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Zwischen den Stühlen

Diana Hodali15. August 2012

Die palästinensischen Flüchtlinge in Syrien sind schon lange Teil des Bürgerkrieges. Die einen werfen ihnen vor, Assad zu stützen, andere unterstellen ihnen, zur Opposition zu gehören.

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Ein ausgebranntes Auto im Flüchtlingslager Yarmouk (Foto: EP)
Bild: picture-alliance/dpa

Anfang August im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk nahe Damaskus – auf der Palästina-Straße explodieren mehrere Granaten. 14 palästinensische Flüchtlinge und sechs Syrer kommen dabei ums Leben. Wer dahinter steckt, ist nicht bekannt.

Einen Monat zuvor: Ein Kleinbus nahe der umkämpften Stadt Aleppo ist mit Mitgliedern der Palästinensischen Befreiungsarmee unterwegs. Sie werden von einer Gruppe bewaffneter Männer angehalten. Dann geht alles ganz schnell - den 15 Insassen werden die Kehlen durchgeschnitten. Die Täter werden in den Reihen der Regierungsgegner Assads vermutet – doch genau weiß man das bis heute nicht.

Und im vergangenen Jahr: Syriens Präsident Baschar al-Assad lässt das Camp Al-Raml nahe der nordsyrischen Stadt Latakia beschießen.

200 palästinensische Flüchtlinge sollen nach Angaben des Zentralkomitees der palästinensischen Fatah seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs getötet worden sein. Andere palästinensische Organisationen siedeln die Zahl der Toten weit höher an und sprechen zudem von tausenden von Festnahmen.

Anhänger oder Gegner Assads?

Die rund 500.000 Palästinenser in Syrien sind zwischen die Fronten geraten: Während die oppositionellen Rebellen sie beschuldigen, hinter dem Assad-Regime zu stehen, behaupten Assads Sicherheitskräfte, dass sie zur Opposition halten. "Bei so einer hohen Anzahl von Flüchtlingen können wir wirklich nicht sagen, wer auf welcher Seite steht", sagt der Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks für Palästinenser (UNRWA) Christopher Gunness gegenüber der Deutschen Welle. Dazu müsse man mit den Flüchtlingen selber sprechen. Angeblich sympathisieren die Jüngeren mit der Opposition, wobei bislang regimetreue Organisationen in den Flüchtlingslagern den Ton angeben.

Zerstörte Gebäude im Deraa Flüchtlingslager in Syrien (Foto: Reuters)
In den Flüchtlingslagern in Syrien wie hier in Deraa eskaliert die GewaltBild: REUTERS

Die palästinensische Führung in Ramallah hatte die Flüchtlinge in Syrien aufgefordert, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Doch das scheint nicht ganz einfach: Immerhin haben auch schon viele Syrer Zuflucht vor den Sicherheitskräften in einem der zwölf palästinensischen Flüchtlingslager gefunden. Besonders in Yarmouk, das mittlerweile mehr einem Stadtbezirk als einem Flüchtlingslager gleicht.

Dabei hat die wachsende Instabilität in Syrien auch schon Auswirkungen auf die humanitäre Lage der Palästinenser in den Flüchtlingslagern. "Unseren Schätzungen zufolge leiden bereits 225.000 Palästina-Flüchtlinge unter dem bewaffneten Konflikt. Nahrungsmittel sind knapp, aber auch alle anderen lebenswichtigen Dinge. Ich kann zwar keine Zahlen nennen, aber wir haben bereits die ersten Fälle von Meningitis und Typhus in den Flüchtlingslagern gehabt", sagt Christopher Gunness vom UN-Flüchtlingshilfswerk. Daher hat UNRWA auf der Website auch eindringlich darauf hingewiesen, dass die Palästinenser in Syrien derzeit mehr als je zuvor unter dem eskalierenden Konflikt leiden und Schutz benötigen.

Zum Sündenbock erklärt

Die palästinensische Führung in Ramallah schätzt die Situation offenbar genau so beunruhigend ein wie die Vereinten Nationen: Ein Konvoi aus dem Westjordanland, beladen mit  Lebensmitteln und Medikamenten, wurde erst kürzlich in Richtung Syrien geschickt. Die Palästinenser hatten während des Ramadan für ihre Landsleute in Syrien gespendet, denn sie wissen, wie schnell die Flüchtlinge zur Zielscheibe werden können.

Als der verstorbene Palästinenserführer Jassir Arafat 1991 Saddam Hussein seine Unterstützung zusagte, mussten die Palästinenser, die sich in den Golfstaaten aufhielten, in Scharen die Region verlassen. Und auch als die USA 2003 in den Irak einmarschiert sind, haben viele Iraker den Palästinensern eine Saddam-Nähe unterstellt. Sie wurden angefeindet und vertrieben und an der jordanischen und syrischen Grenze in Flüchtlingslagern hingehalten - so lange, bis sie von anderen Ländern aufgenommen wurden. Im Libanon machen viele die palästinensischen Flüchtlinge für den Konflikt mit Israel verantwortlich.

In Syrien war das bis zu Beginn des Bürgerkrieges anders. Die syrische Regierung sei den Palästinensern gegenüber sehr großzügig gewesen, sagt Gunness im Gespräch mit der DW. "Man hat ihnen zwar keine Staatsbürgerschaft gegeben, aber sie haben Zugang zu sämtlichen staatlichen Dienstleistungen bekommen. Natürlich ging es den palästinensischen Flüchtlingen vor Beginn des Konflikts besser."

Ein Mann im Al-Ramtha Flüchtlingslager (Foto: dapd)
Syriens Palästinenser werden nur in Al-Ramtha in Jordanien aufgenommenBild: dapd

Nicht willkommen im Nachbarland

Weil sich ihre Situation dramatisch verschlechtert hat, suchen mittlerweile auch palästinensische Flüchtlinge aus Syrien ein neues Zuhause - überwiegend in Jordanien oder dem Libanon. Im Libanon haben sich bereits 3000 bei UNRWA gemeldet, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für die syrischen Flüchtlinge blieben die Türen an der jordanischen Grenze bislang immer offen - sie können sich auch im Land frei bewegen. Bei den palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien sehe das allerdings anders aus, sagt Simone Hüser von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman. Wenn sie nach Jordanien kommen, werden sie zunächst im Flüchtlingslager Al-Ramtha an der Grenze festgehalten. Sie dürfen nicht nach Jordanien einreisen und werden in den meisten Fällen wieder zurückgeschickt. 

"Das Problem ist, dass sie eine Genehmigung des jordanischen Innenministeriums brauchen, weil sie keine syrische Staatsbürgerschaft haben", sagt Simone Hüser gegenüber der Deutschen Welle. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat schon mehrfach an die jordanische Regierung appelliert, alle Flüchtlinge gleich zu behandeln, egal ob Syrer oder palästinensischer Flüchtling aus Syrien. Keiner sollte gezwungen werden, zurück in ein Kriegsgebiet gehen zu müssen, so Human Rights Watch.

"Die jordanische Regierung schätzt die Lage so ein, dass die syrischen Flüchtlinge nach dem Bürgerkrieg zurück in ihr Heimatland gehen. Die palästinensischen Flüchtlinge hingegen haben nicht viel, zu dem sie zurückkehren können, so dass viele von ihnen sehr wahrscheinlich versuchen würden, in Jordanien zu bleiben." Doch die Jordanier wollen nicht, dass noch mehr Palästinenser nach Jordanien kommen. Sie machen bereits ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus.