Papst fordert neues Weltwirtschaftssystem
10. Juli 2015Es war geradezu eine politische Grundsatzrede, in der das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche beim zweiten Welttreffen der Volksbewegungen im bolivianischen Santa Cruz nicht weniger als eine tiefgreifende Umformung des Weltwirtschaftssystems und soziale Rechte für die ärmeren Teile der Bevölkerung verlangte.
Land, Wohnung und Arbeit für all "unsere Brüder und Schwestern" seien "unantastbare Rechte", für die es sich zu kämpfen lohne, sagte Franziskus bei dem Treffen mit Vertretern von Volksbewegungen aus der ganzen Welt. Das gegenwärtige Wirtschaftssystem verstoße gegen den "Plan Jesu", betonte das Kirchenoberhaupt. "Die landlosen Bauern ertragen es nicht, die Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht - und ebenso wenig erträgt es die Erde."
Neuer Kolonialismus entwürdigt die Armen
Er betonte, dass er an der Seite der Volksbewegungen und armen Länder stehe im Kampf gegen neue Formen von Kolonialismus. "Der neue wie der alte Kolonialismus, der die armen Länder zu bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferern kostengünstiger Arbeit herabwürdigt, erzeugt Gewalt, Elend, Zwangsmigrationen und all die Übel, die wir vor Augen haben."
Die Völker Lateinamerikas rief der Papst auf, ihre Zusammenarbeit im gegenseitigen Respekt zu stärken. Gegen diese Zusammenarbeit richte sich ein "neuer Kolonialismus", zu dem auch einige "sogenannte Freihandelsabkommen" zählten, warnte der argentinische Jesuit.
Papst entschuldigt sich für Sünden der Kolonialzeit
Wie bereits sein Vor-Vorgänger Johannes Paul II. bat Franziskus die Urbevölkerung Amerikas für alle während der Kolonialzeit im Namen der Kirche begangenen Verbrechen um Vergebung. "Ich sage Ihnen mit Bedauern: Im Namen Gottes sind viele und schwere Sünden gegen die Ureinwohner Amerikas begangen worden."
Besuch in berüchtigter Gefangenenstadt
Zum Abschluss seines Besuchs in Bolivien wird der Papst die berüchtigte Gefangenensiedlung Palmasola besuchen, wo rund 5000 Gefangene - oft ohne rechtskräftiges Urteil - hinter hohen Mauern weitgehend sich selbst überlassen sind. Die Behörden beschränken sich fast ausschließlich auf eine Bewachung von außen. Ein Problem ist auch, dass viele Kinder dort in elenden Verhältnissen mit ihren Eltern aufwachsen und immer wieder Augenzeugen von Gewalt und Verbrechen werden.
Von Palmasola aus geht es weiter nach Paraguay, der letzten Station der einwöchigen Südamerika-Reise des Papstes, die in Ecuador begann.
qu/kle (dpa, kna, rtre, APE)