Papst rügt erneut Vertuschung von Missbrauch in der Kirche
29. September 2024Auch am letzten Tag seiner Reise nach Luxemburg und Belgien hat Papst Franziskus den sexuellen Missbrauch in der Kirche scharf verurteilt. Er rief die Bischöfe auf, Missbrauchsfälle nicht zu verschweigen, sondern sie öffentlich zu machen und die Täter zu bestrafen. Die Bischöfe sollten zudem helfen, dass die Verwundeten zu einer Heilung fänden.
Der Papst hob lobend hervor, dass einige der Missbrauchsbetroffenen öffentlich über das Böse, das sie erlitten haben, gesprochen haben. "Das Böse muss öffentlich bekannt werden, und der Täter müssen verurteilt werden, ganz gleich ob es jemand ohne Weihe, oder ein Priester oder ein Bischof ist. Der Täter soll verurteilt werden!" Er fügte hinzu: "Alle werden wir uns vor Gott zu verantworten haben, auch für die Vertuschung von Missbrauch in der Kirche."
Der Papst äußerte sich in einer Predigt beim Gottesdienst im König-Baudouin-Stadion von Brüssel vor rund 40.000 Menschen, zu dem auch Katholiken aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden angereist waren. Er erhielt langen Applaus für seine Äußerungen, mit denen er vom Redemanuskript abwich. Zu der Messe waren auch Katholiken aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden angereist.
Absage an Egoismus
Im politischen Teil seiner Predigt wandte sich das Oberhaupt der katholischen Kirche gegen Egoismus und eine rein liberale Marktwirtschaft. Er sagte: "Der Egoismus ist, wie alles, was die Liebe verhindert, ein Ärgernis, weil er die Kleinen erdrückt, die Würde der Menschen erniedrigt und den Schrei der Armen erstickt."
Ausdrücklich ging der Papst auch auf die Lage der Migranten ein, die als sogenannte "Sans Papiers" ohne gültige Papiere in Ländern wie Frankreich oder Belgien leben. Der Argentinier erklärte: "Sie sind Menschen, Schwestern und Brüder, die wie alle anderen von einer besseren Zukunft für sich und ihre Angehörigen träumen und stattdessen oft ungehört bleiben und zu Opfern von Ausbeutung werden."
Zu Beginn der Messfeier hatte der Papst die aus Spanien stammende Ordensfrau Anna von Jesus (1545 - 1621) seliggesprochen. Die Karmeliterin sei wegen ihres Lebens in Gebet, Arbeit und Nächstenliebe auch heute noch ein Vorbild für die Kirche. Die Kirchenlehrerin gilt als eine der berühmtesten Frauen in der katholischen Kirche. Sie setzte sich auch kritisch mit der dominierenden Rolle der Männer auseinander.
Franziskus bittet um Verzeihung
Im Rahmen seiner viertägigen Reise war Franziskus am Freitag mit mehreren Betroffenen von Missbrauch durch Geistliche zusammengekommen. Dabei bat er nach Angaben von Teilnehmern persönlich um Verzeihung. Es sei ein "offenes, schwieriges und auch emotionales Gespräch" gewesen, sagte ein Beteiligter der belgischen Nachrichtenagentur Belga. Nach dem Gespräch gebe es Hoffnung, dass sich nun was bewege, sagte ein Teilnehmer dem belgischen Sender VRT.
Zuvor hatte Franziskus den Missbrauch in der Kirche als Schande bezeichnet. "Die Kirche muss sich schämen und um Vergebung bitten und versuchen, alles zu tun, damit so etwas nicht wieder passiert." Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo hatte konkrete Schritte vom Pontifex zur Aufarbeitung gefordert. Seine Worte fielen für eine Begrüßung ungewöhnlich scharf aus.
Papst besucht überraschend Jugendfestival in Brüssel
Franziskus liebt bekanntlich Überraschungen. Sogar bei eng getakteten Auslandsreisen gönnt er sich kleine Extratouren. Am Samstagabend machte er nach einem Treffen mit seinen Brüsseler Mitbrüdern vom Jesuitenorden noch einen Abstecher und schaut in der belgischen Hauptstadt beim internationalen Jugend-Event "Hope Happening" in Brüssel vorbei. Dort grüßte er von der Bühne des Expogeländes die rund 6.000 jungen Festivalgäste. Der bis Sonntag dauernde "Mini-Weltjugendtag" findet anlässlich des Papstbesuchs in Luxemburg und Belgien statt.
Franziskus rief die jungen Leute auf, sich einzumischen, zu beten und ihren Mitmenschen zu helfen. Es sei nicht richtig, auf andere herabzuschauen - außer, wenn man der Person beim Aufstehen helfe, sagte der 87-Jährige, der mit seinem Rollstuhl mitten auf der Bühne stand. Abschließend segnete Franziskus die jungen Menschen und lud sie zum Abschlussgottesdienst ein.
Papst Franziskus hatte seinen 46. Auslandsbesuch am Donnerstag in Luxemburg begonnen. Hauptanlass war das 600-jährige Bestehen der belgischen Katholischen Universität Löwen, die seit 1968 in einen flämischen und einen wallonischen Teil geteilt ist. Er traf Dozenten der niederländischsprachigen Katholieke Universiteit Leuven sowie Studierende der französischsprachigen Université Catholique inmigratiopa Louvain-la-Neuve, jeweils etwa 30 Kilometer von Brüssel entfernt.
Unmut wegen Papst-Aussage zu Frauen
Bei seinem Besuch an der Universität in Louvain-la-Neuve sorgte Franziskus mit Äußerungen zur Rolle von Frauen in Kirche und Gesellschaft jedoch für Unmut. Die Hochschule ging umgehend auf Distanz. Sie drücke "ihr Unverständnis und ihre Missbilligung" gegenüber der von Papst Franziskus geäußerten Position aus. Alle Menschen sollten sich an der Universität und in Gesellschaft entfalten können, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung. Die Kirche solle dem gleichen Weg folgen.
Studentinnen hatten Franziskus zur historischen Verantwortung der Kirche für die Schlechterstellung und Diskriminierung von Frauen befragt. "In der gesamten Kirchengeschichte wurden Frauen unsichtbar gemacht", hieß es in dem Schreiben. "Welchen Platz haben Frauen in der Kirche?" Der Pontifex antwortete unter anderem: "Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe." Es sei hässlich, wenn die Frau sich zum Mann machen wolle.
"Die UC Louvain kann nur ihre Uneinigkeit mit dieser deterministischen und reduzierenden Position zum Ausdruck bringen", hieß es von der Universität im Anschluss. Rektorin Françoise Smets sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei Fakt, dass sich auch Männer um die Familie kümmern können. "Frauen sollten in der Lage sein, auch abseits vom Kümmern Verantwortung zu übernehmen." Die Studentin Valentine Hendrix sagte: "Wir sind wirklich schockiert." Der Papst reduziere Frauen "auf die Rolle von Gebärenden, Müttern und Ehefrauen" - also auf all das, "wovon wir uns emanzipieren wollen."
kle/se (kna, dpa, afp)