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Pistorius-Urteil sorgt für Unverständnis

Hilke Fischer12. September 2014

Oscar Pistorius hat seine Freundin fahrlässig getötet, nicht ermordet. In Südafrika halten viele dieses Urteil für falsch. Der Richterin Thokozile Masipa zollen die Menschen dennoch großen Respekt.

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Oscar Pistorius Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/Alon Skuy

Zwei Tage dauerte die Urteilsverkündung im Fall Oscar Pistorius, jetzt hat die Richterin Thokozile Masipa ihr Urteil gefällt: Der Paralympics-Star habe seine Freundin Reeva Steenkamp fahrlässig getötet. Das Strafmaß wird in drei bis vier Wochen erwartet. Die Höchststrafe beträgt in solchen Fällen in Südafrika 15 Jahre Haft, eine Mindeststrafe gibt es nicht. Für die Frauenrechtsaktivistin Kensani Mutelele, die während der Urteilsverkündung vor dem Gerichtssaal protestierte, steht fest: "Oscar muss ins Gefängnis. Er hat ein Verbrechen begangen und dafür muss er bestraft werden."

Pistorius hatte seine Lebensgefährtin Reeva Steenkamp am 14. Februar 2013 mit Schüssen durch die geschlossene Toilettentür seines Hauses getötet. Absicht konnte dem beinamputierten Athleten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, deshalb hatte die Richterin bereits am Donnerstag (11.09.2014) einen Schuldspruch wegen Mordes oder Totschlag ausgeschlossen.

Juristen glauben an vorsätzliche Tötung

Unter Juristen ist das Urteil umstritten. "Ich bin der Ansicht, dass Masipa das Gesetz falsch interpretiert hat", sagt der Johannesburger Rechtsanwalt David Dadic im Interview mit der Deutschen Welle. Die Einschätzung der Richterin, Pistorius habe nicht die Absicht gehabt zu töten, sei falsch.

Protest gegen das Oscar Pistorius-Urteil vor dem Gericht in Pretoria Foto: Christopher Furlong/Getty Images 11.09.2014
Frauenrechtsaktivistinnen protestierten vor dem GerichtBild: Getty Images/C. Furlong

In Deutschland wäre Pistorius wegen vorsätzlicher Tötung verurteilt worden, schreibt der Berliner Rechtswissenschaftler Erik Olaf Kraatz in einer Analyse: "Eine - hypothetische - Notwehr hätte vor dem Einsatz der tödlichen Schusswaffe eine Warnung und einen Warnschuss verlangt. Beides tat Pistorius nicht, so dass der sofort tödliche Schuss nicht erforderlich war und damit nicht erfolgen durfte." Pistorius hatte angegeben, die Person im Badezimmer für einen Einbrecher gehalten zu haben. Nach Auffassung von Richterin Masipa gelang es der Staatsanwaltschaft nicht, den Mordvorwurf zweifelsfrei zu belegen.

Stolz auf Richterin Masipa

Dass der Prozess für Pistorius vergleichsweise glimpflich ausgegangen ist, stößt auch bei einigen Facebook-Fans der DW auf Unmut. Amaka Elochukwu aus Nigeria schreibt: "Ich wusste von Anfang an, dass das Urteil fahrlässige Tötung und nicht auf Mord lauten würde." Die Entscheidung der Richterin weise in eine falsche Richtung: "Südafrika hat die Apartheid noch immer nicht überwunden!"

Frau im Township Soweto Foto: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images
In Soweto sind viele Menschen stolz, dass jemand von ihnen über Pistorius urteilteBild: AFP/Getty Images/O. Andersen

Reich und weiß - auch in den südafrikanischen Townships glauben viele, dass Pistorius deshalb eine Sonderbehandlung genossen habe. "Den meisten Weißen lässt man zu viel durchgehen- weil sie weiß sind und weil sie reich sind", sagt eine Bewohnerin des Johannesburger Townships Soweto. Für den Prozess hätten sich die Menschen in dem Viertel nur wegen Thokozile Masipa interessiert: Die Richterin ist selbst in Soweto aufgewachsen. 1998 wurde sie als zweite schwarze Frau in Südafrika Richterin. Heute noch kommt sie oft nach Soweto zurück, um Verwandte zu besuchen. "Es macht mich stolz, zu wissen, dass eine Person, die im gleichen Viertel gelebt hat, Richterin in einem so bedeutenden Fall ist; dass eine Person, die hier aufwächst, über die Reichsten der Reichen urteilen kann", sagt Busisiwe Marima, die in Soweto als Schneiderin arbeitet.

Pistorius-Fans glauben weiter an seine Unschuld

Aber auch unter weißen Südafrikanern sorgt das Urteil für Kopfschütteln. "Pistorius hätte andere Möglichkeiten gehabt. Er hätte seinen Panikknopf drücken können, er hätte die Polizei anrufen können", sagt John Kruger, ein pensionierter Polizist aus Durban. "Unsere Gesetze lassen es nicht zu, dass man einfach auf eine Tür schießt, ohne zu wissen, was dahinter ist."

Pistorius war für viele Menschen ein Idol. Seinen Fans schenkt im Moment kaum jemand mehr Gehör. Aber es gibt sie noch: Lena von Brandis hat den Tag vor dem Gerichtsgebäude verbracht, um Pistorius zu unterstützen. "Ich glaube daran, dass er unschuldig ist. Er war immer mein Held."