Palästinenser als Versuchskaninchen?
28. Dezember 2013Gelassen spaziert General Binyamin Ben Elieser über das Ausstellungsgelände. Mal schaut der ehemalige israelische Verteidigungsminister auf diesen, dann auf jenen Stand. Die Waffenmesse ist gut besucht. Vor allem erfreut sie sich zahlreicher internationaler Besucher.
Ob er ihm eine Frage stellen dürfe, fragt der Journalist Yotam Feldman. Ja bitte, antwortet der General. Warum eine solch hohe Nachfrage nach israelischen Waffen bestehe, will Feldman, Regisseur des Films "The Lab", wissen. Israel verfüge über eine der besten Waffentechnologien weltweit, sagt Ben Elieser. Die Menschen kauften vorzugsweise Dinge, die bereits getestet worden seien. "Und wenn Israel Waffen verkauft, dann sind sie getestet worden. Wir können sagen: Wir benutzen diese Waffen seit zehn, fünfzehn Jahren. Darum ist die Nachfrage enorm.“ Ob diese Nachfrage denn auch das ökonomische Wachstum fördere, will Feldman wissen. "Es bringt Israel Milliarden Dollar", lautet die Antwort.
Werbung für kampferprobte Waffen
Zum Einsatz kommen die Waffen der israelischen Armee vor allem bei bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Palästinensern. Der Gaza-Streifen ebenso wie das Westjordanland, so stellt der Film es dar, sind darum eine Art "Labor", in der israelische Waffen getestet und entwickelt werden.
Private Rüstungsunternehmen wie "Israel Weapon Industries", eine ehemals zum staatlichen Rüstungskonzern "Israel Military Industries" gehörende Firma, werben auf ihrer Website damit, dass alle Waffen auch im Kampf getestet wurden.
Eine Schwierigkeit hatte Yotam Feldman bei den Dreharbeiten zu seinem Film nicht: Gesprächspartner zu finden. Ehemalige Militärs, Waffenproduzenten und private Sicherheitsberater: Alle gaben ihm bereitwillig Auskunft. Er habe den Film in aller Aufrichtigkeit angegangen, erklärt Feldman im Interview mit der DW. Seinen Gesprächspartnern sei von Anfang an klar gewesen, welches Thema der Film verfolge. "Und die Personen, die in dem Film zu Wort kommen, wollten ihre Weltsicht kommunizieren. Der Film gab ihnen Gelegenheit dazu."
Israelischer Rüstungsexport auf Rekordkurs
Seit sunnitische Terroristen im September 2001 das World Trade Center in New York und weitere Ziele in den USA angriffen, ist der israelische Waffenexport kontinuierlich gestiegen. Im Jahr 2012 verkaufte Israel Waffen im Wert von rund 7,4 Milliarden US-Dollar. Damit steht das Land weltweit an sechster Stelle, hinter den USA, Großbritannien, Russland, China und Deutschland.
Der Boom seit Beginn des neuen Jahrtausends hat konkrete Ursachen: Nach den Angriffen im September 2001 begann der weltweite Krieg gegen den Terror, der noch im gleichen Jahr im Afghanistankrieg und 2003 im Irakkrieg seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Die beiden Feldzüge stellten die Militärs vor enorme strategische Herausforderungen: Sie sahen sich in so genannte asymmetrische Kriege verwickelt, standen etwa irregulären Truppen im Häuserkampf gegenüber. Das erforderte neue Kampftechniken und Waffen. Eben damit konnte Israel dienen.
Spezialisiert auf asymmetrische Kriegsführung
Israel, erläutert der israelische Ökonom Shir Hever im Gespräch mit der DW, spezialisiere sich nicht auf konventionelle Waffen, wie sie in herkömmlichen Kriegen gebräuchlich seien. Dies liege daran, dass die Armee des Landes in den letzten 40 Jahren keinen konventionellen Krieg mehr geführt habe. Stattdessen habe man Waffen für die asymmetrische Kriegsführung entwickelt: Drohnen, Überwachungstechnik, biometrische Datenverarbeitung. "Diese Art der Technologie wird auch von den Regierungen anderer Ländern benötigt", sagt Hever.
So kommen Militärs aus der gesamten Welt nach Israel. Die Bundeswehr hat beispielsweise von der israelischen Luftwaffe unbewaffnete Drohnen vom Typ "Heron" geleast. Eingesetzt wurden sie zur Luftaufklärung in Afghanistan.
Doch Israels Stärke sind nicht nur neue Waffen, sondern auch neue Kampftechniken. Wie erfolgreich es damit ist, bewies das israelische Militär im Gaza-Krieg im Dezember und Januar 2008/09. Am Ende der Kämpfe standen den rund 1200 toten Palästinensern elf tote israelische Soldaten gegenüber.
Gaza in Brasilien?
Eine solche Bilanz macht Eindruck - etwa in Brasilien. Die Spezialeinheiten des südamerikanischen Landes setzen bei ihren Kämpfen in den Favelas, den informellen Siedlungen rund um die großen Städte, auch auf Waffen und Erfahrung der Israelis. Der "Complexo do Alemão", eine Favela im Norden Rio de Janeiros, wird in Kreisen der Militärpolizei auch "Gazastreifen" genannt.
Auch ein privater israelischer Sicherheitsberater, den Feldman nach Rio begleiten darf, sieht Ähnlichkeiten: "In Orten wie Gaza haben wir dieselbe Situation. Wir haben dasselbe System“, erklärt er den brasilianischen Polizisten. Über die politischen Unterschiede zwischen beiden Orten verliert der ehemalige Militärkommandeur kein Wort.
Zurück in Israel, beschäftigt sich Feldman wieder mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Chancen auf eine Lösung bewertet er zurückhaltend. Es werde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu neuer Gewalt kommen, vermutet er am Ende des Films. Und dann würde man neue Erfahrungen mit neuen Waffen und neuen Techniken machen.