sie mehr Geld in die Förderung der eigenen Textilwirtschaft investieren: "Die Mitgliedsländer der Ostafrikanischen Gemeinschaft sollen ihre Textilwirtschaft durch Maßnahmen fördern, die nicht die Vorteile einer AGOA-Mitgliedschaft gefährden", heißt es im Abschlusscommuniqué.
USA droht mit Ausschluss aus Wirtschaftsabkommen AGOA
Unklar ist, ob die USA diesen Plan mitgehen werden. Aber auch ein Ausschluss aus dem AGOA-Vertrag wäre kein allzu großes Risiko: "Die meisten ostafrikanischen Länder haben sehr wenig von AGOA profitiert – mit Ausnahme von Kenia", sagt Rodgers Mukwaya von der UN-Wirtschaftskommission für Afrika. "AGOA hat Ostafrika keinen großen Nutzen gebracht. Deshalb würde ein Ausschluss durch die USA keinen großen Einfluss auf die Exportgeschäfte Ostafrikas haben."
Die UN-Kommission hat für den Fall der Fälle bereits eine Simulationsstudie durchgeführt und schätzt, dass das Exportgeschäft der drei Länder Tansania, Uganda und Ruanda dann lediglich um 0,2 Prozent sinken dürfte. Stattdessen prognostiziert die Studie, dass die Länder selbst bei einem AGOA-Ausschluss am Ende profitieren könnten.
Kann die lokale Wirtschaft profitieren?
Die Logik sieht so aus: Wenn die Second-Hand Kleider auf dem Markt weniger werden, steigt die Nachfrage nach neuen Kleidungsstücken. "Kurzfristig wird das Defizit durch neue Kleidungsstücke aus Asien ausgeglichen werden", erklärt Rodgers Mukwaya. Damit meint er vor allem chinesische Importe, die bereits heute die Märkte überschwemmen. "Langfristig glauben wir aber, dass wir einen Teil dieses Marktes selbst übernehmen können. Wichtig ist allerdings, dass wir unsere Textilindustrie ausbauen."
Für Linda Calabrese, vom Overseas Development Institute, einem Think-Tank mit Sitz in London, ist der Ausbau der eigenen Industrie entscheidend. "Die Produktionsmöglichkeiten sind im Moment begrenzt", sagt sie. "Um das Vakuum zu füllen, muss der Textilsektor einiges an Unterstützung erhalten, eine Vielzahl an zusätzlichen Maßnahmen. Und das hat nichts mit dem Auslaufen der Gebrauchtkleiderimporte zu tun." So fehlen nach Einschätzung der Expertin häufig eine ausreichende Infrastruktur und Stromversorgung.
Importverbot wäre keine Lösung
Diese Erfahrung haben bereits andere Länder Afrikas gemacht. Simbabwe etwa hatte 2015 den Import von Gebrauchtkleidung untersagt und nur zwei Jahre später eingestehen müssen, dass das Verbot wieder gelockert werden müsse. Die einheimische Textilbranche war noch nicht so weit. Gleichzeitig machte Simbabwe ein anderes Problem Schwierigkeiten: Der Schwarzmarkt.
"Es ist sehr schwierig, solche Verbote umzusetzen, denn es gibt einen großen informellen Handel über die Grenzen hinweg," sagt Linda Calabrese. "Es gibt viele Händler, die in einem Land auf dem Markt Kleidung kaufen und diese dann einfach in ihren Koffern zurück bringen. Das gibt es in Afrika sehr häufig und es ist sehr schwer, diese illegalen Importe zu stoppen." Südafrika habe ähnliche Erfahrungen gemacht, auch Nigeria. "Ich kenne kein Land, in dem ein Bann den Import von Gebrauchtkleidung vollkommen gestoppt hätte."
Simbabwes Regierung will jetzt zunächst die einheimische Textilwirtschaft aufbauen und dann erst den Anteil an Gebrauchtkleidung auf den lokalen Märkten reduzieren. Das Land nimmt sich Äthiopien zum Vorbild. Dort ist ein Industriepark für Textilien entstanden, der heute mehrere Tausend Menschen beschäftigt. Auch europäische Kleider-Riesen wie S.Oliver oder Tchibo lassen dort bereits produzieren.
Millionen können sich nur Second-Hand Kleidung leisten
Zurück nach Ostafrika. Dort haben die drei Länder Tansania, Uganda und Ruanda nun dem Druck der USA nachgegeben und sind von ihrer strengen Linie abgewichen. Viele Menschen mit einem kleinen Einkommen, die sich oft nur Second-Hand Kleidung leisten können, dürften bei der Nachricht aufatmen, dass es keinen Bann geben wird.
Michael Uwangye aus Kigali zum Beispiel, verkauft auf dem Markt Gebrauchtkleidung. Seit seine Regierung die Steuern von 20 US-Cent pro Kilogramm Second-Hand Kleidung auf 2,50 US-Dollar angehoben hat, wurde das tägliche Geschäft schwierig. "Ich verkaufe deutlich weniger," klagt er. "Zur Zeit ist Gebrauchtkleidung sehr teuer und kostet zwei oder drei Mal so viel wie vorher. Wenn wir die Kleider wieder wie früher hätten, wäre das für uns Händler und die einheimischen Kunden besser."
Beim Aufbau der eigenen Bekleidungsindustrie bleibt trotzdem noch viel zu tun. Ruanda hatte prophezeit, dass 25.655 neue Arbeitsplätze bis 2019 geschaffen werden könnten, wenn keine Second-Hand-Kleidung mehr ins Land kommt und gleichzeitig eine einheimische Textil- und Schuhindustrie aufgebaut werden kann. Bislang sind in dem Land aber gerade mal elf Unternehmen gelistet, die Textilien produzieren und sieben weitere, die Schuhe herstellen. Die meisten sind kleine Firmen. Der mit Abstand größte Kleidungshersteller, G&H Garments, beschäftigt heute gerade mal 1500 Angestellte.