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Petersburger Dialog sucht neues Vertrauen

Kay-Alexander Scholz, Berlin22. Oktober 2015

Nach der Absage Berlins im vergangenen Jahr wird wieder gesprochen: Die Folgen der Krim-Krise sind beim Petersburger Dialog zwar noch spürbar - aber auch das Bemühen wieder auf Russland zuzugehen.

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Petersburger Dialog 2013 in Leipzig
Bild: picture-alliance/dpa/Hendrik Schmidt

Der neue Co-Vorsitzende des Petersburger Dialogs auf deutscher Seite, Roland Pofalla, wagte sich bei der Eröffnungsrede des zivilgesellschaftlichen Treffens mit rund 200 Teilnehmern weit auf die russische Seite. Es sei nicht klug gewesen, dass US-Präsident Obama Russland im Zuge der Ukraine-Krise verbal zu einer Regionalmacht herabgestuft hatte. Im selben Atemzug allerdings betonte Pofalla, das die Souveränität von Staaten nicht Verfügungsmasse eines stärkeren Nachbarns sein dürfe. Doch die Obama-Bemerkung ließ viele russische Teilnehmer aufhorchen. Denn im Zuge der Verschlechterung der Beziehungen zwischen beiden Länder wurde die angebliche Unterwürfigkeit Berlins gegenüber Washington zu einem festen Bestandteil antiwestlicher russischer Propaganda.

Mit gutem Beispiel vorangehen und den Partner dann zum Mitmachen animieren - mit dieser Strategie will Pofalla dem Petersburger Dialog eine neue Qualität geben: Zuhören und Verstehen, statt dem anderen die eigene Meinung aufzudrängen.

Erste handfeste Erfolge hat der ehemalige Kanzleramtsminister von Angela Merkel, von ihr vor einigen Monaten ins Amt gehievt, bereits im Vorfeld erreicht. Auf deutscher Seite wurde das Team um Vertreter von NGOs und politischer Stiftungen erweitert. Um zu zeigen, dass es nicht die eine deutsche Meinung gibt, sondern Meinungspluralität. In Zukunft soll es nicht mehr acht, sondern zehn Arbeitsgruppen geben, die sich zweimal im Jahr treffen. Die Themen Gesund, Ökologie und Jugend sollen dazu kommen. Bereiche, bei denen sich die deutsche Seite modern eingestellte Gesprächspartner erhofft. Eine starke Zivilgesellschaft brauche die Rückkopplung mit innovativen Multiplikatoren, sagte Pofalla und kritisierte die schwierige Lage einiger NGOs in Russland.

Ohne Merkel und Putin

Sein Counterpart auf russischer Seite, Wiktor Subkow, ließ zur Eröffnung erkennen, dass er sich eine Erweiterung gut vorstellen könne. Auch habe sich das russische Team breiter aufgestellt, so seien nun zum Beispiel Vertreter aller vier Parlamentsparteien angereist. Man werde nun sehen, wie sich das auf die Diskussionen auswirke und was das bringe. Pofalla sagte an späterer Stelle, dass es natürlich anstrengend sei, möglichst verschiedene Stimmen einzubinden, aber letztendlich bringe das für alle Vorteile. Mal sehen, ob das am Ende des morgigen Tages auch von der russischen Seite so gesehen wird.

Der Petersburger Dialog war im vergangenen Jahr 2014 als Reaktion auf die Krim-Krise von deutscher Seite ausgesetzt worden. Business as usual aber gibt es noch immer nicht. Die sonst üblichen parallelen Regierungskonsultationen und damit eine Teilnahme von Merkel und Präsident Putin finden nicht statt. Pofalla sieht das als Chance, man habe nun mehr Freiheiten, andere Schwerpunkte zu setzen. Subkow betonte, man habe eine besondere Verantwortung an diesen zwei Tagen in Potsdam. Das Treffen sei ein Symbol für die Tragfähigkeit des deutsch-russischen Verhältnisses, auch in Krisenzeiten im Dialog zu bleiben. Vielleicht könne der Petersburger Dialog sogar "die Abkühlung in anderen Bereichen kompensieren".

Ronald Pofalla beim Petersburger Dialog (Foto: dpa)
Ronald Pofalla: Hatte sich eigentlich aus der aktiven Politik verabschiedetBild: picture-alliance/dpa/K-D.Gabbert

Doch die Syrien-Krise zwingt dem Petersburger Dialog einen aktuellen Streit auf. Subkow sagte, es gebe keinerlei Beweise, dass die russische Armee syrische Oppositionelle bombardiert habe. Belegt seien allein Angriffe auf Terroristen. Pofalla sagte, er könne den Besuch Assads in Moskau nur mit Fragen verbinden. Insgesamt schlug der 56-Jährige, der sich eigentlich aus der aktiven Politik verabschiedet hatte und nun Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG ist, einen nachdenklichen, Mut machenden Ton an - anders der Hauptredner des Eröffnungsabends, der ersteinmal auf Einschüchterung setzte.

"Beide Seiten vorerst gescheitert"

Wolfgang Ischinger ist der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und damit einer der einflussreichsten Außen- und Sicherheitspolitiker Deutschlands. Für ihn sind die Bemühungen für ein neues Verhältnis zwischen Russland und Europa gescheitert, führte er in der Hauptrede des Eröffnungsabends aus. Es fehle an Vertrauen und Ehrlichkeit, stattdessen seien "die alten Propaganda-Hunde wieder von der Kette gelassen". Das Scheitern machte Ischinger an mehreren Punkten fest.

Militärisch sei die Lage so gefährlich wie seit der Kuba-Krise 1962 nicht mehr. Gefährliche Luftmänöver steigerten die Gefahr einer Eskalation auch mit Nuklearwaffen. Politisch-strategisch gesehen lägen die Kooperationsprojekte in Scherben. Von dem erhofften Ring gut regierter Staaten in östlicher und südlicher Nachbarschaft zu Europa könne keine Rede sein. Beim gemeinsamen europäischen Haus gebe es unterschiedliche Hausordnungen - die längst überwunden geglaubte territoriale Frage sei wieder da. Die russischen Eliten würden sich vom Westen abwenden, der als dekadent empfunden werde. Besonders habe dabei das deutsch-russische Verhältnis gelitten, es gebe nun eine tiefe Vertrauenskrise. Russland flüchte sich in eine Schein-Stabilität, betone einen äußeren Feind, um von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stagnation im eigenen Land abzulenken. Darin aber liege der Kern der Entfremdung.

Der russische Co-Vorsitzende Wiktor Subkow (Foto: dpa)
Der russische Co-Vorsitzende Wiktor SubkowBild: picture-alliance/dpa/K-D.Gabbert

Ischinger zeichnete, in einem schonungslos aggressiven Tonfall ein ausgesprochen düsteres Bild. Aber er bot auch einen Plan an. Parallel erschien am Donnerstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Gastbeitrag von ihm mit der Kurzfassung seiner Rede in Potsam. Ischinger spricht sich für eine von Deutschland ausgehende neue internationale Friedensinitiative aus, vergleichbar mit der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975: Mitten im damaligen Kalten Krieg hatten sich Ost und West damals auf sichere Grenzen und Menschenrechte verständigt.