Peru: Wahlen im Schatten der Korruption
26. Januar 2020Eines lässt sich schon jetzt sagen: Die Peruaner scheinen nicht allzu begeistert von diesen vorgezogenen Parlamentswahlen zu sein. Wenige Tage vor der Wahl bekunden 54 Prozent der Peruaner, dass sie noch nicht wissen, wen sie an diesem 26. Januar wählen wollen (Quelle: Markt- und Meinungsforschungsinstitut CPI), obwohl in Peru Wahlpflicht herrscht. Vielleicht noch beunruhigender: Je nach Umfrage sagen zwischen 19,1 (CPI) und 34 Prozent (Umfrageinstitut Ipsos), dass sie beabsichtigen, einen leeren oder ungültigen Stimmzettel abzugeben.
Folgenreicher Protest
Die Abgabe ungültiger Stimmen hat ganz andere Folgen als ein Protestvotum und kann dazu führen, dass am Ende Splitterparteien begünstigt werden. In Peru gibt es eine Sperrklausel, eine Mindestzahl an Stimmen, die eine Partei benötigt, um ins Parlament zu kommen. Die Hürde beträgt fünf Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen. Dieser Prozentsatz wird umso leichter überschritten, je geringer die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen ist.
Vor diesem Hintergrund stellten sich die Kandidaten von sieben der 21 Parteien, die bei den Wahlen antreten, in einer Fernsehdebatte den Fragen zu den Themen, die den Peruanern am meisten am Herzen liegen: der Wahlreform, der Linderung der sozialen Kluft in der Gesellschaft, der Justizreform, und dem Kampf gegen die Korruption.
Das Trauma der Korruption
Wie kaum ein anderes Land der Welt ist Peru von Korruption geprägt: Vier seiner ehemaligen Präsidenten wurden durch den milliardenschweren Korruptionsskandal "Lava Jato" schwer belastet. Einer von ihnen nahm sich während der Ermittlungen gegen ihn das Leben.
"Es gibt in der politischen Klasse bestimmt Menschen, die Anerkennung und Vertrauen verdienen, aber es ist für einen Großteil der Bevölkerung schwierig, sie von den anderen zu unterscheiden", sagt Eduardo Dargent, Politikwissenschaftler an der Katholischen Universität von Peru im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das enorme Misstrauen gegenüber der Politik und die Vorstellung, dass sie ein schmutziges Geschäft ist, hat sich in den letzten Jahren verstärkt. Video- und Audioaufnahmen, die an die Öffentlichkeit gelangten, scheinen dies zu bestätigen. Es ist nun sehr schwer, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen".
In der Fernsehdebatte erhitzten sich beim Thema Korruption die Gemüter. Ricardo Vásquez, der Spitzenkandidat der konservativen und wirtschaftsliberalen Partei Fuerza Popular, beschuldigte Präsident Martín Vizcarra, eine Schmutzkampagne gegen seine Partei zu führen. Die Vertreter der kleineren linken Parteien griffen das Thema auf und forderten Korruptionsermittlungen gegen Mitglieder des Parlaments, ein Ende der Vetternwirtschaft und sogar eine neue Verfassung. An Forderungen mangelte es nicht.
Der Politikwissenschaftler Eduardo Dargent schließt nicht aus, dass einige dieser Forderungen ihren Weg ins Parlament finden werden: "Es könnte schon sein, dass die ein oder andere linke Kleinstpartei es schafft, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen - vor allem wegen der erwarteten ungültigen Stimmen." Eine größere Überraschung wäre es für Dargent, wenn irgendeine Partei es schaffen würde, mehr als ein Viertel der Sitze zu erobern. "Das halte ich für sehr unwahrscheinlich, gerade wegen der Fragmentierung der politischen Landschaft", meint Dargent.
Historische Wahlen
Es gibt sehr viele unbekannte Faktoren bei dieser Wahl, aber eines steht jetzt schon fest: Die Wahlen an diesem 26. Januar sind einzigartig in der Geschichte Perus. Noch nie zuvor hat Peru ein neues Parlament gewählt, ohne gleichzeitig einen neuen Präsidenten zu wählen. Eine weitere Besonderheit ist, dass die neuen Volksvertreter nur bis 2021 im Amt sein werden, dem Jahr, in dem die reguläre Legislaturperiode endet und Präsident Martín Vizcarra aus dem Amt scheidet.
Insgesamt versprechen diese Wahlen, den amtierenden Präsidenten in eine besseren Position zu bringen als vorher: Die konservative "Fujimori-Partei" wird voraussichtlich ihre Mehrheit verlieren. "Die Frontalopposition hat der Partei von Keiko Fujimori, Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, viel Boden gekostet", meint Eduardo Dargent. "Es bleibt abzuwarten, ob sie bei ihrer Linie bleibt, nur eine Minderheit der Wähler anzusprechen, oder ob sie sich versucht zu öffnen und weniger konfrontativ auftritt".
Selbst ohne den vehementen Widerstand der Konservativen im Parlament ist nicht klar, ob Präsident Vizcarra in der Lage sein wird, seine Reformvorschläge durchzusetzen. Das neue Parlament wird allen Anschein nach nicht so reformfreudig sein wie der Präsident - vor allem, da das halbe Land noch immer nicht weiß, wen es wählen soll.