Salzresistente Pflanzen
16. November 2013In Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan gibt es eigentlich genug Fläche und auch wertvolle Böden, um Getreide in großem Stil anzubauen. Aber es gibt ein Problem, das Wasser in den Flüssen enthält von Natur aus sehr viel Salz: einerseits das Kochsalz Natriumchlorid, aber noch viel mehr Natriumsulfat - ein Schwefelsalz. Und salzfreies Regenwasser gibt es manchmal, wie in den Trockenperioden, auch über mehrere Monate nicht.
So hat sich über die Jahrtausende das Salz im Boden konzentriert - schlechte Bedingungen um zum Beispiel Weizen anzupflanzen. Die intensive Baumwollproduktion zur Zeit der Sowjetunion (UdSSR) verstärkte die Wasserknappheit. Das Schrumpfen des Aralsees war eine Folge. So verstärkte sich das Versalzungsproblem zusätzlich. Forscher an der Universität Bonn versuchen nun, Getreide für solche Bedingungen zu züchten.
Das Beste aus Wild- und Kulturpflanzen
Said Dadshani ist einer von Ihnen. Der Doktorand öffnet die schwere Metalltür zur Klimakammer. Helles Gewächshauslicht erfüllt den Raum in dem 20 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen. Auf einem Tisch keimen Weizensamen aus. "Die Körner haben wir auf Filterpapier ausgelegt", erklärt er, "darauf kommt entweder Wasser ohne oder Wasser mit Salz. Danach untersuchen wir, wie stark sie gewachsen sind."
Dadshani kommt aus Afghanistan. Jetzt züchtet der Biologe an der Universität Bonn spezielle Weizensorten. Zuerst hatte er zwei Elternpflanzen gekreuzt: eine Wildsorte, die gut mit salzhaltigen Böden klarkommt, und eine Kultursorte. Die mag zwar kein Salz, bringt dafür aber gute Erträge. Jetzt wachsen in der Klimakammer die 160 Nachkömmlinge der zwei Weizensorten heran. Später kommt dann eine zweite, dritte oder vierte Generation hinzu.
Sein Studienkollege Benedict Oyiga geht etwas anders vor: Der Nigerianer hat 150 ganz unterschiedliche Weizensorten ausgewählt, die nicht miteinander verwandt sind. Diese lässt er in einer sogenannten hydroponischen Anlage heranwachsen: in zwei Plastikkisten, darin jeweils 150 Pflanzen in kiesgefüllten Töpfen. "Eine Kiste hat Salz im Wasser, die andere nicht", erklärt der Doktorand. "Jede Stunde füllt eine Pumpe Wasser aus dem Reservoir in die Kiste. Es dauert etwa 15 Minuten, um gefüllt zu werden. Danach fließt das Wasser wieder in das Reservoir ab. Das wiederholt sich dreißig Tage lang."
Ein dritter Versuchsaufbau steht etwa zwanzig Kilometer weit entfernt. In Klein-Altendorf haben die Forscher ein riesiges Glasdach über ein Feld gebaut. Der sogenannte Rain-Out-Shelter soll verhindern, dass Regen unkontrolliert auf die dort angebauten Pflanzen fällt. So können sie Trockenheit und Dürre simulieren. Auch hier wachsen Hunderte Sorten und Kreuzungen heran.
Von der Pflanze zur Gen-Information
Alle drei Versuche unterscheiden sich auf den ersten Blick, aber das Ziel von Oyiga, Dadshani und ihren Kollegen in Klein-Altendorf ist trotzdem dasselbe. Sie möchten herausfinden, welche der Pflanzen das Salz und die Trockenheit besser vertragen und trotzdem gut gedeihen. "Wir schauen uns die Entwicklung der Pflanze an: Wurzelanzahl, Wurzelvolumen, deren Dichte und viele Charaktereigenschaften, die wir messen müssen. Aber auch die Blattlänge und Blattanzahl", erklärt Dadshani.
Steht einmal fest, welche Pflanzen die gewünschten Eigenschaften haben, geht die eigentliche Suche los. Die Forscher filtern die DNA der Pflanzen heraus und schicken sie ins Labor. Zurück kommen lange farbige Listen mit DNA-Codes. Die gilt es zu vergleichen: Welche genetischen Informationen haben die salz- und trockenheitsresistenten Pflanzen, die den anderen Sorten fehlen?
Die Suche nach diesen einzelnen Genen ist extrem aufwendig. "Das sind teilweise über 100.000 kleine Abschnitte, die in einem Schritt erfasst werden", erklärt sein Professor Jens Léon. "Nachher, wenn wir durch die Analyse herausgefunden haben, dass wir uns auf drei bis vier Abschnitte konzentrieren können, dann würde man einen Test nur für diese Segmente aufbauen." Eine aufwendige Suche. Aber der Leiter des Forschungsbereichs Pflanzenzüchtung an der Bonner Universität ist sich sicher, dass es sich lohnt. "Die Pflanzenarten, die über der ganzen Welt angebaut werden, haben eine große Variation - nicht nur die Kulturpflanzen, sondern auch ihre Vorläufer, die Wildformen", so Léon. "Und die werden noch gar nicht genutzt. Aber sie enthalten eine Vielzahl von Eigenschaften, die wir analysieren können."
Forscherglück: Die Nadel im Heuhaufen
Und so kommt es bei der Suche auch immer wieder zu überraschenden Ergebnissen: "Interessanterweise haben wir eine Linie entdeckt, die fast als einzige weitergewachsen ist - unter einer Bedingung: Als wir einen hohen Salzgehalt hatten und ein außergewöhnlich starkes Frostereignis", sagt Léon. Die Entdeckung ist ihm und seinen Doktoranden in Zentralasien geglückt, wo sie mit dortigen Universitäten zusammenarbeiten und ihre Züchtungen unter Realbedingungen erproben. "Das ist natürlich die Nadel im Heuhaufen, die wir da gefunden haben", freut sich der Wissenschaftler.
Mit der Entdeckung ist die Suche der Bonner Forscher nach anpassungs- und leistungsfähigen Sorten längst nicht beendet, pflichtet ihm sein Professorenkollege Agim Ballvora bei. "Es gibt keine ideale Pflanze, genauso, wie es keinen idealen Menschen gibt", betont er, denn jedes Klima und jeder Boden erfordert eine eigene genetische Antwort. Deshalb sei es auch gar nicht erstrebenswert, eine Sorte zu züchten, die mit allen klimatischen und Bodenbedingungen gut klar käme, denn die Leistungsfähigkeit der Pflanzen, die man brauche, um die Menschheit zu ernähren, lasse sich nur erhalten, wenn es auch eine große genetische Vielfalt gebe, aus der die Forscher schöpfen können.