Polens Disziplinarkammer ist abgeschafft
14. Juni 2022Die Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof, die Richter bestrafen und entlassen konnte, stand im Zentrum des seit Jahren andauernden Konflikts mit der Europäischen Union um die Justizreformen der nationalkonservativen Regierung in Warschau. Die Mitglieder des Gremiums wurden vom Landesjustizrat ernannt, der von der Politik kontrolliert wird. Brüssel warf Polen vor, mit der Disziplinarkammer die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben - und somit gegen einen Grundwert der EU zu verstoßen.
Der von Präsident Andrzej Duda selbst eingebrachte Gesetzentwurf zur Schaffung eines neuen Gremiums ist nach der Zustimmung von Parlament und Senat nun von ihm in Kraft gesetzt worden.
Weg frei für milliardenschwere EU-Hilfen
Die EU-Kommission hatte die Auflösung der Disziplinarkammer zu einer Voraussetzung für die Freigabe europäischer Corona-Hilfsgelder in Höhe von rund 35 Milliarden Euro gemacht. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) verurteilte Polen im vergangenen Oktober zur Zahlung eines Zwangsgeldes von einer Million Euro pro Tag, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer zunächst verweigerte. Die Strafe hat sich inzwischen auf weit mehr als 200 Millionen Euro summiert.
Die polnische Regierung erhofft sich nach der Auflösung der Disziplinarkammer die baldigen Freigabe der EU-Hilfsgelder. Opposition und Richterverbände bemängeln jedoch, das nun verabschiedete Gesetz gehe nicht auf die Bedenken hinsichtlich der politischen Beeinflussung der Justiz in Polen ein. "Dieser Gesetzesentwurf erfüllt nicht die Bedingungen der Europäischen Kommission", sagte die polnische oppositionelle Abgeordnete Barbara Dolniak.
Die Auflösung der Disziplinarkammer war auch ein Thema beim jüngsten Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula in Polen. Innerhalb der EU-Kommission gibt es nach wie vor es Zweifel daran, ob Warschau es mit seinen Reformen ernst meint. Zwar hatte die EU am 1. Juni grundsätzlich grünes Licht für die Auszahlung der Milliardenhilfen gegeben. Von der Leyen betonte in Warschau jedoch, das Geld werde erst dann ausgezahlt, "wenn Reformen und Investitionen umgesetzt sind".
Die EU-Kommission und die Regierung in Warschau streiten seit langem über die Einhaltung der für EU-Staaten verbindlichen rechtsstaatlichen Grundsätze - der Konflikt geht über die umstrittene Disziplinarkammer für Richter hinaus.
rb/qu/ww (AFP, dpa, Reuters)