Paphos - wie Phoenix aus der Asche
1. Januar 2017"Es ist ein Alptraum", sagt der weißhaarige Brite, der gerade aus seinem Van steigt und zu Fuß zu seinem Büro weitergeht. Seit Wochen ist die Altstadt von Paphos eine einzige Baustelle. Selbst Fußgänger haben es schwer in dem Labyrinth von Absperrungen durchzukommen. "Bis Anfang des Jahres haben wir die neue Fußgängerzone fertig." Der Boss der lokalen Konstruktionsfirma ist da optimistisch, auch wenn es Mitte Dezember noch längst nicht so aussieht. Die Zeit ist knapp und das Geld auch.
Als die zyprische Küstenstadt vor Jahren den Titel Kulturhauptstadt, zusammen mit dem dänischen Aarhus, verliehen bekam, da sah das Budget noch besser aus. Doch dann traf auch Zypern die Finanzkrise. Die Stadtverwaltung von Paphos ließ die Kultur und die zerfallene Altstadt erst mal links liegen und konzentrierte sich auf die - bei Russen und Chinesen beliebte - Flaniermeile am Hafen.
Doppelt schwierig für die Veranstalter der Kulturhauptstadt. Nachdem einige Sponsoren abgesprungen waren, standen nur noch 8,5 Millionen Euro, also ein Drittel der veranschlagten Kosten, zur Verfügung. Das bislang kleinste Budget in der Geschichte der Kulturhauptstädte.
Mediterrane Freiluftfabrik für Kultur
"Paphos war ein absoluter Außenseiter, aber unser Konzept, das aus der Not geboren war, hat überzeugt", sagt Georgia Doetzer, die künstlerische Leiterin der Kulturhauptstadt, energisch. Immerhin habe Paphos zwei Vorteile, die archäologischen Stätten - die Liebesgöttin Aphrodite soll hier geboren sein - sind jetzt schon touristische Highlights, und es ist fast das ganze Jahr über warm. Was lag näher, als diese Gegebenheiten zu nutzen und daraus ein Konzept zu machen: "Open Air Factory" – "Freiluftfabrik." Das gab den Ausschlag und hat Paphos zudem den "Melina-Mercouri-Kulturpreis" von einer Million Euro beschert. Ein Segen für das knappe Budget.
"Wir wollen die archäologischen Stätten für Veranstaltungen öffnen, alte Villen, das Amphitheater, die Kultur soll zu den Menschen kommen", erklärt Georgia Doetzer das Konzept. Natürlich würden auch neue Spielstätten gebaut, aber das meiste soll unter freiem Himmel stattfinden, nach dem Motto mediterran, frei, rustikal. Verlockende Aussichten bei einer Durchschnittstemperatur von 15 Grad im Januar. Die künstlerische Chefin freut sich jetzt schon auf den Auftritt der Berliner Philharmoniker am ersten Mai. Sie werden auf der Hafenpromenade spielen, mit der mittelalterlichen Festung im Hintergrund.
"Brücken bauen" wollen die Veranstalter, das internationale Programm soll ausländische Besucher anziehen, aber auch Zyprer aus dem Norden der geteilten Insel. Im Programm wird es auch um die nationale Geschichte gehen, den griechischen Putsch von 1974 und die folgende türkische Militärintervention. Bis heute ist die wechselseitige Vertreibung der Bevölkerung in den griechischen Süden und türkischen Norden ein wunder Punkt bei beiden Völkern. In Mouttalos, dem Altstadtteil, der gerade herausgeputzt wird, steht eine Moschee aus der Zeit als das türkisch-griechische Zusammenleben noch klappte. Jetzt leben hauptsächlich vertriebene Griechen aus dem Norden dort - und die "neuen" Flüchtlinge.
Ein Heer von freiwilligen Helfern
"Wenn ich in den türkischen Norden gehe, dann sage ich meinen griechischen Freunden nichts davon", erzählt die Deutsche Ute Georgiades. Das sei immer noch ein heißes Eisen. Sie findet es gut, dass die Kulturhauptstadt das thematisiert. Die rüstige 76-Jährige lebt seit Jahrzehnten in Paphos und fühlt sich als Einheimische. Deshalb hat sie auch nicht gezögert, sich als freiwillige Helferin für die Kulturstadt zu melden. Über 400, vorwiegend junge Menschen werden nächstes Jahr ehrenamtlich im Einsatz sein, von freiwilliger Feuerwehr bis Künstlerbetreuung. Sie sei von dem großen Engagement völlig überrascht gewesen, so etwas sei auch wirklich neu hier, meint die ehemalige Geschäftsfrau.
Die Kulturhauptstadt soll auch nach Innen wirken, auch das ist Teil des Konzepts. Die vielen Vorveranstaltungen in der Stadt hätten jetzt schon Berührungsängste abgebaut, anfangs seien Viele skeptisch gewesen, doch jetzt kämen immer mehr Menschen. Die künstlerische Leiterin Georgia Doetzer ist überzeugt, dass das Konzept aufgeht, dass nicht nur mehr Touristen kommen werden, sondern Paphos langfristig von den Kulturhauptstadt- Aktivitäten profitiere.
Nach 2017 soll mehr bleiben als nur flächendeckendes W-LAN
Das hofft auch Charalamos Margaritis, einer der beteiligten lokalen Künstler. "Paphos war bislang eine kulturelle Wüste, nur kommerzielles Kino, kein Theater, keine Konzerthalle, wir mussten nach Nikosia oder Larnaca, um etwas zu sehen", erzählt er. Früher hätte man in Hotels ausstellen müssen, jetzt gäbe es immerhin schon zwei Galerien.
Der Anfang-Dreißigjährige hat in Paris studiert und ist vor einigen Jahren in seine Heimatstadt zurückgekehrt. "Hier kann man mit allem, was man tut, neue Impulse geben", sagt er. Mit einigen anderen Künstlern betreibt er mit großem Enthusiasmus die einzige private Kunstschule, das" Kimono", mit Angeboten von Malerei über Druckgrafik bis Animationsfilm und Street-Art.
Margaritis, international gut vernetzt, kämpft seit Langem für Kulturaustausch und neue Auftrittsorte für Festivals. Im Rahmen der Kulturhauptstadt wird er zwei Projekte verwirklichen, unter anderem ein Animationsfestival mit Workshops. Vom nächsten Jahr erhofft er sich ein flächendeckendes kostenloses W-LAN und dass es nach 2017 endlich ein Kulturleben gibt in Paphos. "Dann sind wir vielleicht nicht mehr das fünfte Rad und die Leute aus Nikosia und Larnaca kommen zu uns in die Stadt, um etwas zu erleben."