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Politik

Peru: Der schwere Weg zur Einheit

Camilo Toledo
28. Juli 2021

Zu einem besonders symbolträchtigen Zeitpunkt und 52 Tage nach der Wahl vollzieht Peru den Machtwechsel. Der Dorfschullehrer und Marxist Pedro Castillo steht vor der Aufgabe, ein zerrissenes Land aus der Krise zu führen.

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Pedro Castillo lässt sich am 8. Juni - und damit zwei Tage nach der Wahl - von seinen Anhängern feiern
Siegessicher: Pedro Castillo lässt sich am 8. Juni - und damit zwei Tage nach der Wahl - von seinen Anhängern feiernBild: picture alliance/AA/Klebher Vásquez

Peru vereidigt an diesem besonderen Nationalfeiertag nicht nur den fünften Präsidenten innerhalb von fünf Jahren, der Andenstaat feiert auch seine 200 Jahre währende Unabhängigkeit von Spanien. Und das inmitten der verheerenden Corona-Pandemie und inmitten von Hoffnung und Unsicherheit, die durch die Wahl des linken Dorfschullehrers Pedro Castillo ausgelöst wurden.  

Die Übernahme des Präsidentensessels durch den 51-jährigen Gewerkschaftsführer hat angesichts der Zweihundertjahrfeier eine starke symbolische Bedeutung für das Land: Zum ersten Mal rückt ein Bewohner des abgelegenen Andengebiets an die Staatsspitze, fernab aller politischen Eliten - zumal diese als Unterstützer der unterlegenen Kandidatin Keiko Fujimori alles getan haben, um seine Verkündung zum Wahlsieger zu verzögern.

Dringendste Herausforderungen

Das starke Wirtschaftswachstum des Andenlandes hat in den vergangenen Jahrzehnten beispielsweise die Armut von 55 Prozent auf 22 Prozent verringert, wie die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und der Karibik (CEPAL) feststellte. COVID-19 legte jedoch eine ungleiche Entwicklung und ganz besonders die Schwächen des Gesundheitssystems offen, die dazu führten, dass Peru mit derzeit fast 200.000 Todesopfern zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern weltweit gehört.

Aus diesem Grund hat Castillo weitreichende Reformen versprochen, angefangen mit einer Änderung der Verfassung. Er begründet dies mit der Notwendigkeit eines stärkeren Eingreifens des Staates in die Wirtschaft und argumentiert, trotz des Wachstums des Landes in den jüngsten 30 Jahren sei der freie Markt für die Ungleichheiten zwischen den Reichsten und den Ärmsten verantwortlich.

Präsidentschaftskandidat Pedro Castillo (Bildmitte) spricht am 6. Juni 2021 beim traditionellen Wahlfrühstück in seiner Heimatstadt Cajamarca zu den Medien.
Mit Pedro Castilo (Mitte) übernimmt zum ersten Mal ein Anführer aus der Andenregion die Präsidentschaft von PeruBild: Miguel Yovera/AA/picture alliance

Wenige Stunden vor seinem Amtsantritt ist sein Kabinett aber immer noch eine unbekannte Größe, was in der etablierten politischen Klasse für weiteres Misstrauen sorgt. "Castillo wird eine sehr schwierige Aufgabe haben, wenn er die Regierung in einer der schlimmsten Krisen in der Geschichte unserer Republik übernimmt. Seine kurzfristigen Prioritäten müssen darin bestehen, die Corona-Impfungen fortzusetzen, die die Stimmung im Land verbessert haben, den wirtschaftlichen Aufschwung fortzusetzen und die Kinder nach zwei verlorenen Jahren wieder in die Schule zu schicken", erklärt die peruanische Politikwissenschaftlerin Denisse Rodríguez-Olivari von der Humboldt-Universität zu Berlin gegenüber DW.

Verfassungsdebatte sorgt für Unruhe

In der Endphase der Wahlen hatte Castillo versucht, seinen Vorschlag für eine neue Grundordnung abzuschwächen. Er betonte, dies sei nur im Konsens mit dem Parlament möglich, in dem seine Partei Perú Libre nur 37 von 130 Sitzen hat. Nun will der neue Präsident schnellstmöglich ein Referendum zur Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung ankündigen. Eine Initiative, die von der Opposition offen abgelehnt wird.

Der peruanische Verfassungsrechtler Luciano López räumt im DW-Gespräch ein, dass die derzeitige Verfassung Mängel habe und geändert werden müsse, hält aber ein Referendum darüber für einen Fehler: "Für die Korrekturen ist keine neue Verfassung notwendig. In zwei Abschnitten sind jedoch wichtige Änderungen notwendig: im Abschnitt, der sich auf die Struktur des Staates bezieht, und in dem Abschnitt, der die rechtsstaatlichen Garantien behandelt. Zu diesen beiden Punkten könnte es im Parlament einen Konsens geben, nicht aber zum Abschnitt über die Wirtschaftsordnung".

"Nein zum Kommunismus" steht auf einem Protestbanner gegen den marxistischen Präsidentschaftskandidaten Castillo drei Wochen nach der Wahl
"Nein zum Kommunismus": Proteste gegen den marxistischen Präsidentschaftskandidaten Castillo drei Wochen nach der WahlBild: Sebastian Castaneda/REUTERS

So sieht es wohl auch die Mehrheit der Peruaner, wie die jüngste Umfrage des Instituts für Peruanische Studien (IEP) zeigt. 61 Prozent der Bürger erwarten von der neuen Regierung die Beibehaltung des Wirtschaftsmodells, allerdings mit Änderungen, und nur 23 Prozent wünschen sich eine komplett neue Verfassung.

Der Mann im Hintergrund

Während sich der neue Präsident also mit einem mehrheitlich ablehnenden Parlament auseinandersetzen muss, lastet auch noch der Schatten von Vladimir Cerrón auf ihm. Der Führer und Gründer der offen marxistischen Partei Peru Libre ist ein in Kuba ausgebildeter Neurochirurg und das bekannteste Gesicht der radikalen Linken. Allerdings konnte Cerrón nicht für seine Partei kandidieren, weil er wegen Korruption während seiner Zeit als Gouverneur der Region Junin verurteilt ist. Wie groß nun sein Einfluss auf Castillos Regierung sein wird, gehört zu den vielen offenen Fragen.

Die bereits zitierte Umfrage des IEP zeigt, dass Präsident Castillo in einem sehr komplizierten politischen Umfeld agieren muss: 34 Prozent der Befragten setzten Hoffnung in seine Regierung und 29 Prozent äußerten sich unsicher, 16 Prozent bekunden Vertrauen und 15 Prozent haben Angst um ihre Zukunft. In einem scheint sich aber eine Mehrheit der Peruaner einig zu sein: Eine Beteiligung des Marxisten Vladimir Cerrón in der Regierung von Pedro Castillo lehnen 85 Prozent der Peruaner ab. 

Aus dem Spanischen adaptiert von Gabriel Gonzalez.