Pakistan: Wo ist Asia Bibi?
8. November 2018Asia Bibi wurde nach Behördenangaben am Mittwoch freigelassen und ist mit einem Flugzeug aus der Stadt Multan gebracht worden, in der sie inhaftiert war. Ihr Ziel ist unklar. Nach Angaben einiger lokaler Medien ist es wahrscheinlich, dass Asia Bibi auf dem Weg ins Ausland ist. Zuletzt hatte es Spekulationen gegeben, dass ihrer Familie geraten worden sei, sich auf einen internationalen Flug vorzubereiten.
Das pakistanische Außenministerium wies Berichte über eine Ausreise zurück. Sprecher Mohammad Faisal sagte, Asia Bibi sei weiter im Land. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, bestätigte, dass die Christin freigelassen wurde. Er schrieb auf Twitter, dass sie an einem sicheren Ort sei und er sich freue, sie und ihre Familie in Europa zu treffen.
"Gravierende Ungerechtigkeit"
Die Verurteilung der 51-Jährigen wegen Blasphemie hatte im Land und auch weltweit für Aufsehen gesorgt. Menschenrechtsgruppen und westliche Staaten hatten einen gerechten Prozess angemahnt. Im Jahr 2015 hatte Bibis Tochter im Vatikan Papst Franziskus getroffen. Er kündigte an, für ihre inhaftierte Mutter zu beten.
Blasphemie ist ein heikles Thema in Pakistan. 97 Prozent der 180 Millionen Einwohner sind Muslime. Menschenrechtsaktivisten fordern eine Änderung der umstrittenen Gesetze zur Gotteslästerung. Die jetzt geltenden Regeln wurden in den 1980er Jahren während einer islamistischen Militärdiktatur unter General Zia ul-Haq eingeführt. Nach Ansicht von Aktivisten haben die Gesetze in der Praxis wenig mit Blasphemie zu tun, sondern werden vor allem missbraucht, um kleinliche Streitigkeiten zu beenden oder Rache zu nehmen.
Bibi war im Juni 2009 festgenommen worden, nachdem Nachbarinnen behaupteten, dass sie sich abfällig über den Propheten Mohammed geäußert habe. Ein Jahr später wurde die fünffache Mutter trotz anhaltender Proteste von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen zum Tode verurteilt. Ein weiteres Gericht bestätigte den Richterspruch im Jahr 2014. Amnesty International sprach damals von "gravierender Ungerechtigkeit".
Familie bittet um Asyl im Westen
Nach einer Anhörung am 8. Oktober dieses Jahres kassierte der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz die vorherigen Urteile gegen Bibi. Dennoch blieb sie zunächst in Haft. Ihr Mann Asiqh Masih bat US-Präsident Donald Trump, die britische Premierministerin Theresa May und den kanadischen Regierungschef Justin Trudeau um Asyl. Er sieht seine Familie in Pakistan in Lebensgefahr.
Islamisten hatten nach dem Freispruch drei Tage lang protestiert und so das Land lahmgelegt, es gab auch Ausschreitungen. Die islamistische Partei Tehreek-e-Labbaik (TLP) handelte danach mit der Regierung eine Ausreisesperre gegen Asia Bibi aus und auch, dass die TLP Berufung gegen die Gerichtsentscheidung einlegen darf.
Islamisten drohen mit Aktionen
Die Menschenrechtsaktivistin Gulalai Ismail sagte der Deutschen Welle, sie vertraue der Justiz in Pakistan. "Ich bin froh, dass das Gericht ihre Freilassung angeordnet hat. Sie hat es verdient, ein Leben in Sicherheit zu führen." Es sei aber traurig, dass es Bibi neun Jahre ihres Lebens gekostet habe, bis ihr Anspruch auf Gerechtigkeit anerkannt worden sei. "Das sollte für die Regierung ein Anlass sein, die notwendigen Reformen einzuleiten. Niemand sollte künftig wegen falscher Anschuldigungen im Gefängnis landen oder ein Opfer von Mobgewalt werden." Ismail betonte, Bibis Freilassung mache ihr Hoffnung auf ein besseres Pakistan.
Die Partei TLP drohte mit einer deutlichen Reaktion auf die Freilassung. Sprecher Ejaz Ashrafi sagte der Deutschen Welle: "Die Regierung hat die Vereinbarung mit uns nicht eingehalten und Asia Bibi aus der Haft entlassen. Wir werden in Kürze unseren Aktionsplan bekanntgeben."
Christen sind immer wieder Opfer von Mobgewalt
Christen und andere religiöse Minderheiten in Pakistan prangern immer wieder eine rechtliche und soziale Diskriminierung an. In den vergangenen Jahren wurden viele Christen und Hindus wegen unbewiesener Blasphemie-Vorwürfe brutal ermordet.
So wurde einer jungen Christin mit Trisomie 21, Rimsha Masih, im August 2012 vorgeworfen, Buchseiten mit Koranversen verbrannt zu haben. Sie wurden deshalb monatelang in Polizeigewahrsam genommen. Schließlich wurden die Vorwürfe fallen gelassen. Nicht nur in ihrer Heimatstadt gab es daraufhin Ausschreitungen und Gewalt gegen Christen. Das Mädchen und ihre Familie wurden schließlich nach Kanada in Sicherheit gebracht.
Im Jahr 2014 wurde ein christliches Paar zu Tode geprügelt, weil es angeblich eine Ausgabe des Korans entweiht hatte. Die Leichen wurden in Ziegelöfen verbrannt. Im September 2017 wurde ein Christ in Pakistan zum Tode verurteilt, weil er blasphemische Inhalte auf dem Messengerdienst WhatsApp geteilt haben soll.