Stöger: "Platz 15 ist realistisch"
1. September 2014DW: In der 2. Liga waren Sie noch der Klassenprimus. Jetzt haben Sie hier gleich in der Umgebung Vereine wie Dortmund, Schalke, Leverkusen. Was denken Sie über die Begegnungen mit diesen Vereinen?
Peter Stöger: Ich denke, dass wir viel zu tun haben. Schöne Aufgaben. Wir sind letztes Jahr mit der Idee und mit der Vision gestartet, so schnell wie möglich in die Bundesliga zurückzukommen. Das haben wir dann auch wirklich umgesetzt. Sehr viele Leute sind ja noch dabei. Ein paar Spieler haben wir dazu geholt. Sich mit den Besten - und ich meine nicht nur aus Deutschland, sondern auch europaweit mit wahnsinnig vielen Mannschaften, die europäische Spitze sind - messen zu können, ist ganz einfach eine interessante Aufgabe.
Müssen Sie Ihrer Mannschaft das Verlieren beibringen?
Naja, das Verlieren beibringen - Uns muss klar sein, dass wir auf Gegner treffen, wo es sein kann, dass man mal ein Spiel verliert, als klar schlechtere Mannschaft möglicherweise auch. Wir können uns einschätzen, wir haben eine realistische Zielsetzung mit Platz 15, das bedeutet keine Relegation, kein direkter Abstieg. Diese Aufgabe ist machbar und - wenn alles funktioniert - realistisch. Das ist auch kein Understatement. Das ist eine nüchterne Einschätzung dessen, was machbar ist und was für den Verein sehr wichtig wäre.
Kann denn das Kölner Umfeld mit so einer Underdogrolle umgehen?
Ich habe das Gefühl, die Fans haben sich drauf eingestellt. Wir haben aber auch kein Problem damit - das zeichnet diesen Klub ja auch aus - dass die Unterstützung in der Stadt groß ist, dass die Fans auch träumen dürfen. Für uns ist nur wichtig, dass wir ganz klar zum Ausdruck bringen, was wir versuchen, im Klub und mit der Mannschaft umzusetzen. Und es ist mir lieber, man träumt fanseitig von etwas, was sein könnte, als wäre man depressiv und sagt: Es kann eh nicht funktionieren.
"Dass man als Österreicher hierher kommt, ist eher ungewöhnlich"
Herr Stöger, Sie sind vor einem Jahr vom österreichischen Meister Wien zum damaligen Zweitligisten Köln gewechselt. Das klingt für mich, ehrlich gesagt, nach einem Rückschritt.
So viele Zweitligisten hat es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben, bei denen ich überlegt hätte, von Austria Wien wegzugehen. Aber als ich hierher gekommen bin, habe ich auch gesagt: Für einen Österreicher und für die Wahrnehmung in Österreich ist der 1. FC Köln schon eine große Nummer. Mit allen Problemen, die rund um den Klub sind - ich sag mal von den Finanzen bis zur Erwartungshaltung, bis zur Kurzlebigkeit der Trainer - aber das hat es eben auch ausgemacht. Sich dort zu profilieren, eine Chance zu bekommen, die kriegt man als österreichischer Trainer eher selten.
Wieso eigentlich?
Der österreichische Markt wird nicht so wahrgenommen. Wenn man über Österreich etwas erfahren möchte, um wirklich die Insiderinformationen zu bekommen, da muss man schon selbst suchen. Das ist eben nicht die Nonplusultra-Liga. In Deutschland gibt es Drittligatrainer, die die Qualität haben, wo es 100-prozentig stimmt. Dass man aus Österreich herkommt, ist eher ungewöhnlich. Ich habe gewusst, dass es eine Riesenherausforderung ist, dass ich dabei viel lernen kann. Und als ich dann gesagt habe, dass ich unbedingt nach Köln will, habe ich gewusst: Ich selbst werde sicher als Gewinner rausgehen. Das heißt jetzt nicht unbedingt als Aufsteiger, das heißt auch nicht als Bundesligatrainer. Die Sicherheit, dass ich viel an Wissen dazu bekomme, das war mir klar. Die Hoffnung war groß, dass der 1. FC Köln auch davon profitiert (lacht).
Wie wurden Sie denn als Österreicher am Anfang in Deutschland wahrgenommen?
Viele Leute waren sehr überrascht. Dann hat man sich irgendwann mal die Mühe gemacht, hat meinen Namen gegoogelt, hat geschaut, was hat der Österreicher überhaupt erreicht, wo kommt der her, hat der überhaupt gespielt? Ich bin hier sehr positiv aufgenommen worden, im Klub sowieso, aber auch im Umfeld. Die Skepsis haben sie versteckt, würde ich jetzt mal sagen. Die Hoffnung war groß, wie wahrscheinlich immer, wenn ein neuer Trainer kommt. Ich glaube, die Hoffnung war ein wenig größer als der Glaube daran, dass es wirklich funktioniert, weil man mit meiner Person kaum etwas anfangen konnte. Wir sind ja zu Beginn mit drei Unentschieden in die Saison gestartet und ich glaube, wir haben dadurch Bonuspunkte gesammelt, wie wir mit der Situation umgegangen sind: Unaufgeregt, ganz klar in der Analyse, dass das zu wenig sein wird, dass wir uns in verschiedenen Bereichen noch weiterentwickeln müssen, dass wir gewisse Sachen noch verbessern müssen. Da hab ich das Gefühl gehabt, dass die Leute daran glauben, dass wir eine Idee verfolgen. Dass das vielleicht greifen und funktionieren könnte. Aber zu Beginn war ich natürlich ein No-Name-Trainer, das ist ja klar.
Schielen denn viele Ihrer Landsmänner nach Deutschland?
Ja. Für viele, für Spieler, für Trainer, ist die Bundesliga das Nonplusultra, aber auch die 2. Liga total interessant. Die Trainerkollegen in Österreich und auch Fachleute haben das sehr wohl verstanden, dass man vom österreichischen Meister nach Köln wechselt. Da war niemand dabei, der gesagt hat: Das verstehen wir jetzt überhaupt nicht. Auch wenn Champions League natürlich eine interessante Aufgabe gewesen wäre, aber von der Idee her ist es etwas Kurzfristiges. In einem oder mehreren Jahren in Köln kann ich wahnsinnig viel an Erfahrung mitnehmen. Deswegen ist für jeden österreichischen Trainer die Bundesliga das Ziel schlechthin. Viele Bereiche, wo man in Deutschland jammert, das ist Jammern auf hohem Niveau.
Zum Beispiel? Wo jammert man in Deutschland zu viel?
Über die Rahmenbedingungen. Wenn in der 2. Liga ein kleines Stadion mit 18.000 Zuschauern ausverkauft ist, ist es für deutsche Verhältnisse sehr nett. 18.000 Zuschauer in Österreich - das ist ein ausverkauftes Topspiel. Ich wehre mich immer ein bisschen dagegen, dass gewisse Dinge zur Selbstverständlichkeit gehören, dass man den Anspruch hat, es muss zum professionellen Arbeiten notwendig sein - etwa, dass man überallhin einen Charterflug hat oder sonst irgendwas. Ich glaube, dass sie hier in Köln froh sind, dass ich viele Dinge, die andere Trainer möglicherweise als riesiges Problem sehen, gar nicht als Problem wahrnehme. Das macht es, glaube ich, für die Führungsriege ein bisschen einfacher.
Peter Stöger ist seit der Saison 2013/2014 Trainer des 1. FC Köln. Der 48-jährige ehemalige österreichische Profifußballer debütiert in dieser Saison als Trainer in der Bundesliga, nachdem er u.a. zuvor Austria Wien zum österreichischen Meistertitel und den 1. FC Köln als Zweitligameister zurück in die deutsche Eliteklasse geführt hatte.
Das Interview führte Constantin Stüve.