Papst im Irak: "Jede Friedensgeste ist willkommen"
7. März 2021Deutsche Welle: Wie haben Sie die Papstreise bislang erlebt?
Clemens Graf von Mirbach-Harff: Wir kennen Papst-Auftritte vor allem in Europa, im eher christlichen Kontext, aber in einer derartigen Diaspora habe ich das noch nie erlebt. Das sind ganz starke Eindrücke: Freundlichkeit, Fröhlichkeit, die Sonne scheint. Die Menschen haben sich schick gemacht. Man sieht einfache Menschen, die sich hier zum Teil zu Fuß auf den Weg machen und entlang der Straße Richtung Stadion laufen. Man sieht überall die Fahnen des Vatikans, gekreuzt mit den Fahnen des Iraks und der kurdischen Region.
Warum hat die Zahl der Christen im Irak in den vergangenen Jahren so rapide abgenommen? Heute leben Schätzungen zufolge nur noch einige hunderttausend Christen im Irak.
Die Situation für die Christen vor Ort ist schon seit längerem sehr schwierig. Christen wurden Opfer von Terrorakten oder gerieten in die Fronten im Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten. 2014 wurden Christen von der Terrormiliz IS brutal verfolgt.
Die Terrororganisation hat ihre Häuser markiert und zum Einstürzen gebracht. Wer nicht geflohen ist, wurde getötet. Der nachfolgende Krieg war so zermürbend, dass viele geflohen sind - nicht nur Christen, sondern auch andere Minderheiten, die nicht vom sogenannten Islamischen Staat geduldet wurden.
Welchen Einfluss hat der Besuch des Papstes für die Menschen vor Ort?
Allein sein Kommen ist in dieser Region ein unwahrscheinlich starkes Zeichen. Die Menschen hier sehnen sich nach starken Leitfiguren, die für etwas stehen. Und da sind die Christen, die zum Teil auch untereinander sehr zerstritten sind, im Hintertreffen. Der Papst ist die große Einheit. Der Besuch hat schon jetzt konkret bewirkt, dass der 6. März ein Feiertag sein wird - ein Tag der Minderheiten.
Was kann der Besuch des Papstes für Christen vor Ort bewirken?
Darüber müsste man sich in etwa fünf Jahren unterhalten. Aber ich denke, allein die Tatsache, dass hier jetzt Medienaufmerksamkeit ist, dass wir die Schönheit der Region kennen lernen, könnte vielleicht die ein oder andere Familie dazu bewegen, wieder zurück zu kehren.
Wie haben Sie das Treffen mit dem Schiitenführer Großajatollah al-Sistani erlebt?
Das Treffen mit dem Schitenführer al-Sistani ist eine große Tat der Liebe und des Friedens. Es geht hier um Koexistenz, um ein friedliches nebeneinander leben können, ohne sich zu hassen und zu bekriegen. Wenn ein großes religiöses Oberhaupt wie der Papst diesen Schritt geht, demütig durch die Gassen läuft, um den schiitischen Führer zu treffen, dann ist das ein starkes Symbol dafür, dass er auch lebt, was er predigt.
Er sagt auch, er kommt als Büßer. Er kommt um Vergebung zu bitten für Verfehlungen. Er kommt als Pilger und als Bruder, der die Hand ausstreckt und Versöhnung leben will. Für die Christen ist das ein enormes Zeichen, dass sie Schulterschluss erfahren.
Wie wichtig war das Treffen für die Muslime?
Viele Muslime hier in der Gegend sind sehr frustriert von dem, was sie unter dem IS erlebt haben. Deswegen sind sie auch von den eigenen Religionsführern, die sich davon nie oder nur zum Teil distanziert haben, enttäuscht. Insofern ist jeder Schulterschluss, jede Geste der Freundschaft und des Friedens willkommen.
Clemens Graf von Mirbach-Harff, is Generalsekretär der Malteser International. In der Ninewa-Ebene, die der Papst unter anderem bereist, haben die Malteser Ende 2018 die Rückkehr christlicher und anderer ethno-religiöser Minderheiten mit einem umfassenden Wiederaufbau-Projekt unterstützt, das unter anderem den Wiederaufbau von Häusern und Schulen gefördert hat.
Das Gespräch führte Stephanie Höppner.