Pechstein: "Olympia 2014 ist mein großes Ziel"
8. Januar 2013DW: Die Eisschnellläufer sind jedes Jahr die Ersten, die um Medaillen kämpfen. Am Wochenende finden in Heerenveen in den Niederlanden die Europameisterschaften im Mehrkampf statt. Es folgen im Februar die Weltmeisterschaften und Mitte März die Einzel-Strecken-WM. Welche Ziele und Wünsche haben Sie?
Claudia Pechstein: Das Wichtigste ist, dass ich gesund bleibe bis zum Ende der Saison. Das ist die Voraussetzung, um bei allen Höhepunkten gute Leistungen zu bringen. Bei der EM jetzt und bei der WM geht es um Mehrkampf-Titel. Man muss 500, 1500, 3000 und 5000 Meter laufen. Ich wurde letztes Jahr Vize-Europameisterin im Mehrkampf, unter widrigen Bedingungen auf einer Freiluftbahn in Budapest. Deshalb bin ich froh, dass die EM und WM diesmal jeweils in Hallen stattfinden. Ziel ist, wieder eine Medaille zu gewinnen. Dieses Ziel haben andere aber auch. Diese Wettkämpfe sind jedoch nur Zwischenstationen auf dem Weg zur Einzelstrecken-WM. Die findet auf der künftigen Olympia-Bahn in Sotschi statt.
Nur noch ein Jahr bis zu den Olympischen Spielen, im Februar 2014. Denken Sie schon oft daran?
Weit weg ist das ganz und gar nicht. Ich denke immer an Olympische Spiele. Meine Olympia-Pause hat diesmal länger gedauert. Ich freue mich deshalb sehr auf Sotschi, weil ich glaube, es werden Super-Spiele. Die Russen sind als sehr sportbegeistert bekannt. Der Test bei der Einzelstrecken-WM wird zeigen, was die Bahn so hergibt. Es ist ja keine Hochgebirgsbahn, aber die russischen Bahnen waren immer sehr schnell. Und in Sotschi werden sie alles versuchen, um eine schnelle Bahn zu machen. Bei der WM dort strebe ich auch Medaillen an, auf den langen Strecken.
Ist Sotschi wichtig, weil sie dort ihre sechsten Olympischen Spiele erleben würden oder auch, weil sie in Vancouver nicht teilnehmen konnten? Sie waren von der ISU, dem internationalen Verband, gesperrt worden, auf Grund von Indizien, die auf Blutdoping hindeuteten.
Die Spiele von Vancouver wurden mir von der ISU gestohlen. Ich habe definitiv niemals gedopt. Deshalb geht der Kampf für mich weiter. Normalerweise wäre ich schon Eislauf-Rentnerin. Ich hätte nach Vancouver oder ein Jahr später aufgehört mit dem Sport. Ich glaube, dass ich in meinem relativ hohen Alter noch ganz gut in Form bin und ich bin optimistisch, in Sotschi eine olympische Medaille gewinnen zu können. Es wäre meine zehnte Medaille. Das wäre ein Traum. Das Ganze hat natürlich den bitteren Beigeschmack, das der Kampf gegen die ISU immer noch weiter geht.
Kurz vor Ende des vergangenen Jahres haben Sie verkündet, das Sie gegen die ISU und auch gegen den deutschen Verband klagen werden. Welche Gründe gibt es dafür? Geht es nur um den Ruf, Ihre Ehre oder auch um Geld?
Die Hauptsache ist Gerechtigkeit. Ich habe es auf mehreren Ebenen versucht. Mittlerweile stehen weltweit alle wichtigen Hämatologen auf meiner Seite. Keiner steht mehr auf der Seite der ISU, noch nicht mal der ehemalige Gutachter der ISU. Leider kann ich nicht noch einmal vor dem CAS (Anm. Internationaler Sportgerichtshof) um mein Recht kämpfen. Das geht juristisch nicht. Für mich geht es um mein Image, aber auch um den materiellen Schaden, der mir entstanden ist, durch entgangene Preis- und Sponsorengelder. Da geht es um einen siebenstelligen Betrag, weil ich auch viel Geld für die Gutachten und die Anwälte bezahlen musste.
Man redet mit Frauen normalerweise nicht über ihr Alter, aber hier spielt es eine besondere Rolle. Mit fast 41 Jahren halten Sie mit wesentlich jüngeren Athletinnen mit bzw. schlagen diese sogar. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Ich habe sicherlich Talent für das Eislaufen, habe jedoch auch schon als Kind umfangreich und vor allem richtig trainiert. Ich beobachte, dass darauf heute allgemein nicht mehr so viel Wert gelegt wird. Früher waren unsere Trainingsgruppen auch größer, und wir haben uns gegenseitig gepusht. Heute haben wir diese Breite nicht mehr. Das macht mich traurig, weil Eisschnelllaufen offenbar keine tolle Zukunft mehr hat in Deutschland. Mir macht es jedoch noch viel Spaß. Eislaufen ist mein Leben. Ich habe neun olympische Medaillen, davon fünf goldene. Von 1992 bis heute gehöre ich zur Weltspitze. Ich weiß, dass ich dafür sehr, sehr hart trainieren, mir jedoch auch viel Zeit zur Regeneration nehmen muss. Von meinem langjährigen Trainer Achim Franke habe ich da viel gelernt, wovon ich heute profitiere.
Sind Sie mit Ihrem Alter auch ein Vorbild für andere?
Sportler im fortgeschrittenen Alter gibt es auch in anderen Sportarten, z.B. beim Ole Einar Björndalen. Ich glaube, das ist auch möglich. Sicher, der Körper zwickt hier und da ein bisschen. Ich denke jedoch, ich kenne meinen Körper sehr gut und weiß, was ich ihm zutrauen und zumuten kann. Ich persönlich fühle mich nicht so alt wie ich bin, nur manchmal in der letzten Runde eines Rennens. Mir macht alles noch unheimlich viel Spaß.
Wie gehen ihre Kontrahentinnen damit um, dass Sie noch dabei sind. Sind manche genervt, dass sie ein Jahr und dann noch ein Jahr an Ihre Karriere angehängt haben?
Ich werde international sehr respektvoll behandelt. Auch viele Trainer anderer Läufer ziehen den Hut vor meinen Leistungen. Denen, die denken, warum muss die Pechstein immer weiter laufen, kann ich nur sagen: Lauft schneller als ich, dann würde ich bestimmt eher aufhören! Solange ich jedoch anderen davonlaufe, stehe ich wohl keinem im Weg.
Ihr Name steht für Eisschnelllaufen aus Deutschland. Wenn dann vielleicht 2014 das Ende der Karriere kommen sollte, gibt es Pläne für die Zeit danach? Vielleicht als Trainerin?
Claudia Pechstein: Fakt ist, ich habe nicht gesagt, dass ich 2014 aufhöre. Ich gucke erst einmal bis dahin. Zurzeit bin ich vollauf damit beschäftigt, bis zu Olympia zu denken. Ich muss mich jetzt nicht darum kümmern, was danach kommt. Ich glaube, ich bin klug genug, später den richtigen Weg zu finden.
Nach einer umstrittenen Dopingsperre kehrte Claudia Pechstine 2011 aufs Eislauf-Oval zurück. Die 40jährige ist die erfolgreichste deutsche Wintersportlerin. Sie gewann bisher neun olympische Medaillen und war sechsmal Weltmeisterin. In diesem Winter erreichte sie zum 100. Mal bei einem Weltcup einen Podestplatz.
Das Interview führte Herbert Schalling.