O'zapft is! Oktoberfest im Nahen Osten
In Deutschland dauert es noch ein paar Tage bis zur Eröffnung der Münchener Wiesn - im Westjordanland feiert das kleine, christliche Dorf Taybeh hingegen bereits sein eigenes Oktoberfest.
Kleines Dorf, große Party
Rund 16.000 Menschen kamen am Wochenende in das ansonsten verschlafene Dorf Taybeh im Westjordanland. Seit 2005 richtet die ortsansässige Brauerei hier jedes Jahr im Herbst ein Oktoberfest nach deutschem Vorbild aus. Dabei treten auch lokale und internationale Künstler auf: Hier zieht eine traditionelle palästinensische Tanzgruppe hinter einem Besucher vorbei.
Schäumender Spaß im Glas
Eine Barkeeperin zapft beim diesjährigen Fest Bier in Plastikbecher. Alle sechs angebotenen Biersorten werden nach bayerischem Reinheitsgebot gebraut und sind koscher. Für strenggläubige Muslime, die keinen Alkohol trinken, gibt es auch eine alkoholfreie Halal-Variante. Brauerei und Oktoberfest haben den Namen des kleinen christlichen Dorfes nahe Ramallah weltweit als Biermarke bekannt gemacht.
Hoch die Tassen!
Besucherinnen stoßen mit Bierkrügen beim palästinensischen Oktoberfest an. 1994 gründete die christliche Familie Khoury die erste Mikrobrauerei des Nahen Ostens, die Taybeh Brewery. Inzwischen wird sie von Madees Khoury geleitet, die nach eigenen Angaben die einzige Brauerin in den Palästinensergebieten ist - eine besondere Herausforderung in einer von Männern dominierten Gesellschaft.
Erbin einer Bierdynastie
Khoury nimmt die Herausforderung gerne an: "Ich bin mit der Brauerei aufgewachsen“, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. "Ich habe meinem Vater, meinem Onkel und meinem Großvater beim Aufbau des Unternehmen zugesehen und es gefiel mir so sehr, dass ich nach meinem Uniabschluss in Boston in die Heimat meiner Familie zurückgekehrt bin, um die Brauerei zu übernehmen."
Erfolgsstory
Besucherinnen und Besucher genießen ein kühles Taybeh-Bier. Das Unternehmen ist eine Erfolgsstory, die Biere werden inzwischen in die ganze Welt verkauft, von Japan bis in die USA; die Brauerei produziert jährlich rund 1,8 Millionen Flaschen. Die Khourys waren immer auf den Export angewiesen: Im Westjordanland gibt es nur neun christliche Städte und Dörfer, an die die Brauerei Bier liefern kann.
Ein Stück Normalität
Die Zutaten für das Bier müssen importiert werden: Der Hopfen kommt aus Bayern, das Malz aus Belgien, die Flaschen aus Spanien. Daraus brauen die Khourys exzellentes Bier, das auch bei jungen Israelis sehr beliebt ist. Das Oktoberfest soll Freude in die Region bringen und zeigen, dass sie mehr zu bieten hat als politische Unruhen: Musik, Tanz, Essen, Kultur und eben Bier.
Grenzenloser Biergenuss
Das Bierbrauen ist im israelisch besetzten Westjordanland kein leichtes Unterfangen: Wasserknappheit, eingeschränkte Bewegungsfreiheit und Importprobleme erschweren Khoury Herstellung und Vertrieb ihrer Biere. Doch das jährliche Oktoberfest war eine kluge Marketing-Strategie: Es hat die lokale Wirtschaft angekurbelt und Taybeh weit über die Grenzen des Westjordanlandes hinaus bekannt gemacht.