Paris drängt, Berlin bremst
4. Oktober 2018Über eine halbe Seite widmet die "Süddeutsche Zeitung" aus München an diesem Donnerstag dem Interview mit Frankreichs Finanzminister. Ein großes Bild von Bruno Le Maire ist auch dabei, entschlossen steht er da, den Blick in die Ferne gerichtet. Und seine Botschaft an die Berliner Regierung ist unmissverständlich: Die Steuern für Internet-Konzerne wie Google oder Facebook, der gewünschte Haushalt für die Euro-Zone, alles Lieblings-Projekte von Le Maires Chef, von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron: Das muss jetzt kommen.
Erst einmal Lob für Deutschland
Um seine klare Botschaft geschickt einzuleiten, verteilt Le Maire erst einmal Lob an die Deutschen und wirbt für die Achse Berlin-Paris: "Frankreich braucht Deutschland und umgekehrt. In der Verteidigungs - und in der Klimapolitik steuern wir schon in dieselbe Richtung. In der Wirtschaftspolitik gilt das im Grundsatz auch."
Aber dann formuliert der Finanzminister seine Bedenken: Immer wieder habe Frankreich ein gemeinsames Vorgehen mit Deutschland in Europa angemahnt, oft keine Antwort bekommen: "Die Menschen sehen uns keinen weiteren Aufschub nach, sei es bei der Besteuerung von Internet-Giganten, oder wenn es darum geht, die Euro-Zone gegen die nächste Finanzkrise zu wappnen. Die Entscheidungen drängen. Wir können nicht mehr warten."
Dass die deutsche Regierung zuletzt sehr viel mit sich selbst beschäftigt war, vor allem im internen Streit um die Flüchtlingspolitik und wegen der erstarkten Rechtspopulisten, das versteht Le Maire. Aber gerade die Rechtspopulisten seien ein Argument, aktiv zu werden: "Keine Entscheidung zu treffen, nährt den Populismus. Es ist besser, jetzt schnell zu handeln und später nachzubessern. Nichts ist schlimmer, als nicht zu entscheiden. "
Grüne: Regierung ist fahrlässig
Das sehen Politiker der Opposition in Deutschland auch so. Franziska Brantner, Abgeordnete im Bundestag für die Grünen, erinnert im Gespräch mit der DW daran, dass der EU-Gipfel im Juni eigentlich für Beschlüsse auch zur Frage der Euro-Zone und deren Ausstattung gedacht war. Tatsächlich brauchte dann aber Bundeskanzlerin Angela Merkel einen raschen Beschluss zur Asylpolitik, um ihren Streit daheim mit CSU-Innenminister Horst Seehofer beizulegen.
Brantner: "Le Maire hat Recht, wenn er die deutsche Regierung zum Handeln auffordert. Der Juni-Gipfel war eigentlich für die Stabilisierung der Eurozone vorgesehen und wurde dann durch Seehofer entführt. Die Regierung handelt fahrlässig und feige."
Kritik auch aus dem Regierungslager
Und sogar Koalitions-Vertreter gestehen ein, dass Deutschlands Regierung zu Zeit gelähmt erscheint. Für die SPD sagte der Bundestagsabgeordnete Joachim Post: "Wenn Deutschland, Frankreich und die EU-Kommission jetzt aber nicht Hand in Hand arbeiten und weitere Staaten einbinden, dann wird am Ende einmal mehr kein wirklicher Fortschritt dabei herauskommen. Noch in diesem Jahr müssen die Grundzüge für ein Investitionsbudget der Eurozone und für den Aufbau eines Europäischen Währungsfonds stehen."
Auch der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter mahnt im Gespräch mit der DW an: "Angesichts der innenpolitischen Spannungen konnten bislang außen-und europapolitische Vorhaben nicht mit der Kraft vorangetrieben werden, die nötig wäre." Aber er fügt hinzu: "Ich bin zuversichtlich, dass Union und SPD sich wieder auf intensive Sacharbeit konzentrieren. Verteidigungspolitisch müssen wir die unterschiedlichen Ansätze Deutschlands und Frankreichs als zwei Seiten einer Medaille begreifen."
Berlins Versteckspiele
Unterschiedliche Ansätze sind sicher auch ein Grund, warum Deutschland noch nicht im Detail auf alle Ideen Frankreichs geantwortet hat. Ein eigener Haushalt der Euro-Zone würde vor allem die Deutschen sehr viel Geld kosten. Und auch beim Thema Digital-Steuern gibt es genug Kritiker, die Deutschland vor zu schnellen Schritten warnen.
Experten wie Josef Janning vom Berliner Büro des "European Council on Foreign Affairs" wollen auch nicht alle Probleme auf die schwierige politische Situation in Deutschland schieben: "Es gibt auch andere Länder, die sich schwer tun mit der französischen Idee eines Haushalts für die Euro-Zone. Über die Niederlande, die Finnen, bis hin zu den Slowaken und Österreichern. Und Berlin versteckt sich hinter dem Widerstand dieser Ländern und schiebt innenpolitische Schwierigkeiten vor", sagt Janning der DW.