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Katastrophe

Peru: Notstand mit Ansage

21. März 2017

Überflutungen und Erdrutsche sind im peruanischen Sommer kein Novum. Gerade deshalb hätten die Folgen der Regenfälle dieses Jahr geringer sein können. Das nationale Kastrophenprogramm hat vielerorts versagt.

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Peru Überschwemmungen
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Mejia

Unvorbereitet war Peru nicht. Und doch werden die Peruaner das Gefühl nicht los, der Sommer hätte glimpflicher verlaufen können, sagt Francesca García, Reporterin der Tageszeitung "El Comercio". Sie hat in der vergangenen Woche aus Lambayeque im Norden des Landes berichtet, das zu den vier am stärksten betroffenen Regionen des Landes gehört. "Die Situation ist furchtbar: Hunderte, tausende Menschen stehen buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz", beschreibt sie ihre Einrücke am Telefon.

Überschwemmungen an der Westseite der peruanischen Anden bis hinunter an die Pazifikküste gibt es fast jedes Jahr. Mal sind sie stärker, mal schwächer, mal konzentrieren sie sich in einer Region, mal in einer anderen. "Das Ausmaß der Regenfälle war so nicht vorhersehbar, das ist natürlich nicht die Schuld der Regierung", sagt García. "Trotzdem müssten die Folgen nicht so verheerend sein."

Perus lahmes Preventionsbudget

Garcia und einige ihrer Kollegen beschäftigen sich seit Längerem mit dem staatlichen Katastrophenschutz. Denn Überschwemmungen sind nicht die einzige Bedrohung für das Land. Peru liegt - wie die gesamte Westküste Amerikas, die ostasiatischen Inseln und Ozeanien - am Pazifischen Feuerring: Jederzeit kann hier die Erde beben, Tsunamis können die Küste überfluten oder Vulkane ausbrechen.

Peru Überschwemmungen
Zerstörte Brücke in Lima: Viele Straßen sind unbenutzbar. Das erschwert die Hilfe vor allem in abgelegenen Regionen.Bild: picture-alliance/dpa/Agentur Andina/J.C. Guzman

Auch die peruanische Regierung misst dem Thema einiges an Gewicht bei. Für 2017 sieht der Haushalt 1,1 Milliarden Soles (rund 320 Millionen Euro) dafür vor. Doch nach Garcías Recherchen wurden in den ersten drei Monaten weniger als elf Prozent abgerufen, also etwa die Hälfte dessen, was zur Verfügung stand. Auch Ende 2016 nahmen die zuständigen Behörden demnach lediglich 75 Prozent des veranschlagten Geldes in Anspruch. In Lambayeque und dem ebenfalls schwer betroffenen Piura betrug diese Quote sogar nur zwei Drittel. Geld, so Garcia, mit dem man wohl einigen Schaden hätte abwenden können.

Bürokratie im Katastrophenschutz

Dass der Staat mehr tun könnte, das räumte sogar Premierminister Fernando Zavala ein. Auf einer Sondersitzung des Kabinetts im Katastrophengebiet Piura sagte er: "Wir müssen mehr tun - auf lokaler, regionaler und zentraler Ebene." Damit spielte er auf die Struktur der zuständigen Behörden an. Denn der Katastrophenschutz ist in Peru recht kleinteilig organisiert.

Fernando Zavala Premierminister Peru
Premier Fernando Zavala: "Wir müssen mehr tun!"Bild: picture-alliance/Zumapress/El Comercio

Je nach Ausmaß einer Naturkatastrophe ist der Bürgermeister einer Stadt, die Regionalverwaltung oder die Regierung in Lima zuständig. Genau derlei bürokratische Hürden, heißt es in einem Dossier von "El Comercio", führten dazu, dass vorgesehene Maßnahmen nicht umgesetzt würden.

Verteidigungsminister Jorge Nieto, dessen Ressort Teile des Katastrophenschutzes unterstellt sind, geht noch weiter: Er sprach in einem TV-Interview Ende der Woche offen von Korruption auf lokaler und regionaler Ebene, etwa wenn Bürgermeister Genehmigungen erteilen, Häuser in vorübergehend ausgetrockneten Flussläufen zu errichten: "Da dringt nicht der Fluss in die Stadt ein, sondern die Stadt dringt in den Fluss ein."

Politische Scharmützel

Nun gilt es, den entstandenen Schaden zu begrenzen. Teile der Opposition fordern bereits von der Regierung, sie solle die Panamerikanischen Spiele absagen, die Peru 2019 in Lima ausrichten soll. Das Geld dafür könne dann für Entschädigungen aufgewendet werden.

Peru Überschwemmungen in Cajamarquilla
Wo Stadt und Fluss sich begegnen: Flussbetten, die Jahrelang trocken lagen, wurden nun überflutet.Bild: Reuters/M. Bazo

Die Regierung lehnt das ab. Verständlicherweise, findet Sebastian Grundberger, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peru: "Das Land verfügt über genug Mittel, um für beides aufzukommen." Einen zielführenden Vorschlag erkennt Grundberger darin jedenfalls nicht: "Es geht wohl eher darum, die Regierung weiter unter Druck zu setzen." Die hat ohnehin einen schweren Stand, denn Präsident Pedro Pablo Kuczynski muss nach seinem Stichwahlsieg im Juli 2016 mit einer Minderheit im Parlament regieren.

Derart politische Manöver hält Grundberger aktuell für unangemessen: "In dieser Situation sollte das ganze Land zusammenstehen." Auch die Zeit zur Aufarbeitung dessen, was im Vorfeld oder auch während der Hilfsaktionen schief gelaufen sei, müsse angesichts der Opferzahlen erst einmal hintanstehen.

Das ganze Land betroffen

Nach offiziellen Angaben sind bisher 75 Todesopfer und annähernd 300 Verletzte bestätigt. 100.000 Menschen sind obdachlos geworden, viele von ihnen haben alles verloren, insgesamt gelten mehr als 600.000 als von den Überflutungen betroffen. Tatsächlich aber dürfte das ganze Land die Auswirkungen spüren.

Schlimme Fluten töten Dutzende in Peru

Vier Tage lang gab es in großen Teilen der Hauptstadt Lima kein Leitungswasser. Das Grundwasser der Zehn-Millionen-Metropole durch übergetretene Flüsse zu stark verschmutzt. "Mittlerweile läuft es wieder", berichtet auch KAS-Leiter Sebastian Grundberger, "aber es ist immer noch sehr trüb."

Trinkbar sei es nicht. Daher werde inzwischen auch das abgefüllte Trinkwasser rationiert: "Vorgestern konnte ich noch sechs 2,5-Liter-Flaschen kaufen, heute nur noch eine." Auch die Lebensmittelpreise seien bereits gestiegen, nachdem die Fluten die Ernte auf Tausenden Hektar Ackerfläche zerstört haben.

Für die nächsten Tage haben die Meteorologen weitere, vielleicht noch heftigere Regenfälle vorhergesagt. Die internationale Hilfe ist bereits angelaufen. Kolumbien etwa hat 30 Tonnen Hilfsgüter nach Peru gesendet und den Rettungskräften zwei Helikopter zur Verfügung gestellt. Auch deutsche Hilfsorganisationen haben bereits Spendenseiten eingerichtet.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.