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Kunst als Dialog

26. August 2017

Ein Jahr hat der imposante Bau im Westjordanland leer gestanden: Jetzt kommt die erste Ausstellung "Jerusalem lebt" in das Palästinensische Museum. Zu sehen sind Kunstwerke palästinensischer und internationaler Künstler.

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Westjordanland Birzeit Palästinensisches Museum
Bild: Heneghan Peng Architects

"Die Eröffnung der ersten Ausstellung ist ein Grund zum Feiern", sagt Reem Fadda und schaut stolz lächelnd auf eine der Kunstinstallationen, die sich über die weite, lichtdurchflutede Fensterfläche des Museums hinzieht. Die Palästinenserin ist Kuratorin der Ausstellung "Jerusalem lives" (Jerusalem lebt). Erstmals sind internationale und palästinensische Künstler zu Gast im neuen Palästinensischen Museum. Der imposante Neubau erstreckt sich hoch oben über einen Hügel am Rande der Birseit-Universität nahe Ramallah.

Kuratorin Reem Fadda
Kuratorin Reem FaddaBild: DW/T. Krämer

Im Mai 2016 war das moderne und rund 25 Millionen teure Gebäude eröffnet worden. Seitdem stand es leer. Das sorgte schon damals für reichlich Kritik – doch die weist Kuratorin Reem Fadda heute entschieden zurück. "Ein Museum aufzubauen ist ein Langzeitprojekt", sagt Fadda, die zuvor als Kuratorin am Guggenheim-Museum in Abu Dhabi gearbeitet hat. "Dieses architektonisch wunderschöne Gebäude nach dem Standard weltweiter Museen zu erstellen, das allein ist schon ein Erfolg."

Neuer Ort für Kunst und Geschichte

Nun also kommt Leben in das Museum. Die rund 50 Kunstobjekte, Installationen und Skulpturen sind sowohl im Innenraum als auch im angrenzenden Garten zu sehen. Sie beschäftigen sich mit dem Sehnsuchtsort vieler Palästinenser: der Stadt Jerusalem. Die meisten Palästinenser aus dem besetzten Westjordanland und Gaza können Jerusalem mangels israelischer Genehmigung nicht besuchen. "Die Tatsache, dass Leute hier nicht nach Jerusalem können, obwohl sie gleich nebenan wohnen wie hier im Westjordanland, war entscheidend.

Eingangsbereich mit markantem Zickzack-Dach
Eingangsbereich mit markantem Zickzack-DachBild: DW/T. Krämer

Wir wollen Jerusalem zu den Menschen bringen und das Leben dieser so vielfältigen Stadt feiern, das von der Besatzung erstickt wird", sagt Reem Fadda. 1967 hat Israel den Ostteil von Jerusalem erobert und bezeichnet Jerusalem als die 'unteilbare Hauptstadt' Israels. Im arabischen Ostjerusalem leben heute mehr als 300.000 Palästinenser. Dieser Teil der Stadt soll später die Hauptstadt ihres künftigen unabhängigen Staates werden.

Jerusalem – Inspiration und Sehnsuchtsort

Die Künstler der Ausstellung haben sich mit den verschiedensten Aspekten der Stadt befasst: dem Alltag, der israelischen Besatzung, dem Konflikt, aber auch der Geschichte. Bildhauer Athar Jaber etwa hat sich von Jerusalem als Stadt aus Stein und Geschichte inspirieren lassen. "Ich habe Jerusalem besucht und gesehen, wie die Menschen dort mit den alten Steinen umgehen, sie berühren, sie wertschätzen." Wie etwa der Salbungsstein in der Grabeskirche, worauf der Leichnam Jesu der Überlieferung nach vor der Bestattung lag. Jeden Tag kommen hunderte Pilger, küssen den Stein, legen ihre Stirn darauf. Dieser Umgang habe ihn für sein Kunstwerk inspiriert, das Menschen jeglicher Herkunft verbinden soll, sagt der 35-jährige Bildhauer mit irakischen Wurzeln, der in Florenz aufgewachsen ist und heute in Belgien lebt.

Steinskulptur von Athar Jaber
Kunst zum Anfassen von Athar JaberBild: DW/T. Krämer

Seinen knapp zwei Meter hoher Block aus lokalem Stein hat er mit Einbuchtungen gearbeitet, denn man soll ihn anfassen, sich anlehnen. Sogar Graffiti sind erlaubt – auch um zu zeigen, wie zum Teil heute mit alten Steinen und Fassaden umgegangen wird. "Kunstwerke darf man normalerweise nicht anfassen, sie gelten in ihrer Weise als heilig", sagt Athar Jaber. "Aber in Jerusalem fasst man die heiligen Orte an wegen ihrer Heiligkeit. Mit dieser Idee wollte ich spielen – mein Kunstwerk darf man und ja, man soll es sogar anfassen."

Auch das Künstlerduo Rain Wu und Eric Chen aus Taiwan haben sich von ihrer Umgebung inspirieren lassen. Inmitten der Feigen- und Olivenbäume im Garten steht eine Art Gerüst aus vielen dünnen Metallstäben. Hoch oben stellt Künstlerin Rain Wu die Installation gerade fertig. "Das haben wir ganz speziell für das Palästinensische Museum entworfen", ruft die junge Künstlerin. "Wir schauen damit auf die ambivalente Situation von Grenzen und Begrenzungen. Wenn die Leute hier durchlaufen, erleben sie das schwingende und schwankende Umfeld." Installationskünstlerin Rain Wu sieht in dem neuen Museum einen großartigen Platz für Kunst. "Man hat hier außergewöhnlich viel Platz und wir lieben es, an neuen Orten zu arbeiten und mit unserer Kunst darauf zu reagieren."

Viele Pläne für die Zukunft

Nun müssen nur noch die Besucher kommen. Gleich nebenan in der benachbarten Birseit-Universität gibt es Interesse, auch wenn man noch nicht weiß, was zu sehen ist. "Ich stelle mir vor, dass es um unsere Geschichte geht. Ich war noch nicht dort, will es mir aber anschauen", sagt Rasha Kanaan, Studentin in Medienwissenschaften. Auch Kommilitone Mohammed Aidieh findet es interessant. "Es ist gut, einen symbolischen Ort zu haben, der unsere Kultur und Geschichte bewahrt. Es zeigt, dass wir hier sind, dass wir existieren."

Installationskünstlerin Rain Wu aus Taiwan beim Aufbau
Installationskünstlerin Rain Wu aus Taiwan beim AufbauBild: DW/T. Krämer

Schon jetzt jedenfalls setzt das Museum architektonisch ungewohnte Akzente. Den markanten, zackigen Bau hat das irische Architektenbüro Heneghan Peng entworfen. Es ist das größte Museum für Kunst und Geschichte im besetzten palästinensischen Gebiet und wird privat vor allem von der Taawon Stiftung finanziert. Die Museumsmacher haben viel vor: "Das Palästinensische Museum kann Pionierarbeit leisten, in dem wir auf die Menschen fokussieren, weniger auf die Objekte", sagt Kuratorin Reem Fadda. "Und das wollen wir auch mit dieser ersten Ausstellung leisten."

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin