Palästinensischer Wahltermin ist gefährdet
3. Januar 2006Palästinenserpräsident Mahmud Abbas widersetzt sich der Forderung aus den Reihen seiner Fatah-Bewegung, die für den 25. Januar angesetzten Wahlen zu verschieben; gleichzeitig aber droht er Israel, man werde die Wahlen verschieben, wenn diese nicht auch in dem von Israel annektierten arabischen Ostteil Jerusalems abgehalten werden können.
Solche Widersprüche aus Palästina werden ergänzt durch nicht minder Widersprüchliches aus Israel: Ministerpräsident Ariel Scharon hat durchblicken lassen, dass er sich nach seiner Herzoperation vor allem darauf konzentrieren wolle, die Annektierung von weiten Teilen der Westbank durchzusetzen und auch in Washington Zustimmung dafür zu bekommen. Obwohl Scharon sich damit eindeutig von der so genannten "road map" entfernt, in der UNO, EU, USA und Russland die Aufgabe der besetzten Gebiete und die Gründung eines palästinensischen Staates fordern, rechtfertigt der israelische Premier seinen Plan damit, dass Mahmud Abbas seinen Verpflichtungen aus dem Plan des "Nahost-Quartetts" nicht nachkomme und nicht genug gegen die Gewalt unternehme.
Andere Worte als Taten
Es ist schwer zu verstehen, wie Scharon und Abbas vor diesem Hintergrund weiter von Frieden sprechen. Aber das hat seinen Grund ganz offenbar darin, dass keiner von beiden bereit ist, die Verantwortung für das bisherige Scheitern aller Friedensbemühungen zu übernehmen. Immerhin ist Wahlkampf. In Israel wird Ende März gewählt, in Palästina soll – zum ersten Mal in zehn Jahren – Ende Januar ein neues Parlament gewählt werden. In beiden Fällen kann man zwar verbal nicht auf Beteuerungen verzichten, zum Frieden bereit zu sein. Die Fakten vor Ort und die Taten der Kontrahenten aber sprechen eine andere Sprache.
Israel hat sich zwar aus dem Gazastreifen zurückgezogen, aber gleichzeitig begonnen, diesen Landstrich von jenseits der Demarkationslinie und aus der Luft massiv unter Druck zu setzen. Eine Pufferzone im Norden des Gazastreifens, Luftangriffe und gezielte Morde an palästinensischen Radikalen sind nur einige Beispiele dafür, dass der Rückzug aus Gaza von der Regierung Scharon längst verwässert und seiner eigentlich positiven Bedeutung entleert ist.
Hamas auf Vormarsch
Auf palästinensischer Seite wiederum hat man diesen Rückzug auch nicht zu nutzen verstanden: Die palästinensische Verwaltung hat sich in Gaza nicht als Autorität etabliert, sondern den Radikalen von Hamas und Islamischem Jihad das Feld überlassen. Und die alte Garde der Fatah hat es auch versäumt, die längst eingeforderten und überfälligen Reformen durchzuführen. Sie fühlt sich längst bedroht durch die wachsende Beliebtheit der Hamas – die aus Kommunalwahlen in der Westbank sogar in bisherigen Fatah-Hochburgen als Sieger hervorging. Hamas will auch bei den Parlamentswahlen antreten und verurteilt die Diskussion über eine Vertagung dieser Wahlen als Versuch der Fatah, Hamas um den Sieg zu bringen.
Obwohl dies nicht der Hauptgrund für die Vertagungsvorschläge ist, muss allen Beteiligten doch eines klar sein: Wenn Hamas bei den Wahlen antritt und auch nur als starke Kraft ins Parlament einzieht, dann dürfte dies für geraume Zeit den letzten Rest von Friedenshoffnungen begraben: Hamas ist weiterhin offiziell gegen das Existenzrecht Israels und ihre Beteiligung an der palästinensischen Politik wird notgedrungen eine weitere Verhärtung auf israelischer Seite mit sich bringen, zumindest aber eine konziliantere Haltung verhindern. Allein schon der Gedanke an Wahlen in Palästina und in Israel wird die Aussichten auf Entspannung und Frieden weiter zunichte machen.