Viermal Gold für deutsches Para-Team
1. September 2021Es war mal wieder ein goldener Tag für die deutschen Para-Athleten in Tokio: Die letzte von vier Goldmedaillen für das deutsche Para-Team sicherte sich am Abend im Olympiastadion der Weitspringer Markus Rehm, der seit einem Unfall beim Wakeboarden im Alter von 14 Jahren eine Unterschenkel-Prothese trägt. Rehm, der vergeblich darum gekämpft hatte, auch bei den Olympischen Spielen starten zu dürfen, hatte die Konkurrenz absolut im Griff. Erwartungsgemäß holte der 34-Jährige zum dritten Mal in Folge Gold. Seine Siegerweite betrug 8,18 Meter. Damit hatte Rehm komfortable 79 Zentimeter Vorsprung vor dem Franzosen Dimitri Pavade, der 7,39 Meter schaffte. Bronze ging an den US-Amerikaner Trenten Merrill mit 7,08 Metern.
Zwar hat Rehm, der in Japan ein großer Sportheld ist, mit seinem dritten Sieg in Serie Großes erreicht, jedoch verpasste er zwei selbstgesteckte Ziele: Er wollte in Tokio seinen eigenen Weltrekord von 8,62 Metern angreifen und außerdem eine bessere Weite erreichen als der Grieche Miltiadis Tentoglou, der bei seinem Olympiasieg 8,41 Meter weit sprang. "Das Ziel war, den Titel zu verteidigen, daher habe ich ein breites Grinsen unter der Maske", sagte Rehm im Interview mit dem ZDF. "Aber klar, die Weite hätte ich am Ende gerne noch ein bisschen korrigiert."
Seit seinem internationalen Debüt bei der WM 2011 ist Rehm nun 15 Mal im Weitsprung bei Welt- und Europameisterschaften sowie bei Paralympics gestartet und hat immer Gold geholt.
Zweimal Weltrekord für Taliso Engel
Was für eine Leistung: Zweimal an einem Tag verbesserte Taliso Engel im Paralympics-Becken von Tokio den Weltrekord über 100 Meter Brust und gewann die Goldmedaille. Nachdem der 19-jährige Sehbehinderte schon im Vorlauf mit 1:03,52 Minuten eine neue Weltbestmarke setzte, blieb er im Finale noch einmal über eine halbe Sekunde unter seinem neuen Rekord. Der alte Weltrekord des Ukrainers Oleksii Fedina hatte zuvor acht Jahre lang bestand gehabt.
Der US-Amerikaner David Henry Abrahams (1:04,38) und der Kasache Nurdaulet Schumagali (1:05,20) gewannen Silber und Bronze. Engel holte das erste deutsche Schwimm-Gold seit London 2012. Damals hatte Daniela Schulte über 400 Meter Freistil triumphiert.
Nur sechs Minuten nach dem Erfolg von Engels ließ auch Elena Krawzow der Konkurrenz über die gleiche Distanz keine Chance. Die 27-Jährige gewann bei den Frauen in der Startklasse SB13 nach starker Aufholjagd in 1:13,46 Minuten und krönte sich nach Silber in London und einem enttäuschenden fünften Platz in Rio erstmals zur Paralympics-Siegerin.
Endlich Erste: Hiltrop freut sich über Gold
Sportschützin Natascha Hiltrop hat in Tokio ebenfalls die Goldmedaille gewonnen. Nach dem Gewinn der Silbermedaille in Rio behielt Hiltrop diesmal in einem dramatischen Finale die Nerven und rettete mit dem Luftgewehr über 10 Meter mit dem letzten Schuss einen hauchdünnen Vorsprung von 0,1 Ringen vor dem Südkoreaner Park Jinho ins Ziel. Mit 253,1 Ringen stellte die 29-Jährige dabei gleichzeitig einen neuen Paralympics-Rekord in der Startklasse SH1 auf.
"Ich bin sehr glücklich, dass ich das umsetzen konnte, was ich mir vorgenommen habe. Da fällt einem schon ein riesiger Stein vom Herzen", sagte die inkomplett querschnittsgelähmte Hiltrop. Sie hatte das erste Gold für die deutschen Para-Sportschützen seit 2004 in Athen geholt und auch in Tokio die erste Medaille überhaupt für die Sportschützen des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS).
Bislang galt Hiltrop als die "ewig Zweite". Bereits in der Qualifikation war sie Zweite geworden. In Rio hatte der deutschen Vorzeigeschützin ein Ring zur Goldmedaille gefehlt, auch bei Weltmeisterschaften war sie zuvor nie über Platz zwei hinausgekommen.
Zeyen lässt Gold Bronze folgen
Einen Tag nach ihrer Goldmedaille im Zeitfahren hat Handbikerin Annika Zeyen die nächste Paralympics-Medaille geholt. Im Straßenrennen über 26,4 Kilometer landete die Querschnittsgelähmte in der Startklasse H3 in 56:21 Minuten auf dem Silberrang. Sechs Sekunden schneller war auf der ehemaligen Formel-1-Strecke am Fuße des Fuji nur die Niederländerin Jennette Jansen. Bronze ging an Alicia Dana aus den USA (56:24). "Ich bin super happy über die Silbermedaille", sagte Zeyen. "Unglaublich, besser hätte es nicht laufen können." 2012 hatte Zeyen noch Gold im Rollstuhlbasketball gewonnen. Ihre eigentlich für diesen Sommer geplante Hochzeit hatte sie eigens für die Wettbewerbe in Tokio verschoben.
"Paralympics-Legende" Andrea Eskau hat in Tokio ihre 16. Medaille dagegen erneut knapp verpasst. Sie belegte im Handbike-Straßenrennen der Startklasse H5 in 2:47:25 Stunden als Vierte ins Ziel. Auf die Medaillenränge fehlten Eskau knapp 20 Minuten. Siegerin wurde die US-Amerikanerin Oksana Masters (2:23:39 Stunden). Silber ging an Chinesin Bianbian Sun (2:26:50) vor Katia Aere (2:28:11) aus Italien. Einen Tag zuvor war Eskau im Einzelzeitfahren Fünfte geworden. Die 50-Jährige startet im Winter auch als Biathletin und Langläuferin.
Tischtennis-Doppel steht im Finale
Tschechien geschlagen, jetzt geht es gegen die Favoriten aus China: Thomas Schmidberger und Thomas Brüchle haben in Tokio das Endspiel des Teamwettbewerbs im Rollstuhl-Tischtennis erreicht und hoffen im dritten Anlauf endlich auf Gold.
Im Halbfinale bezwangen die beiden querschnittsgelähmten Athleten die Tschechen mit 2:0. Am Donnerstag treffen sie auf die favorisierten Chinesen, gegen die sie in den Finals 2012 und 2016 den Kürzeren gezogen hatten. Schmidberger hatte zudem 2016 in Rio wie auch jetzt schon in Tokio das Einzel-Endspiel gegen den Chinesen Panfeng Feng verloren.
"Morgen sind wir dran", gab sich der 29-Jährige kämpferisch. "Wir haben einen genauen Matchplan in der Tasche. Und wir wollen uns nicht nur für Rio revanchieren, sondern auch für mein Einzel-Finale." Und auch Brüchle ist guter Dinge. "Wir haben Silber sicher, aber das reicht uns diesmal nicht", sagte er: "Ich bin Mathematiker. Wir sind immer näher rangekommen. Tom war ganz knapp dran. Unentschieden gibt es nicht. Deshalb sollte es am Donnerstag so weit sein."
In der Startklasse 6-7 stehend haben Björn Schnake und Thomas Rau dagegen das Endspiel im Mannschaftswettbewerb verpasst und damit die Bronzemedaille gewonnen. Im Halbfinale war Gold-Favorit China zu stark und gewann mit 2:0. Sowohl das Doppel (1:3) als auch das Einzel von Rau (0:3) gingen deutlich an die Chinesen. Ein Spiel um Platz drei gibt es bei den Paralympics nicht.
Rollstuhlbasketballer scheitern
Die deutschen Rollstuhlbasketballer haben ihre Durststrecke auch in Tokio nicht beenden können. Das Team von Bundestrainer Nicolai Zeltinger verlor wie schon 2016 in Rio im Viertelfinale gegen Spanien und musste nach dem 68:71 (34:40) einmal mehr seinen Medaillentraum frühzeitig begraben. Gleich zum vierten Mal in Serie scheiterte Deutschland bei Paralympics in der Runde der letzten Acht.