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KiK vor Gericht wegen Fabrikbrand

Shamil Shams/gh31. August 2016

Das Landgericht Dortmund will über eine Schadenersatzklage nach pakistanischem Recht verhandeln. 2012 starben 260 Menschen beim Großbrand in einem pakistanischen Zulieferbetrieb des Textildiscounters KiK.

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Brandopfer Saeeda Khatoon und Abdul Aziz (Foto: DW)
Bild: DW/S. Shams

"Mein 18-jähriger Sohn starb, wegen der Habsucht der Kapitalisten", sagt Saeeda Khatoon. Die 49-Jährige kommt aus Karachi und wohnt derzeit in Bönen, eine Kleinstadt unweit von Dortmund. Ihr Sohn kam bei einem Großbrand in der Textilfabrik Ali Enterprises in der pakistanischen Hafenstadt Karachi vor fast vier Jahren ums Leben.

Am 11. September 2012 starben mehr als 260 Menschen. Die Produktionshalle fing Feuer. Eine Evakuierung war nicht möglich, da die Notausgänge verschlossen und die Fenster vergittert waren. Die Lokalpresse bezeichnete das Unglück als "Industriekatastrophe am 11. September".

Ali Enterprises ist ein Zulieferer für den deutschen Textildiscounter KiK. Die Abkürzung steht für der "Kunde ist König" ist. 70 Prozent der Ali-Textilproduktion wurden an das Unternehmen in Bönen geliefert.

KiK-Filiale in Berlin (Foto: dpa)
KiK-Filiale in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Schadenersatzklage eingereicht

Seit März 2015 strebt Saeeda Khatoon mit zwei weiteren Opferfamilien und einem Hinterbliebenen eine Schadenersatzklage gegen KiK an. Am Dienstag erklärte sich das zuständige Landgericht Dortmund für zuständig.

Das Brisante dabei: Das deutsche Gericht muss eigenen Angaben zufolge nach pakistanischem Recht entscheiden. Es ist allerdings noch völlig offen, ob es nach pakistanischem Recht überhaupt eine Grundlage für einen möglichen Schadenersatzanspruch gibt. Das Landgericht will zuerst ein Rechtsgutachten einholen.

"Mein Sohn hat nur rund 10.000 Rupien im Monat verdient", sagt Khatoon der Deutschen Welle. Das sind umgerechnet 84 Euro. "Manchmal arbeitete er 72 Stunden am Stück." Die Kläger vertreten die Auffassung, dass KiK zwar den Mindeststandard für seine Zulieferer festgeschrieben, dessen Einhaltung aber nicht geprüft habe. Sie fordern einen Schadensersatz von 30.000 Euro.

Ali Enterprises nach dem Großbrand (Foto: epa)
Ali Enterprises nach dem GroßbrandBild: picture-alliance/dpa

Einhaltung der Mindeststandards

Die Klage wird unterstützt von den pakistanischen Gewerkschaften sowie vielen Menschenrechtsorganisationen und Akteuren der Zivilgesellschaft in Pakistan und Europa. "Die deutsche Öffentlichkeit kennt den Fall. Sie hat in den Zeitungen über die Klage gelesen", sagt Coralijn Terwindt, Rechtsberaterin vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR).

Nasir Mansoor, stellvertretender Geschäftsführer der pakistanischen Gewerkschaft, sieht die multinationalen Großkonzerne in der Pflicht: "Sie müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) vorschreibt, in der ganzen Wertschöpfungskette eingehalten werden", sagte Mansoor der Deutschen Welle.

Die KiK Textilien und Non Food GmbH begrüßte es, dass die Rechtsfrage nach der Haftung von im Ausland tätigen Unternehmen nach ausländischem Recht einer grundlegenden juristischen Prüfung unterzogen werde. Zugleich wies es "jede Verantwortung für das Unglück zurück". Ursachen und Umstände des Feuers seien nicht auf mangelhaften Brandschutz zurückzuführen. "Es liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass KiK eine unternehmerische Sorgfaltspflicht verletzt hätte", so das Unternehmen.

KiK sei weiterhin bereit, auf freiwilliger Basis einen substanziellen Anteil an den langfristigen Hilfszahlungen für die Betroffenen zu leisten, hieß es weiter. Hierzu habe das Unternehmen Gespräche mit der ILO initiiert.

Textilarbeiterinnen in Bangladsch (Foto: picture-alliance)
Textilarbeiterinnen in BangladschBild: picture-alliance/Zuma Press/S.K. Das

Haftung für Produktionssicherheit

Remo Klinger ist anderer Meinung. Er ist Rechtsanwalt und vertritt die Mandanten aus Pakistan. Es sei nicht relevant, wie das Feuer entstanden sei, sagt er. "Wir sind sehr besorgt über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in der Produktionsstätte", sagt Klinger. Der Käufer, also KiK, hafte dafür, wenn die Mitarbeiter in den Zulieferbetrieben keinen Zugang zu sicherem Arbeitsumfeld und Gesundheitsschutz hätten. KiK habe das seiner Ansicht nach versäumt.

Farooq Tariq von der pakistanischen Arbeiterpartei Awami berichtet, dass Sicherheitskontrollenn in dem Betrieb nicht zugelassen worden seien. "Es ist sehr schade, dass die Regierung die Firmenbesitzer in Schutz nimmt", so Tariq. Gewerkschaftsaktivist Sartaj Khan ist überzeugt, dass große Brandkatastrophen in Textilunternehmen, wie die in Ali Enterprises und in der bangladeschischen Fabrik Rana Plaza, mit dem kapitalistischen System im Zusammenhang stehen. "Länder wie Bangladesch und Pakistan stehen im harten Wettbewerb. Sie müssen die billigeren Arbeitskräfte anbieten. Es wird deswegen an Sicherheit gespart, um die Kosten zu senken. Für internationale Konzerne ist es deswegen leicht, Profit zu machen", sagt Khan im Interview mit der Deutschen Welle.

Saeeda Khatoon hofft bei dem Verfahren auf die politische Botschaft: "260 Menschen verloren ihr Leben in der Fabrik. Sie hatten versucht, sich zu retten und zu fliehen, konnten aber nicht. Das darf nirgendwo noch einmal passieren. Keine Mutter soll so leiden wie ich."