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Politik

Streit um Sicherheit

Naomi Conrad
21. Dezember 2016

Zwei Tage nach dem Attentat mit einem Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt herrscht noch immer wenig Klarheit über den Täter. Trotzdem fordert die CSU bereits, die Flüchtlingspolitik müsse "überdacht" werden.

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Deutschland Trauer nach Anschlag am Breitscheidplatz
Bild: Reuters/F. Bensch

Am Morgen danach, während Menschen schweigend Blumen und flackernde Kerzen vor der Gedächtniskirche in Berlin abstellten und kurz innehielten, zog dort auch ein adrett gekleideter Mann seine Runden: Ob man, fragte er Journalisten, ein Statement von der Alternative für Deutschland wolle.

Ein Verdächtiger wurde zunächst gefasst, dann wieder freigelassen, jetzt fahnden die Behörden nach einem anderen Mann, dessen Ausweispapiere im Lastwagen gefunden worden sein sollen: Gab es Hintermänner? Steckt wirklich der selbsternannte "Islamische Staat" dahinter, der sich bereits mit der Tat brüstet?

Zwei Tage nach dem Anschlag herrscht wenig Klarheit, weder über den Täter noch den genauen Tathergang. Die Behörden ermitteln weiter und gehen hunderten Hinweisen nach - und doch ist bereits eine politische Diskussion in Deutschland entbrannt. Nicht nur die AfD, deren stellvertretender Bundesvorsitzender Alexander Gauland die Regierung, genauer gesagt, ihre Flüchtlingspolitik, für den Anschlag verantwortlich macht, versucht Kapital daraus zu schlagen: CSU-Chef Horst Seehofer, der schon seit längerem die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisiert, forderte umgehend, "dass wir unsere gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren".

Und sein Parteikollege, Stephan Mayer, wird später sagen: Es gebe "sehr wohl" eine Verbindung zwischen der Flüchtlingskrise und der erhöhten Terrorgefahr in Deutschland. 

Ist der Täter wirklich ein Flüchtling? Das weiß zu diesem Zeitpunkt vermutlich nur der Täter selbst - auch wenn die neue Spur möglicherweise in die Richtung deutet. 

Innenminister Thomas de Maizière möchte am Nachmittag nur so viel bestätigen: Ja, es gebe einen neuen Verdächtigen, nach diesem werde seit Mitternacht gefahndet. Die "Spekulationen der Medien" aber, etwa über den Aufenthaltsstatus des Mannes, werde er weder bestätigen noch dementieren. Medienberichten zufolge soll der Mann den Behörden bereits als islamistischer Gefährder bekannt gewesen sein, dessen Aslyantrag abgelehnt wurde und der seitdem in Deutschland gedultet wurde. 

Dazu aber, will der Innenminister keinerlei Angaben machen: "Das Ergebnis zählt - und nicht die Schnelligkeit von Spekulationen."

Kritik am Vorstoß der CSU

Andere Politiker mahnen ebenfalls zur Gelassenheit, auch von der Schwesterpartei der CSU kommt Kritik an dem Vorstoß von Seehofer: Erst wenn Ermittlungsergebnisse auf dem Tisch lägen, könnten Konsequenzen gezogen werden, sagte etwa Stephan Harbarth (CDU) am Mittwoch vor der Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages. Es dürften keine voreiligen Schlüsse gezogen werden, mahnte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion.

Ähnlich äußerte sich auch Burkhard Lischka, der innenpolitische Sprecher der SPD: Er sei misstrauisch gegenüber Menschen, die nach dem Ereignis sofort eine Antwort hätten. Und weiter: Ohne Faktenlage könne man nicht über politische Konsequenzen diskutieren. Er zeigte sich außerdem kritisch gegenüber der erneuten Forderung der CDU, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Wenn "reflexhaft" gefordert werde, die Bundeswehr im Inland einzusetzen, dann "weiß ich nicht, was das mit dem Anschlag zu tun haben soll".

In den vergangenen Monaten ist das Thema bereits zum Teil hitzig diskutiert worden: Denn laut Grundgesetz dürfen Soldaten nur im Katastrophenfall im Inland aktiv werden.

Auch Vertreter von den Grünen und der Linkspartei äußerten Kritik an solchen Forderungen. Frank Tempel, Innenpolitiker der Linken, äußerte sich skeptisch gegenüber einer Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und in Verkehrsmitteln, wie sie das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Innenminister Thomas de Maizière hatte das Gesetzespaket als Reaktion auf den Amoklauf in München im Sommer initiiert. Videoüberwachung könne Verbrechen durch Abschreckung verhindern und auch bei der Verfolgung helfen, so der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert. Es werde mehr Sicherheit in Deutschland geschaffen. "Ich zweifele, dass es solche Taten verhindern kann", sagte Tempel. Allerdings werde er sich mit Experten beraten.

Schuster: "Kursänderung" gegenüber Koalitionspartner 

Nach der Sitzung des Innenausschusses aber, bei dem die Sicherheitsbehörden und auch der Generalbundesanwalt über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren, übte Armin Schuster (CDU) harsche Kritik am Koalitionspartner SPD: Es werde eine "drastische Kursveränderung" gegenüber der Opposition und auch der SPD geben müssen. Allzu oft sei der Union in den vergangenen Monaten eine "wohltemperierte Flüchtlingspolitik" aufgezwungen worden, etwa beim Thema sicherer Herkunftsländer oder einer Ausweitung der Abschiebehaft, wie sie jetzt die CDU und CSU fordern. Das müsse sich jetzt dringend ändern.  

Seine Kollegen von SPD, der Linken und den Grünen plädierten dahingegen weiterhin, erstmal abzuwarten und keine Spekulation zu betreiben, bevor der Anschlag aufgeklärt worden ist. 

Am Abend wollen führende Politiker der AfD vor dem Kanzleramt demonstrieren.