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Abbas unmöglicher Spagat im Gaza-Krieg

Andreas Gorzewski25. Juli 2014

Je länger der Gaza-Krieg andauert, desto mehr ist Palästinenserpräsident Abbas als Vermittler wie auch als Führer aller Palästinenser gefragt. Beides scheint jedoch unvereinbar. Viele wenden sich von ihm ab.

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Palästinenserpräsident Abbas am 26.4.2014 (Foto: AFP)
Bild: ABBAS MOMANI/AFP/Getty Images

Der andauernde Krieg im Gaza-Streifen bringt auch die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland ins Wanken. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sitzt zwischen den Stühlen. Einerseits wird Abbas im Ausland als Mann des friedlichen Ausgleichs geschätzt. Westliche Diplomaten sehen den 79-Jährigen als eine Schlüsselfigur, um einen Waffenstillstand zwischen Israel und der militanten Palästinenserbewegung Hamas zu erreichen. Andererseits verlangen immer mehr Palästinenser von Abbas, dass er seinen versöhnlichen Kurs aufgibt und sich viel stärker auf die Seite des Widerstands gegen Israel schlägt.

Die Hamas kontrolliert den Gaza-Streifen, während die Fatah-Bewegung von Abbas das Westjordanland beherrscht. Beide Gebiete liegen nur einige Dutzend Kilometer auseinander. Die palästinensische Wut über die mehr als 800 Toten im Gaza-Streifen lässt die langjährige Rivalität zwischen Hamas und Fatah, die sich erst vor kurzem auf eine Einheitsregierung geeinigt hatten, in den Hintergrund rücken. Dabei gehe die Popularität des seit 2005 amtierenden Palästinenserpräsidenten dramatisch zurück, sagt Mattia Toaldo, Nahost-Experte der Denkfabrik European Council on Foreign Realtions (ECFR). "Nach einer Meinungsumfrage von dieser Woche stehen 60 Prozent auf der Seite der Hamas und nur 20 Prozent auf der Seite von Abbas", erklärt Toaldo im DW-Gespräch.

Klare Positionierung von Abbas verlangt

Der angeschlagene Chef der Autonomiebehörde reagiere mittlerweile, meint Hani Masri, Generaldirektor des Palästinensischen Zentrums für Politikforschung und Strategische Studien bei Ramallah. Abbas betont in seinen Erklärungen die Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Streifen und kritisiert Israel scharf. "Wenn er das nicht tun würde, würden sich die Palästinenser gegen ihn richten und es würde eine Intifada gegen die palästinensische Autonomiebehörde geben", ist Masri überzeugt. Alle Palästinenser – nicht nur die Hamas - müssten den Kampf gegen die israelische Besatzung unterstützen, schildert er die verbreitete Stimmung. "Er ist der Führer der Palästinenser. Er darf nicht versuchen, zwischen den Palästinensern und den Israelis zu vermitteln", sagt der politische Analyst.

Genau das wünschen sich jedoch westliche Diplomaten, die nach Möglichkeiten für einen Waffenstillstand suchen. Da die neue ägyptische Regierung der Hamas feindlich gegenübersteht, fällt Kairo als allseits anerkanntes Bindeglied aus. Momentan kann Toaldo zufolge vor allem Abbas diese Funktion einnehmen. "Wenn man mit der Hamas sprechen will, kommt man an Abbas nicht vorbei", erläutert Toaldo. Dabei sei es für eine Entspannung der Krise wichtig, dass Hamas und Fatah wieder kooperieren.

Abbas (r.) mit Israels Premier Netanjahu 2010 in Ägypten (Foto: EPA)
Mehrfach traf Abbas bei Friedensverhandlungen mit Israels Premier Netanjahu zusammenBild: picture-alliance/dpa

Israel und USA uneins über Einheitsregierung

Kurz vor der jüngsten Eskalation der Krise hatten die beiden Palästinenserbewegungen nach mehreren Anläufen eine Einheitsregierung vereinbart, der nur Fachleute angehörten. Doch die israelische Regierung torpedierte die Zusammenarbeit. Jerusalem ist zwar zu Gesprächen mit Abbas bereit, aber einen Einfluss der Hamas auf ein palästinensisches Kabinett lehnt Israel strikt ab. "Ich sehe nicht, dass Israel eine Regierung akzeptieren wird, die von der Hamas unterstützt wird", erklärt der Nahost-Experte des ECFR. Die USA und die Europäer seien dagegen umso überzeugter, dass eine Einheitsregierung nötig sei.

Masri glaubt nicht, dass der Spagat von Abbas zwischen internationalen und palästinensischen Ansprüchen auf Dauer gelingen kann. Abbas Kurs sei auf friedlichen Ausgleich mit Israel ausgerichtet. "Er ist gegen eine Intifada, gegen Widerstand, er glaubt nur an bilaterale Verhandlungen, die den Palästinensern aber keinen Frieden gebracht haben", sagt der politische Analyst aus dem Westjordanland. Wenn Abbas seine Haltung nicht grundsätzlich ändere, könne er nicht weiter der Führer der Palästinenser sein, urteilt Masri.

Israelischer Luftangriff auf Gaza-Stadt am 25.7.2014 (Foto: Reuters)
Der Gaza-Krieg dauert seit knapp drei Wochen anBild: Reuters

Völlig offen ist jedoch, wer an die Stelle des angeschlagenen Fatah-Veteranen treten könnte. "Ich sehe niemand mit derselben Statur. Ich sehe auch nicht, dass jemand aus der Hamas dieselbe Rolle spielen könnte wie Abbas", kommentiert Toaldo. Einzig der Politiker und Bürgerrechtler Mustafa Barghouti käme in Frage. Doch daran hat Israel dem Nahost-Experten zufolge kein Interesse. Solange Abbas alternativlos ist, wird er seine Doppelrolle wohl weiter spielen. "Seine institutionelle Rolle und seine Vermittlerrolle werden durch die Krise gestärkt, seine Popularität unter den Palästinensern wird jedoch weiter abnehmen", prophezeit Toaldo.