Papst: "Haben die Sprache des Friedens vergessen"
15. April 2022Der Krieg in der Ukraine und die anderen Konflikte auf der Welt seien das Ergebnis einer generellen Abkehr vom Frieden, sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. "Wir leben nach einem teuflischen Schema, in dem wir uns umbringen, wegen des Willens nach Macht, nach Sicherheit, nach vielen Dingen", warnte der Papst in einem am Karfreitag ausgestrahlten TV-Interview des italienischen Senders Rai 1.
"Ich verstehe die Regierenden, die Waffen kaufen, ich verstehe sie. Ich rechtfertige sie nicht, aber ich verstehe sie", sagte Franziskus. Das gelte aber nur, "weil wir uns verteidigen müssen, weil dies das Kain-Schema des Krieges ist", so der Papst mit Bezug auf den Brudermord von Kain an Abel in der Bibel.
Die Menschheit hat nichts aus Kriegen gelernt
Dabei erinnerte Franziskus an Kriegsgräber in Italien, in der Normandie und andernorts. Er selbst habe bei Besuchen dort weinen müssen angesichts der getöteten jungen Menschen. Leider habe die Menschheit nicht daraus gelernt. Innerhalb eines Schemas des Friedens wäre das nicht notwendig, so der Papst weiter. Wir "haben die Sprache des Friedens vergessen", auch wenn die Anstrengungen für Frieden nicht fehlten.
Der Pontifex hatte seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine immer wieder den Einsatz von Waffen kritisiert und für eine diplomatische Lösung geworben. In dem langen Interview mit RAI 1 erinnerte er auch an die "versteckten" Kriege und Konflikte, die seit Jahren fast unbeachtet weltweit toben, die die Öffentlichkeit kaum wahrnehme. Ausdrücklich nannte er Syrien, Jemen, die Vertreibung der Rohingya aus Myanmar, aber auch den Völkermord in Ruanda vor 25 Jahren. Immer leiden die Schwächsten unter den Kriegen, wie der Argentinier betonte.
Auch auf die Flüchtlingsproblematik ging der Papst ein und kritisierte er, nicht alle Fliehenden würden gleich behandelt. "Die Flüchtenden werden unterteilt. Erster Klasse, zweiter Klasse, nach Hautfarbe, ob man aus einem entwickelten Land kommt oder einem nicht entwickelten." Wir, die Menschen, seien Rassisten. "Und das ist schlimm", sagte der Papst.
Traditioneller Kreuzweg am Kolosseum im Zeichen des Ukraine-Kriegs
Trotz ukrainischer Kritik hat der Papst an einer umstrittenen Geste beim Kreuzweg am Karfreitagabend festgehalten. Wie im Programmheft angekündigt, trugen auf einer Etappe der Andacht vor dem Kolosseum eine Ukrainerin und eine Russin gemeinsam das schlichte Holzkreuz. Der bereits veröffentlichte Text zur 13. Station des Kreuzwegs wurde jedoch durch einen kürzeren ersetzt. In den Tagen zuvor hatten der ukrainische Botschafter am Vatikan wie auch der griechisch-katholische Großerzbischof von Kiew die Gestaltung als verfrühte Versöhnungsgeste kritisiert.
Die nun vorgetragene kürzere Textfassung lautete: "Im Angesicht des Todes sagt Stille mehr als Worte. Bleiben wir also in betender Stille stehen und beten wir alle in unserem Herzen für den Frieden in der Welt." Zuvor hatte es unter anderem geheißen: "Welchen Fehler haben wir begangen? Warum hast du uns im Stich gelassen? Warum hast du unsere Völker im Stich gelassen?" Der Text hätte enden sollen mit der Bitte: "Sprich in der Stille des Todes und der Trennung und lehre uns, Frieden zu schließen, Brüder und Schwestern zu sein, wieder aufzubauen."
Protest aus der Ukraine
Mehrere katholische Medien in der Ukraine hatten aus Protest ankündigt, den Kreuzweg nicht wie sonst live aus Rom zu übertragen. Das ukrainische griechisch-katholische Nachrichtenportal RISU zitierte Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk mit den Worten: "Zuerst müssen wir aufhören, uns zu töten, dann können wir über nächste Schritte sprechen. Um sich zu versöhnen, muss man zumindest am Leben sein."
Die beiden Frauen, deren Vornamen mit Irina und Albina angegeben werden, leben in Rom und arbeiten derzeit als Krankenpflegerinnen in einem Krankenhaus. Sie sind seit längerem privat befreundet.
Bereits am Dienstag hatte Schewtschuk kritisiert, die Idee berücksichtige nicht "den Kontext der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine". Daher habe er Rom um eine Überprüfung gebeten. Auch könnten einige Textpassagen für Ukrainer beleidigend klingen. Der päpstliche Nuntius in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, räumte ein, er selber hätte das Gebet nicht so formuliert und gestaltet.
Der Kreuzweg soll an den Leidensweg von Jesus Christus erinnern. Über 14 Stationen wird dessen Weg von der Verurteilung bis zum Tod am Kreuz symbolisch nachgestellt.
qu/haz/AR (dpa, kna, Vaticannews)