Starke Wirtschaft
23. Oktober 2009Am Warschauer Flughafen kommt ein Flieger mit polnischen Urlaubern an. Sie waren an der ägyptischen Riviera, eines der beliebtesten Urlaubsziele der polnischen Mittelschicht. Auf den neun internationalen Flughäfen des Landes ist es heute so belebt wie vor der Wirtschaftskrise. Charterflüge nach Kreta, Marokko und Thailand starten von hier. Die polnische Mittelklasse gibt ihr Geld mit vollen Händen aus - und auf den ersten Platz stehen Reisen ins Ausland.
Urlaub in der Krise
Zwei Millionen der insgesamt 38 Millionen Polen machen regelmäßig Urlaub im Ausland. "Und es werden immer mehr", sagt Jacek Dabrowski von der Reiseagentur Triada. Der Bereich habe großes Potential. "Seit dem EU-Beitritt der Polen ist ihre Kaufkraft gestiegen. Die Polen wählen bessere Hotels und teurere Urlaubsziele und geben auch im Ausland mehr Geld aus."
Die polnischen Unternehmen hätten gegenüber ihren Konkurrenten aus Deutschland einen Vorteil, sagt Dabrowski: Sie seien flexibler. Sie hätten ihre Unternehmen aus dem Nichts heraus gegründet und sie durch eine Reihe von Marktveränderungen geführt. Dabei hätten die Unternehmer gelernt, Risiken einzugehen und schnell zu lernen, sagt er weiter. "In Krisenzeiten sind zwei Bereiche am wenigsten betroffen: die Luxusgüter und die sehr billigen Güter. Darauf haben wir Reisebüros uns eingestellt." Charter- und All-Inklusive-Reisen liefen gut und jetzt käme noch ein Unternehmen dazu, das sich an anspruchsvollere Kunden wende, sagt Dabrowski.
Polen hat, was viele wollen: wirtschaftliche Stabilität
Ein weiterer Beweis für den wirtschaftlichen Erfolg Polens ist die steigende Anzahl von ausländischen Direktinvestitionen. Im vergangenen Jahr haben sie alleine zehn Milliarden Euro eingebracht. Die Investoren suchen in Polen nicht nur günstige Arbeitskräfte, sie bauen auch vermehrt Entwicklungs- und Forschungszentren auf.
"Polen ist das einzige Land in Europa mit einem positiven Bruttoinlandsprodukt, also mit Wachstum, mit einem einwandfreien und funktionsfähigen Finanzsystem. Es ist das einzige Land, in dem die Verbraucher mehr Geld ausgeben als es vor einem Jahr der Fall war. Polens Export wächst und, was am wichtigsten ist, Polen liefert das, was 2009 definitiv knapp ist: wirtschaftliche Stabilität", sagt Slawomir Majman von der Polnischen Agentur für Information und Auslandsinvestitionen.
Schock-Therapie mit Erfolg
Das Jahr 1989, als Ökonomieprofessor Leszek Balcerowicz letzte Hand an seine so genannte Schock-Therapie gelegt hat, scheint Lichtjahre entfernt zu sein. Damals habe ihn die Aufgabe eingeschüchtert, Polens Wirtschaft aus der Krise zu führen, sagt Balcerowicz heute. "Polen trug die Bürde des Kommunismus mit all seinen Problemen: Verschwendung, Ineffizienz, sinkende Produktionen und dazu kamen hohe Auslandsschulden in den 1970er-Jahren und eine galoppierende Inflation. Es war eine wirtschaftliche Katastrophe", erinnert sich der Wissenschaftler, der heute als der "Vater der polnischen Marktreformen" gilt.
Balcerowiczs bittere Pille war ein strikt monetaristischer Ansatz. Doch durch schnell greifende Marktreformen gelang es ihm schnell für Ordnung zu sorgen. Auch wenn die polnischen Regierungen seitdem regelmäßig gewechselt haben, ist Balcerowicz glücklich darüber, dass die Politiker ihre Finanzen immer unter Kontrolle gehalten haben. "Wir haben eine viel größere Wirtschaft als die baltischen Staaten, die Tschechische Republik, die Slowakei oder Ungarn. Darum leiden wir unter der Krise auch weniger", sagt er. Bis 2007 sei die Währungspolitik in Polen eher konservativ gewesen. Die Kreditrate sei nicht schnell gewachsen, so dass keine Immobilienblase entstanden sei.
An der Warschauer Universität haben in diesem akademischen Jahr die ersten Studenten angefangen, die 1990 in einem demokratischen Polen geboren wurden. Sie haben den Kommunismus nie kennen gelernt. Ihr Leben wurde von einer wachsenden polnischen Wirtschaft begleitet. Jetzt, wo es eine solide Grundlage gibt, wird es ihr Job sein, mit den sich weiter entwickelten Wirtschaften anderer Länder Schritt zu halten.
Autor: Rafal Kiepuszewski
Redaktion: Julia Kuckelkorn/Heidi Engels