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Politik

Abgeordneten-Appell zugunsten der Flüchtlinge

12. April 2019

Mehr Engagement bei der Seenotrettung im Mittelmeer, mehr Einsatz beim Schutz von Flüchtlingen vor libyschen Lagern - das sind die zentralen Forderungen, die mehr als 200 Bundestagsabgeordnete an die Regierung richten.

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Medizinische Untersuchung eines Flüchtlingskindes vor einigen Tagen an Bord der "Alan Kurdi" (Foto: picture-alliance/dpa/Sea-eye.org/F. Heinz)
Medizinische Untersuchung eines Flüchtlingskindes vor einigen Tagen an Bord der "Alan Kurdi"Bild: picture-alliance/dpa/Sea-eye.org/F. Heinz

Insgesamt 210 Bundestagsabgeordnete haben mit einem "Osterappell" die Bundesregierung zu mehr Unterstützung der Seenotrettung im Mittelmeer aufgefordert. Es brauche politischen Druck aus dem Parlament heraus, damit Schiffe mit geretteten Menschen an Bord nicht tage- oder wochenlang auf dem Meer ausharren müssten, sagte Luise Amtsberg (Grüne) bei der Vorstellung des Appells in Berlin. Sie übte zugleich scharfe Kritik am Umgang mit zivilen Seenotrettern und Nichtregierungsorganisationen, die teilweise kriminalisiert würden.

"Ein Mensch in Seenot muss gerettet werden"

Die Gruppe fordert zum einen Verständnis dafür, dass eine zivile Seenotrettung nötig sei. "Wenn ein Mensch in Seenot geraten ist, muss er gerettet werden", betonte Amtsberg. Zum anderen wird die Bundesregierung aufgefordert, auf europäischer Ebene Koalitionen zur Aufnahme der geretteten Menschen zu schmieden. Amtsberg betonte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die besondere Verantwortung Deutschlands als "relevanteste Kraft" in der EU. Zudem müssten die Kommunen, die sich zur Aufnahme bereiterklären, vom Innenministerium besser unterstützt werden.

Luise Amtsberg von den Grünen stellte den "Osterappell" in Berlin mit vor  (Foto: Imago Images/Metodi Popow)
Luise Amtsberg von den Grünen stellte den "Osterappell" in Berlin mit vor Bild: Imago Images/Metodi Popow

Die 210 Unterzeichner verweisen ferner auf die grausame Behandlung von Flüchtlingen in libyschen Internierungslagern. Die Bundesregierung solle sich unverzüglich für ihre Freilassung und Evakuierung nach Niger einsetzen sowie für ein Ressettlement-Programm der Vereinten Nationen. Die in Libyen internierten Flüchtlinge seien "ausnahmslos schwersten Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Misshandlung, sexuelle Gewalt, Ausbeutung, Zwangsarbeit ausgesetzt bis hin zu willkürlicher Hinrichtung", heißt es in dem Schreiben.

Zustände in Libyen "innerer Kreis der Hölle"

Der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer äußerte sich nach Gesprächen mit Hilfsorganisationen in Libyen erschüttert über die Zustände, wo sogar Kinder Selbstmord begingen. Er verglich sie mit dem "inneren Kreis der Hölle". Wer sich auf das "C" berufe, den könne dies nicht gleichgültig lassen. Gyde Jensen (FDP) sagte, der christliche Feiertag sei ein Anlass, sich für die Wahrung des humanitäre Völkerrechts einzusetzen.

Matthias Zimmer (CDU) ist einer von insgesamt vier Unions-Parlamentariern, die den Appell mit unterzeichnet haben (Foto: picture-alliance/dpa/C. Koall)
Matthias Zimmer (CDU) ist einer von insgesamt vier Unions-Parlamentariern, die den Appell mit unterzeichnet haben Bild: picture-alliance/dpa/C. Koall

Nach den Worten von Helge Lindh (SPD) sind die Menschen auf ihr nacktes Überleben zurückgeworfen. Er forderte von Europa einen Verteilmechanismus. Es gebe viele aufnahmebereite Kommunen. Es sei unmenschlich, über humanitäre Fragen zu verhandeln, während die Menschen "auf dem Wasser" seien. Ulla Jelpke (Die Linke) übte scharfe Kritik an der Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache, die in Notfällen oft über Stunden nicht zu erreichen sei. Auch sei eine Rückführung Geretteter in die Lager unmenschlich.

AfD wurde nicht einbezogen

Ausgearbeitet wurde der Appell laut Amtsberg von der Parlamentsgruppe "Seenotrettung". In der Gruppe arbeiteten seit November 2018 etwa zehn bis 20 Abgeordnete ständig mit, sagte die Grünen-Politikerin. Die Gruppe setze sich für eine Versachlichung der Debatte im Parlament ein und werbe für ein breites Bekenntnis zur Seenotrettung. Die meisten Unterzeichner sind Grünen-, Linken- und SPD-Politiker. Aus der FDP-Fraktion unterschrieben elf Abgeordnete, aus der Unions-Fraktion vier. Es habe viele positive Rückmeldungen gegeben, aber nicht immer hätten die Abgeordneten mit allen Formulierungen und Punkten leben können, bedauerte Amtsberg.

Die rechtspopulistische AfD sei bewusst nicht gebeten worden, sich dem Appell anzuschließen, sagte Amtsberg. "Die AfD-Fraktion hat in der Vergangenheit mit unsäglichen Verleumdungen gearbeitet, mit Kriminalisierung in einer Art und Weise, wie es kaum zu ertragen ist", begründete sie. Es fehle das Vertrauen, dass die Fraktion an einer sachlichen Diskussion interessiert sei.

Das Rettungsschiff "Alan Kurdi" der deutschen Organisation Sea-Eye  (Foto: sea-eye.org/Fabian Heinz)
Das Rettungsschiff "Alan Kurdi" der deutschen Organisation Sea-Eye Bild: sea-eye.org/Fabian Heinz

Besondere Brisanz erhält der Appell vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse auf dem Mittelmeer: Am Donnerstag musste eine schwangere Frau nach einem epileptischen Anfall von Bord des deutschen Rettungsschiffes "Alan Kurdi" gebracht werden. Die Crew der "Alan Kurdi" wartet seit neun Tagen mit inzwischen noch 62 Flüchtlingen an Bord vor der Küste Maltas auf eine politische und humanitäre Lösung. Mehrere Staaten in Europa verweigerten dem Schiff das Einlaufen in einen sicheren Hafen.

Frankreich will 20 Flüchtlinge der "Alan Kurdi" aufnehmen 

Inzwischen bot Frankreich an, 20 Migranten zu übernehmen. Eine entsprechende Anweisung sei an die Mitarbeiter des Innenministeriums und der staatlichen Asylbehörde ergangen, twitterte Frankreichs Innenminister Christophe Castaner. Von der deutschen Rettungsorganisation Sea-Eye, in deren Auftrag das Schiff tätig ist, kam bislang keine Stellungnahme. Die "Alan Kurdi" ist derzeit das einzig verbliebene private Rettungsschiff im Mittelmeer.

sti/pg (dpa, epd, kna)