Partei von Regierungschef Borissow vorn
4. April 2021In Bulgarien hat die Partei von Ministerpräsident Boiko Borissow die Parlamentswahl laut ersten amtlichen Zwischenergebnissen gewonnen. Die Regierungsbildung dürfte bei einem Parlament mit mindestens sechs zumeist verfeindeten Parteien allerdings schwierig werden.
Wie die Zentrale Wahlkommission (ZIK) nach Auszählung von mehr als 40 Prozent der Stimmen mitteilte, kommt Borissows Partei GERB auf gut 24 Prozent der Stimmen. Zweitstärkste Kraft ist danach mit 19 Prozent überraschend die populistische Protestpartei "Es gibt so ein Volk" des TV-Moderatoren und Kabarettisten Slawi Trifonow geworden.
Die oppositionellen Sozialisten (Ex-KP) landen dem Zwischenergebnis zufolge mit fast 15 Prozent auf Platz drei. Es folgt die Partei der türkischen Minderheit (DPS) mit deutlich über acht Prozent. Ins Parlament dürften zudem zwei weitere Protestparteien einziehen: Die konservativ-liberal-grüne Koalition Demokratisches Bulgarien DB und "Richte dich auf! Mafiosi raus!".
Dagegen hat die nationalistische WMRO, bislang Juniorpartner in Borissows Koalitionskabinett, den vorläufigen Zahlen zufolge die Vier-Prozent-Hürde nicht übersprungen und damit den Einzug in Parlament verpasst.
Angesichts der Kräfteverteilung zeichnet sich eine langwierige Regierungsbildung ab. Borissow bot den anderen Parteien die Bildung einer Expertenregierung an. "Ich schlage euch Frieden vor - lasst uns Experten einsetzen und bis Dezember die Verantwortung übernehmen, die (Corona-)Pandemie zu bewältigen, damit es wieder aufwärts geht", sagte Borissow in der Nacht zu Montag.
Korruptionsvorwürfe
Der 61-Jährige steht seit 2009 mit einer kurzen Unterbrechung an der Spitze der Regierung des ärmsten EU-Landes. Allerdings hat er deutlich an Zustimmung verloren, seit er 2009 mit seiner Partei "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens", kurz GERB, erstmals antrat. Bei der Wahl damals kam die GERB auf Anhieb auf fast 40 Prozent der Stimmen.
Im Herbst hatten über Wochen Zehntausende Menschen gegen ihn und die GERB protestiert und ihnen Korruption vorgeworfen. Auch die EU attestiert Bulgarien Probleme mit Korruption, die Europäische Zentralbank fordert von dem Land weitere Reformen vor seinem geplanten Beitritt zur Euro-Zone.
Bulgarien mit seinen knapp sieben Millionen Einwohnern leidet derzeit vor allem unter der Coronavirus-Pandemie. Im März meldete das Land im Schnitt täglich rund 4000 Neuinfektionen. Innerhalb der EU verzeichnet es nach Ungarn die zweithöchste Rate an Todesfällen in Zusammenhang mit dem Virus.
Um auch schwer erkrankten Corona-Patienten die Teilnahme an der Wahl zu ermöglichen, wurden Wahllokale in Krankenhäusern eingerichtet. Mobile Wahlteams sollten zudem die Stimmzettel von Wählern abholen, die sich in Quarantäne befanden.
Da die überwiegend orthodoxen Bulgaren dieses Jahr erst in vier Wochen Ostern feiern, kollidierte die Wahl nicht mit Familienfesten. Die Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses könnte sich mehrere Tage hinziehen. Spätestens am Donnerstag soll es von der Wahlkommission verkündet werden.
qu/uh/ww (dpa, afp, rtr)