Mit deutschem Know How gegen die IS-Kämpfer
12. März 2015Sie sind da. Doch es weist scheinbar nichts auf sie hin. Im wirklichen Kampf werden sie tödlich sein. "Radio Controlled Improvised Devices" - so genannte IED: funkgesteuerte Bomben mit einer Sprengkraft, die sogar Panzer explodieren lässt. Die Minen sind im blutigen Kampf gegen die Kämpfer des "Islamischen Staats" (IS) inzwischen eine der größten Herausforderungen.
Langsam und vorsichtig durchstreifen zehn Peschmerga-Kämpfer mit ihrem deutschen Trainer die Schlammspuren in einer Graslandschaft auf dem riesigen Übungsgelände des Bundeswehr-Ausbildungszentrums im bayrischen Hammelburg. Die Gruppe der Peschmerga soll "sehen" lernen. Zu finden gilt es versteckte, echte Sprengsätze, die für die Übung natürlich entschärft sind. Antennen von Funkbomben werden oft an Grashalmen oder in Büschen versteckt. Scheinbar unauffällig angehäufte Steine markieren Zielmarken für vorbeifahrende Fahrzeuge, die gesprengt werden sollen. Hier aber scheint alles unauffällig zu sein.
Es ist die letzte von insgesamt vier Ausbildungseinheiten in zwei Wochen. Erst gab es Schießübungen mit dem Panzerabwehrgerät vom Typ "Milan", dann "Sanitätstätigkeiten im Kampf" und "Materialerhaltung an Fahrzeugen und Handwaffen". Jetzt heißt es: "Kampfmittel erkennen und beseitigen". Plötzlich hält der Trainer an und weist die Peschmerga in ihren Tarnanzügen auf eine heimtückische Spur hin. An einer Stelle der Wiese hat sich das Gras verfärbt. Es ist dunkler als die Umgebung. Eine Folge erhöhter Feuchtigkeit zwischen dem Gras und dem Schacht für einen Sprengsatz von rund 20 Kilo TNT. Einer von vielen wertvollen Hinweisen, die die Peschmerga begierig aufnehmen. Der kurdische Übersetzer hat viel zu tun.
Hilfe für 10.000 Kämpfer
Trainiert werden die Peschmerga von Bundeswehr-Soldaten, die über viel Erfahrung aus mehreren Auslandseinsätzen verfügen. Sie unterrichten keine blutigen Anfänger, sondern Kämpfer, die nicht die Bundeswehr, sondern allein die Führung der Peschmerga ausgewählt und nach Deutschland geschickt hat. Hauptkriterium: Die Peschmerga müssen das Gelernte verständlich weitergeben können. "Es gilt das Schneeballsystem, Hilfe zur Selbsthilfe, so dass wir auch mit wenigen Soldaten, die hier sind, einen großen Effekt im Einsatzgebiet der Peschmerga erzielen können", sagt Oberst Hans Sahm vom Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg. 30 Peschmerga sind insgesamt in der Gruppe, die an diesem Wochenende ihre Ausbildung beendet. Ähnlich groß war das erste Team, das bereits im Oktober 2014 in Deutschland war.
Selbst spät abends, wenn die Übungen längst beendet sind, trifft Oberst Sahm in den Unterkünften Peschmerga, die immer noch ihre Notizen studieren. Für die nach Deutschland gekommenen Menschen ist es nicht irgendeine Theorie. Es geht um ihr Leben und um ihre Heimat. "Sie kommen aus dem Krieg und gehen da wieder hin." Oberst Sahm erlebt die Peschmerga weder als kopflose Hasardeure noch als falsch motivierte Racheengel, sondern als "diszipliniert, zielorientiert und pragmatisch".
Im Training mit den Raketen der Panzerabwehrgeräte helfen die Peschmerga der Bundeswehr, die Kosten in Grenzen zu halten. Das Problem: Das Zielen mit dem Gerät vom Typ Milan ist gewöhnungsbedürftig. Die erste Visiermarke der Waffe muss über dem Ziel gehalten werden. Eine zweite Visiermarke muss einem bewegten Ziel nachgeführt werden, um die Rakete richtig zu steuern. Benötigt wird also viel Übung. Allerdings kostet allein ein einzelner Gefechtskopf rund 8000 Euro. Also übte man zuerst ohne die echten Raketen mit einem Ausbildungsmittel und verbrauchte schließlich nur 36 Schuss wertvoller Munition.
Waffen hüten wie eigenen Augapfel
Oberst Sahm spricht mit viel Anerkennung von einem "ausgeprägten Gemeinsinn und einem besonderen inneren Zusammenhalt der Peschmerga". Auch vor dem Hintergrund ihrer Geschichte und ihrer Kultur glaubt Sahm an den Erfolg der Ausbildung. Sahm tritt zwar unverhüllt gegenüber der Presse auf, hält sich aber ansonsten gerne im Hintergrund. Er ist kein Mann großer Worte. Mit Details zur Ausbildung geht Sahm aus Sicherheitsgründen vorsichtig um. Zurückhaltung gilt auch für den Leiter der Peschmerga. Er will seinen Namen nicht nennen und stellt sich nur mit seinem Dienstrang als Hauptmann vor. Wie seine kurdischen Mitstreiter zeigt er sich nur maskiert. Die Angst vor persönlicher Verfolgung oder Racheakten an ihren Familien ist bei den Peschmerga groß. Selbst in Deutschland fühlen sich die Ausbildungsteilnehmer nicht wirklich sicher. Übungsorte und Unterkünfte wechseln deshalb ständig.
Den in Deutschland aufgekommenen Sorgen, die an die Peschmerga gelieferten Waffen könnten noch in andere Hände fallen, tritt der Hauptmann der Peschmerga energisch entgegen und versichert: "Wir werden uns dafür einsetzen und auch dafür opfern, weil es das einzige Mittel ist, mit dem wir gegen den IS kämpfen". Man sei Deutschland sehr dankbar für diese Form der Hilfe. Den Unterricht beschreibt der Hauptmann als stets von großem Respekt und gegenseitigem Vertrauen getragen. Welcher Teil der Ausbildung besonders hilfreich sein wird, dazu will der Hauptmann sich nicht festlegen. Sein Statement soll alles sagen: "Wir haben viel gelernt."